Im Gegensatz zur militanten Opposition der Arbeiterklasse gegen die reaktionäre Arbeitsmarktreform in Frankreich zeichnet sich eine Kapitulation der Gewerkschaften ab. Nachdem die Regierung nicht nachgegeben hat, sendet die stalinistische CGT Signale aus, dass sie das El-Khomri-Gesetz im Kern akzeptieren wird.
Letzte Woche hatte Premierminister Manuel Valls gedroht, die Proteste zu verbieten, zu denen die Gewerkschaft CGT in einigen Großstädten aufgerufen hatte. Es wäre das erste solche Verbot in Frankreich. Damit wird klar, worin der eigentliche Zweck des Ausnahmezustands besteht, der nach den Terroranschlägen von Paris im November 2015 ausgerufen wurde: Er dient dazu, die Opposition der Arbeiterklasse gegen die Kürzungsprogramme der EU zu unterdrücken.
In einem Interview, das einer Kampfansage glich, bekräftigte Valls diese Drohung und beschimpfte protestierende Arbeiter und Gewerkschafter als Krawallmacher. „Unter den gegebenen Umständen, den Gewaltausbrüchen, dem entsetzlichen Angriff auf das Polizei-Ehepaar [das letzte Woche in Magnanville ermordet wurde] und auch der Fußball-EM sollten die Organisatoren diese Veranstaltungen von sich aus abblasen“, sagte Valls am 19. Juni dem Journal du Dimanche. „Das gebietet schon der gesunde Menschenverstand.“
Er forderte die CGT auf, „aus der Sackgasse herauszukommen“, und fügte provokant hinzu: „Die Gewerkschaftsführer sind tatsächlich bereit gemeinsame Sache mit Randalierern zu machen. Das ist inakzeptabel. Die Organisatoren der Proteste sind nicht bereit verantwortungsvoll handeln, um der Gewalt entschieden entgegenzutreten. Sollten diese Proteste erneut zur Bedrohung für die Sicherheitskräfte und öffentliches Eigentum werden, dann wird die Regierung ihre Pflicht tun.“
Aus diesen Worten spricht nicht nur Valls' Verachtung für das von der Verfassung geschützte Recht auf Protest und Streik. Sie richten sich gegen die breite Masse der Bevölkerung, die die Arbeitsmarktreform der Sozialistischen Partei entschieden ablehnt. Selbst offizielle Umfragen zeigen, dass zwischen 60 und 64 Prozent der Bevölkerung die Rücknahme des Gesetzes fordern, das die Sozialistische Partei (PS) in Windeseile durch die Nationalversammlung peitschte und dabei unter Berufung auf den Notstand eine formale Abstimmung umging.
Gerade in dem Moment, in dem die Opposition gegen die PS zunimmt und die landesweiten Proteste vom vergangenen Dienstag breite Resonanz fanden, ist die CGT zu Zugeständnissen an die Regierung bereit. Eben darüber berieten am Freitag der CGT-Generalsekretär Philippe Martinez und die Arbeitsministerin der Sozialistischen Partei, Myriam El Khomri, die das Gesetz durch alle parlamentarischen Institutionen bringen soll.
Eine zentrale Maßnahme der Reform sieht vor, dass Gewerkschaften und Geschäftsleitungen auf Unternehmensebene Tarifverträge aushandeln können, die Branchentarifverträge und das nationale Arbeitsrecht unterlaufen. Bislang wurde dies von der CGT kritisiert, da es eine unliebsame Tatsache nur allzu offensichtlich machen würde: die Rolle der Gewerkschaftsbürokraten als Co-Manager, die sich über das Arbeitsrecht hinwegsetzen, um im Interesse des Profits Löhne und Sozialleistungen zusammenzustreichen.
Als der CGT-Generalsekretär am Freitag die Gespräche mit El Khomri verließ, deutete er eine Pattsituation an. „Es gibt über entscheidende Punkte Meinungsverschiedenheiten zwischen der CGT und der Regierung“, sagte Martinez, „und diese Meinungsverschiedenheiten haben sich heute bestätigt.“
El Khomri hingegen berichtete von einer ergiebigen Diskussion über die Haltung der CGT zu der Reform. Obwohl sie und Martinez „keinen Konsens fanden“, sagte El Khomri, „gab es einen konstruktiven Austausch wohlerwogener Argumente im Hinblick auf die große Bedeutung, die wir Tarifverträgen auf Unternehmensebene beimessen“.
Schon bald sickerten Grundsatzpapiere der CGT durch, und es wurde weithin berichtet, dass die Gewerkschaft nicht länger zur Rücknahme des Gesetzes aufruft. Stattdessen beginnt die CGT nun Voraussetzungen zu schaffen, unter denen sie die umstrittensten Maßnahmen der Reform durchsetzen kann.
„Einzelne Branchen werden im gesetzlichen Rahmen den Spielraum für Tarifverhandlungen auf Unternehmensebene festlegen. [Entweder] werden diese Tarifvereinbarungen innerhalb der von den Branchentarifverträgen vorgegebenen Grenzen ausgehandelt und müssen anschließend von der Gewerkschaft, die die Mehrheit der Belegschaft vertritt, genehmigt werden. Oder die Unternehmen steigen im Rahmen der gesetzlichen Grenzen aus dem Branchentarifvertrag aus. In diesem Fall stellen sie einen Antrag an den Tarifausschuss der Branche, der über dessen Rechtmäßigkeit und Angemessenheit entscheiden wird“, heißt es im Papier der CGT.
