Während selbst notorische Rechte wie der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) der Auffassung sind, die Linkspartei sei der ideale Partner, um das Programm von Sparpolitik, Flüchtlingshetze und innerer und äußerer Aufrüstung nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus fortzusetzen, führen pseudolinke Organisationen wie die SAV und RIO Wahlkampf für die Berliner Linke.
Auf der offiziellen Website der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) prangt seit dem 8. September ein Interview mit Sarah Moayeri, der Direktkandidatin der Linkspartei für den Wahlkreis Neukölln 1. RIO agiert im Umfeld der Linkspartei und der Gewerkschaften und ist international Bestandteil der „Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale“ (FT-CI). Moayeri ist Mitglied der Sozialistischen Alternative (SAV), einer pseudolinken Gruppierung, die bereits seit mehreren Jahren fester Bestandteil der Linken ist und deren Vertreter mittlerweile im Vorstand der Partei sitzen.
Das Ziel von Flakin und Moayeri ist leicht durchschaubar. Verzweifelt versuchen die beiden, Unterstützung für eine Partei zu mobilisieren, die erklärtermaßen rot-rot-grüne Regierungsbündnisse auf Landes- und Bundesebene anstrebt, die gleiche arbeiterfeindliche Politik vertritt wie die Hartz-IV- und Kriegsparteien SPD und Grüne und unter weiten Teilen der Bevölkerung zunehmend verhasst ist.
An einer Stelle fragt RIO: „Die Linkspartei in Berlin hat keinen besonders guten Ruf. Sie war 2001-11 an der Regierung und privatisierte alles, was nicht niet- und nagelfest war. Werdet ihr beim Wahlkampf mit dieser Geschichte konfrontiert? Oder ist das vergessen?“ Moayeris Antwort: „Natürlich werden wir damit konfrontiert. Die Leute vergessen keine 100.000 privatisierten Wohnungen oder den Abbau von 35.000 Stellen im öffentlichen Dienst, das alles hatte ja dramatische Auswirkungen auf die Lebenssituation der Menschen.“
Um ihre Unterstützung für die Linkspartei zu rechtfertigen, entwickeln Wladek Flakin, der das Interview für RIO führte, und Moayeri eine Argumentation, die an Zynismus und Absurdität nur schwer zu überbieten ist. Nachdem Flakin festgestellt hat, dass „die Linkspartei Berlin unter Klaus Lederer […] buchstäblich um jeden Preis Teil einer rot-rot-grünen Koalition“ werden will, behauptet Moayeri: „Die Leute, die mich wählen, wählen eben nicht Rot-Rot-Grün, sondern eine Stimme von Bewegungen und sozialen Kämpfen.“
Wen wollen die beiden für dumm verkaufen? Es ist offensichtlich, dass eine Stimme für die Kandidatin einer Partei, die alles privatisiert, „was nicht niet- und nagelfest“ ist, und um „jeden Preis Teil einer rot-rot-grünen Koalition“ sein will, keine Stimme für „soziale Kämpfe“ ist, sondern eine Stimme für sozialen Kahlschlag und das von Lederer und der Berliner Linken angestrebte rot-rot-grüne Regierungsbündnis!
Die Behauptung von Flakin und Moayeri, der Bezirksverband der Linkspartei in Neukölln sei „links und oppositionell“, ist eine dreiste Lüge. Der Hauptredner auf der offiziellen Wahlkampfauftaktveranstaltung der Linkspartei am 3. September auf dem Hermannplatz in Neukölln war kein anderer als Gregor Gysi, der die rechte Politik der Linkspartei gewissermaßen personifiziert. Im Zentrum seiner Ansprache stand neben einem Aufruf zu Rot-Rot-Grün die Forderung nach mehr Polizei und nach einer aggressiveren, stärker auf die Interessen des deutschen Imperialismus ausgerichteten Außenpolitik.
Moayeri und die Neuköllner Linke haben Gysi eingeladen, weil sie seine Politik unterstützen. Auf ihrer Website findet sich gegenwärtig ein Bild von der Veranstaltung mit Gysi, die als „begeisternder Start“ bezeichnet wird. Daneben ist prominent das Wahlprogramm der Linkspartei verlinkt, das unter anderem für eine massive Aufrüstung der Berliner Polizei plädiert.
„Insbesondere in Bussen und Bahnen sowie auf Bahnhöfen im öffentlichen Nahverkehr“ solle sie „mit zusätzlichem Personal für Sicherheit sorgen,“ heißt es darin. Und im Abschnitt „Die Arbeitsbedingungen der Polizist*innen verbessern“: „Grundlage dafür, dass die Polizei ihre Aufgaben verantwortungsvoll erfüllen kann, ist eine fundierte Ausbildung und Ausstattung. Deshalb müssen […] wieder mehr Polizistinnen und Polizisten eingestellt werden.“
Flakins Faible für die Neuköllner Linke, die SAV und Moayeri, die er als „als linke Aktivistin in der Linkspartei“ bezeichnet, unterstreicht RIO's eigene reaktionäre politische Rolle. Hinter ihrem offiziellen Aufruf, „am 18. September ungültig zu wählen“ und „eine ‚Front der antikapitalistischen Linken‘ zu schaffen“, steht nicht der Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei in der Arbeiterklasse, sondern die politische Orientierung des pseudolinken Sumpfs auf die rechte Politik der Linkspartei und des gesamten rot-rot-grünen und gewerkschaftlichen Milieus.