Frankreich: Raffinerie-Arbeiter im Streik gegen Arbeitsmarktreform

In Frankreich wird das Benzin langsam knapp, weil sich seit dem Wochenende die Streiks der Lastwagenfahrer und Raffinerie-Arbeiter ausdehnen. In ihrem Protest gegen die verhasste und reaktionäre Arbeitsmarktreform haben die Arbeiter im ganzen Land Depots besetzt und Raffinerien zum Stillstand gebracht.

Bei Total haben die Arbeiter am Freitag beschlossen, drei Raffinerien zu bestreiken: die Betriebe in Donges bei Nantes, in Feyzin bei Lyon und in Gonfreville-Orcher in der Normandie. Daraufhin legten die Arbeiter in Donges und in Gonfreville-Orcher die Produktion nieder. Andere Arbeiter stoppten Lieferungen aus der Total-Raffinerie Grandpuits sowie aus anderen Benzin-Depots im Norden und Westen Frankreichs, die in die Großregion Paris gehen sollten. Rasch wurde eine Benzinknappheit spürbar, die sich im ganzen Land ausbreiten könnte, wenn der Streik länger anhält.

Wie die französische Ölgesellschaft UFIP (Union Française des Industries Petrolières) berichtet, ging das Benzin am Samstag bei 317 von 2.200 Tankstellen ganz oder teilweise aus. Am schlimmsten war es im Norden und Westen Frankreichs: In der Bretagne waren 54 Prozent aller Tankstellen betroffen, in der Normandie 46 Prozent, in Pays de la Loire 43 Prozent und in Nord-Pas-de-Calais und Picardie 34 Prozent.

Mehrere Departements im Norden und Westen haben damit begonnen, das Benzin zu rationieren und an einigen Orten verboten, Benzin für das Abfüllen in Kanistern zu verkaufen. Wie die Zeitung La Voix du Nord berichtet, rechneten am Wochenende in Lille mehrere Tankstellen damit, dass ihnen das Benzin ausgehen werde.

Die PS-Regierung reagierte mit lauten Drohungen und dem verzweifelten Versuch, den Streik zu beenden, ehe er auf weitere Arbeiterschichten übergreift. Während eines Israel-Besuchs betonte Premierminister Manuel Valls, die Arbeitsmarktreform werde in Kraft bleiben, und behauptete, in Frankreich gebe es keine Benzinknappheit. Er warnte, die PS werde alle notwendigen Maßnahmen ergreifen und auch die Polizei einsetzen, um den Treibstoffstreik zu zerschlagen.

„Wir haben die Situation vollständig unter Kontrolle“, behauptete Valls. „Ich glaube, mehrere besetzte Raffinerien oder Benzin-Depots sind bereits wieder geräumt oder werden es in wenigen Stunden oder Tagen sein. Jeder kann sehen, dass die französische Regierung entschlossen ist, eine Knappheit zu vermeiden. Auf jeden Fall haben wir ausreichend Reserven, um damit umgehen zu können.“

In Wirklichkeit befindet sich die PS entgegen allen Behauptungen von Valls in einer verzweifelten Krise. Der Widerstand gegen das neue Arbeitsrecht breitet sich nur umso rascher aus, seitdem die Regierung von Präsident François Hollande das Gesetz ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung geboxt hat. Die Reform erlaubt es Unternehmen und Gewerkschaften, Tarifverträge auf betrieblicher Ebene gegen den Code de travail, das französische Arbeitsrecht, abzuschließen. Mit solchen Verträgen werden die Löhne gekürzt, die Arbeitswoche verlängert, Massenentlassungen erleichtert und der Kündigungsschutz für neu Eingestellte gestrichen. Die Reform wird allgemein als illegitimer Angriff auf soziale Errungenschaften verstanden, die in jahrzehntelangen Kämpfen gewonnen wurden.

Die Regierung, die mit einer überwältigenden Oppositionsbewegung konfrontiert ist, verlässt sich jetzt auf den Verrat der Gewerkschaftsbürokratie, der Linksfront und der pseudolinken Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA). Diese altbewährten Verbündeten der PS, die in der Wahl von 2012 zur Stimmabgabe für sie aufgerufen hatten, tun jetzt alles, um einen politischen Kampf der Arbeiterklasse gegen die Regierung zu verhindern. Sie spielen die gleiche Rolle wie im Streik der Raffinerie-Arbeiter von 2010, nur unter viel explosiveren Bedingungen. So isolieren sie die Streikenden, ermöglichen der Polizei die Zerschlagung einzelner Streikblockaden und versuchen, die Produktion wieder aufzunehmen, um zu verhindern, dass eine Treibstoffknappheit die Regierung zum Rücktritt zwingen könnte.

