Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat beschlossen, den chinesischen Renminbi (auch bekannt als Yuan) in die Reihe der Währungen mit Sonderziehungsrechten (Special Drawing Rights, SDR) aufzunehmen. Damit wird er praktisch zu einer internationalen Reservewährung. Unmittelbar wird diese Entscheidung vermutlich keine Auswirkungen haben. Allerdings zeigt sie die immensen Veränderungen in den Fundamenten der Weltwirtschaft, die in den letzten drei Jahrzehnten aufgrund des langfristigen wirtschaftlichen Niedergangs der USA stattgefunden haben.
Wie die Webseite des Informationsdienstes Stratfor in einem Kommentar über die Entscheidung schrieb, ist es das erste Mal, dass die Währung eines Landes, welches nicht mit den USA verbündet ist, zu den Reservewährungen aufgenommen wurde. Bisher bestand das Sortiment aus dem US-Dollar, dem britischen Pfund, dem japanischen Yen und dem Euro.
Die Währungsordnung der Nachkriegszeit, zu welcher der IWF gehörte, beruhte auf der überwältigenden wirtschaftlichen Dominanz der USA. Wie Stratfor erklärte, machte im Jahr 1945 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA 50 Prozent des Gesamt-BIP der Welt aus. In diesem Jahr wird es nur noch bei 22 Prozent liegen.
Die US-Regierung unterstützte zähneknirschend und höchst widerwillig die Entscheidung, den Renminbi in die SDR aufzunehmen. Sie akzeptierte den Schritt hauptsächlich aus Angst, dass die anderen Mächte Widerstand leisten würden, wenn sich Washington weiterhin dagegen wehrt. 2010 war Chinas Versuch, zu den SDR aufgenommen zu werden, vor allem an den Vereinigten Staaten gescheitert. Auch jetzt kritisiert der IWF die Weigerung des US-Kongresses eine Entscheidung aus dem Jahr 2010 zu ratifizieren, die China verbesserte Stimmrechte zugesteht. Derzeit hat China in den Gremien der Organisation das gleiche Stimmgewicht wie das kleine Belgien.
Dieses Missverhältnis zeigt, wie sich die Weltwirtschaft im letzten Vierteljahrhundert verändert hat. Vor zwanzig Jahren war China für nur zwei Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts verantwortlich. Seither hat sich dieser Anteil versechsfacht. China wird dieses Jahr mit zwölf Prozent die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt werden. Das ist eine der bedeutendsten Veränderungen der Wirtschaftsgeschichte der Welt.
Die geopolitischen Auswirkungen und Folgen lassen sich aber nicht unmittelbar aus diesen Veränderungen ableiten, indem man den oberflächlichen Schluss zieht, dass China früher oder später die Hegemonialmacht der Welt wird, oder dass es auf dem Weg ist, eine imperialistische Macht zu werden oder es bereits ist.
Der Aufstieg Chinas lässt sich nur verstehen, wenn man ihn in seinem historischen und internationalen Kontext begreift. Das wird sowohl von denjenigen ignoriert, die behaupten, China würde dem Weltkapitalismus eine neue Stabilitätsgrundlage geben, als auch von den diversen pseudolinken Tendenzen, die China als imperialistische Macht bezeichnen.
Bei der historischen Einbindung Chinas in den Rahmen des Weltkapitalismus waren die Versuche der imperialistischen Mächte ausschlaggebend, es zu beherrschen und zu unterwerfen.
Dies begann mit den Opiumkriegen, die Großbritannien Mitte des neunzehnten Jahrhunderts entfesselt hatte. Zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts fand nicht nur der Wettlauf um Afrika statt, sondern auch die Aufteilung Chinas. Alle imperialistischen Mächte, auch die aufstrebenden wie die USA, Japan und vor allem Deutschland, versuchten, ihre eigenen Wirtschaftszonen und Einflusssphären dort zu etablieren. Die USA begannen ihren Auftritt auf der Weltbühne mit der Erklärung, sie strebten eine „Politik der offenen Türe“ in China an – mit anderen Worten, sie wollten nicht daran gehindert werden, ihre aufkeimenden Interessen zu verfolgen.
In den 1930ern gefährdete Japan diese Perspektive. Zuerst marschierte es 1931in die Mandschurei ein. Ab 1937 versuchte es dann, ganz China zu erobern. Daraufhin begaben sich die USA auf Kriegskurs gegen diesen asiatischen Rivalen. Der Krieg begann mit Japans Angriff auf Pearl Harbor 1941 und endete mit dem Abwurf von zwei Atombomben auf Japan im August 1945.