Während die CGT zumindest vorerst ihre Protestaufrufe für den 23. und 28. Juni aufrechterhält, versucht sie mit allen Mitteln einen Ausverkauf zu organisieren. Immer offensichtlicher zeigt sich, dass der Konflikt zwischen der Arbeiterklasse auf der einen und der PS-Regierung und dem Pulk der französischen und europäischen Bourgeoisie auf der anderen Seite unüberbrückbar ist. Dies unterhöhlt die Stellung der CGT ebenso wie die Haltung der pseudolinken Organisationen in ihrem Umfeld, beispielsweise der Parti de Gauche (Linkspartei) unter Jean-Luc Mélenchon und der Nouveau Parti Anticapitaliste (Neue Antikapitalistische Partei, NPA).
Seit der Auflösung der UdSSR durch die stalinistische Bürokratie lehnt die CGT die soziale Revolution, die sie zuvor gelegentlich noch im Munde führte, explizit ab. Sie erklärt offen, dass sie im „sozialen Dialog“ mit den Unternehmern „Vorschläge“ aushandelt, die für sie und die Regierung akzeptabel sind. Doch in Wirklichkeit verhandeln Valls und die PS nur noch über die Kapitulationsbedingungen der CGT, die jetzt schon nach einem Weg sucht, den Ausverkauf der Proteste zu verpacken.
Die Arbeiterklasse dagegen zeigt durch ihren Kampf, dass sie einen neuen Typus Führung braucht und objektiv dafür bereit ist: eine revolutionäre Partei, die die Opposition gegen die PS und die gesamte Sparpolitik der EU, die in der Arbeiterklasse in ganz Europa weit verbreitet ist, in einem politischen Kampf für den Sozialismus vereint. In nahezu zehn Jahren Wirtschaftskrise und politischer Unzufriedenheit sind die Bedingungen für politische Massenstreiks und revolutionäre Kämpfe in ganz Europa herangereift.
Die CGT, die von den Stalinisten dominierte Front de Gauche (Linksfront) und die NPA stehen geschlossen gegen eine solche Perspektive. Sie sind langjährige Verbündete der Sozialistischen Partei (PS), die sie auch im Wahlkampf 2012 unterstützten. Sie riefen zur Stimmabgabe für François Hollande als Präsidenten auf und organisierten vier Jahre lang keinerlei ernsthafte Opposition gegen dessen Kürzungsmaßnahmen, bis schließlich in diesem Frühjahr Jugendproteste gegen das El-Khomri-Gesetz ausbrachen. Breite Schichten von Arbeitern spüren, dass die CGT, die Front de gauche und die NPA ungeachtet ihrer Kritik an der PS Teil desselben Establishments sind.
Diese Organisationen wussten, dass sich die herrschende Klasse über das neue Gesetz uneins war. Sie hofften diese Meinungsverschiedenheiten auszunutzen, um der Regierung kleine Zugeständnisse abzuringen, die sie den Arbeitern als Sieg verkaufen könnten. Die Vorschläge zu Tarifverträgen auf Unternehmensebene, die die CGT gegenüber El Khomri vorbrachte, knüpfen an Positionen der bekannten PS-Politikerin Martine Aubry an, die vor einigen Monaten gemeinsam mit dem Grünen Daniel Cohn-Bendit in der großen französischen Tageszeitung „Le Monde“ einen heftigen Angriff auf die Hollande-Regierung veröffentlichte.
Darin wurde auch das neue Arbeitsgesetz kritisiert und gefordert, die Beschneidung von Branchentarifverträgen zu begrenzen. Massive Absenkungen der Löhne und Sozialleistungen könnten eine unkontrollierbare Abwärtsspirale in Gang setzen, die zu einer Destabilisierung der Wirtschaft führen und explosive politische Folgen haben könnte, hieß es. „Die Arbeiter werden bei den Löhnen unaufhörlich erpresst werden“, schrieben die Verfasser, „und die Unternehmen werden unter Wettbewerbsverzerrungen leiden. Branchentarifverträge dagegen sorgen für einheitliche Bedingungen.“
Mit dem Vorschlag der CGT würde diesem Einwand Rechnung getragen, indem den Tarifausschüssen auf Branchenebene ein Entscheidungsrecht über Lohnsenkungen in einzelnen Unternehmen eingeräumt würde. Auf diese Weise würden die Unternehmen etwas mehr Planungssicherheit erhalten, was die Preisgestaltung entlang ihrer Lieferkette angeht.
Für die Arbeiter wäre eine solche Regelung mit weiteren Angriffen verbunden. Allerdings hat es den Anschein, als wolle die PS-Regierung die Vorschläge Aubrys oder der CGT nicht annehmen. Die einzige Möglichkeit, das neue Arbeitsgesetz ernsthaft zu bekämpfen, besteht darin, den Kampf nicht in den Händen pseudolinken Parteien und der Gewerkschaftsbürokratie zu belassen.