Am Sonntagmorgen setzte die PS-Regierung bewaffnete Bereitschaftspolizei der CRS (Compagnies Républicaines de Sécurité) ein. Sie sollte Streikblockaden an zwei Benzin-Depots in Dünkirchen zerschlagen, beim Unternehmen Rubis Terminal und im Depot von Saint-Pol-sur-Mer. Dort hatten Mitglieder des stalinistischen Gewerkschaftsverbands CGT den Zugang verbarrikadiert. Polizei wurde auch gegen Raffinerie-Streiks in der Bretagne eingesetzt, so in Vern-sur-Seiche bei Rennes und in Lorient.

Als die CRS vor den Streikposten in Dünkirchen auftauchte, versuchte die CGT nicht, breitere Arbeiterschichten zur Verteidigung aufzurufen, sondern zog widerstandslos ab. Christelle Veignie, die örtliche Gewerkschaftssekretärin, berichtete: „Alles ging friedlich vor sich, die CRS bat uns, im Guten zu gehen, und wir leisteten keinerlei Widerstand.“

Obwohl die Raffinerie-Arbeiter als einzige Waffe nur ihre Fähigkeit haben, durch Streik die Produktion stillzulegen, bis das Benzin knapp wird, betonte der Vorsitzende der CGT-Raffinerie-Gewerkschaft, Emmanuel Lepine: „Es ist nicht unser Ziel, eine Benzinknappheit herbeizuführen.“

Um den Kampf gegen die PS-Politik von Krieg und Sozialkahlschlag erfolgreich zu führen, müssen die Arbeiter rücksichtslos mit den Gewerkschaften und ihren politischen Verbündeten brechen. Solange die Kämpfe der Arbeiter unter deren Kontrolle stehen, werden diese Organisationen alles tun, um jeden neuen Arbeitskampf zu spalten, zu sabotieren und auszuverkaufen.

Schon jetzt lassen die Gewerkschaften ihre Bereitschaft erkennen, die Streikaktionen zu isolieren und zu beenden. Am Freitag hat die FO (Force Ouvrière) die Lastwagenfahrer aufgefordert, ihre Straßenblockaden einzustellen, nachdem die PS versprochen hatte, sie werde die Überstundenvergütungen trotz gegenteiliger Bestimmungen im neuen Arbeitsgesetz beibehalten.

Sowohl FO als auch die CGT lobten diese Entscheidung der Regierung. In einem gemeinsamen Kommuniqué schrieben die beiden Gewerkschaften: „Die Regierung macht Zugeständnisse in der Frage der Überstunden. Das ist eine gute Nachricht für einen Berufsstand, dem es schlecht geht.“

In Wirklichkeit werden die Arbeiter nichts bekommen, es sei denn, sie mobilisieren die Arbeiterklasse für einen politischen Streik gegen die Austeritätspolitik in ganz Europa. Dieser Kampf muss sich auf eine sozialistische und internationalistische Grundlage stützen.

Wenn der Kampf innerhalb der Zwangsjacke der Gewerkschaften und pseudolinker Parteien wie der Linksfront und der NPA verbleibt, kann er nichts gegen die Sparpolitik ausrichten. Diese Kräfte lehnen trotz ihrer zahnlosen Kritik an der PS die Austerität keineswegs ab. In Griechenland sind mit der Syriza-Regierung Politiker ihresgleichen an der Macht. Sie setzen noch drakonischere Sparmaßnahmen durch als ihre konservativen oder sozialdemokratischen Vorgänger. Gegen protestierende Arbeiter gehen sie gewaltsam vor, gegen Immigranten setzen sie Tränengas ein.

Während diese Kräfte versuchen, die Arbeiter nach nationalistischen Gesichtspunkten zu spalten, setzen die Regierungen Europas diese brachiale Sparpolitik einvernehmlich in einem Land nach dem andern durch. Frankreich schneidert die Arbeitsmarktreform nach dem Vorbild der deutschen Hartz-IV-Gesetze, um seine Konkurrenzfähigkeit wiederherzustellen, nachdem die gleichen Angriffe in Deutschland vor zehn Jahren durchgesetzt wurden. Als Arbeiter und Jugendliche im März mit ihrem Protest gegen die französische Arbeitsrechtsreform begannen, versammelten sich sozialdemokratische Politiker aus ganz Europa in Paris, um Hollande zu unterstützen.

Damals waren der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der italienische Premier und Vorsitzender der Demokraten (PD), Matteo Renzi, sowie die EU-Vize-Ratspräsidentin Federica Mogherini in Paris.

Solange diese Politiker und ihre pseudolinken Verbündeten sich immer noch als „Linke“ präsentieren können, profitieren nur rechtsextreme Populisten wie Marine Le Pen vom Front National (FN), die eine nationalistische, ausländerfeindliche und gegen die EU gerichtete Politik vertreten.

Letzte Woche unterstützte die PS-Regierung selbst stillschweigend einen rechten Protest gegen „Hass auf die Polizei“, zu dem eine Polizeigewerkschaft mit Unterstützung des FN aufgerufen hatte. Unter den Teilnehmern befand sich auch Eric Cocquerel von der Linksfront.

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