Die Pläne der USA, die chinesische Landmasse zu dominieren, wurden jedoch 1949 vereitelt, als die chinesische Revolution das Joch des Imperialismus abschüttelte. Doch aufgrund der nationalistischen Politik und des Programms des maoistischen Regimes, das auf dem Stalinistischen Dogma vom „Sozialismus in einem Land“ basierte, konnten die wirtschaftlichen Probleme des Landes nicht gelöst werden. Dies hatte eine Reihe von Krisen zufolge, wie den „Großen Sprung nach vorn“ in den 1950er Jahren und die „Kulturrevolution“ in den 1960ern.
Aus Angst vor einem Aufstand der Arbeiterklasse von unten näherte sich das maoistische Regime wieder dem Imperialismus an. Dieser Prozess begann mit der Annäherung zwischen Mao und Nixon Anfang der 1970er Jahre. Er führte am Ende des Jahrzehnts unter Deng Xiaoping zur Hinwendung zu den Kräften des Marktes. Mit der blutigen Unterdrückung der Arbeiterklasse im Juni 1989 und der anschließenden wirtschaftlichen Öffnung Chinas führte die maoistisch-stalinistische Bürokratie den Kapitalismus wieder ein und machte Chinas Wirtschaft noch abhängiger von den Verschiebungen und Strömungen des globalen Kapitals.
Das spektakuläre Wachstum der chinesischen Wirtschaft im letzten Vierteljahrhundert bedeutet jedoch nicht, dass China den gleichen Weg einschlägt wie die bestehenden imperialistischen Mächte in einer früheren geschichtlichen Periode. Vor allem hat sich seine wirtschaftliche Expansion auf ganz andere Weise vollzogen: Sie war nicht das Produkt einer organischen Entwicklung, sondern beruhte auf ihrer Rolle als Billiglohn-Werkbank für die transnationalen Konzerne der Großmächte.
Folglich entspricht die Physiognomie der herrschenden Elite Chinas trotz des großen Reichtums ihrer Führungskader im weitesten Sinne der einer Kompradorenbourgeoisie, wie sie in der frühen Periode der kolonialen Unterordnung entstanden war. Sie versucht, sich durch die mächtigen Strömungen der Weltwirtschaft zu manövrieren und sich dabei zu bereichern, oft durch politische Mittel und offene Korruption.
Die konzertierte Anstrengung des Regimes, den Renminbi zur SDR-Währung zu erheben, ist charakteristisch dafür. Es handelt sich um einen Versuch, Chinas wirtschaftlichen Status zu verbessern und ihm mehr Spielraum zu geben, indem zumindest die Macht des US-Dollar etwas eingeschränkt wird, die Verhältnisse auf dem Weltmarkt zu bestimmen,
Damit hofft Chinas Regime, seinen „friedlichem Aufstieg“ – wie sie es nennen – zu fördern. Seine Berechnungen berücksichtigen jedoch nicht die Veränderungen in der Struktur der Weltwirtschaft und der geopolitischen Verhältnisse, die zur Aufnahme des Renminbi geführt haben.
Lenin analysierte vor hundert Jahren die Bedeutung des Ersten Weltkrieges als den Beginn der imperialistischen Epoche von Kriegen und Revolutionen. Denn im Kapitalismus könne es keinen dauerhaften Frieden geben, weil ein Gleichgewicht zwischen den Großmächten aufgrund der Natur und der Dynamik der kapitalistischen Wirtschaft immer nur kurzzeitig bestehen könne.
Der Grund dafür ist die uneinheitliche Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft. Daraus folge, dass die wirtschaftlichen Bedingungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschten und die Grundlage für Stabilität bildeten, sofort gestört und unweigerlich zum Ausbruch neuer Kriege führen würden.
Lenin wies ausdrücklich auf die Entwicklung hin, die dafür gesorgt hatte, dass sich Deutschland in kaum 50 Jahren von einem erbärmlichen Sammelsurium von Staaten und Fürstentümern zu einer der größten Wirtschaftsmächte entwickelte.
Die Situation vor hundert Jahren ist zwar nicht ganz mit der heutigen vergleichbar. Im Gegensatz zu Deutschland im ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts ist China keine imperialistische Macht. Doch Lenins Analyse ist dennoch für die Gegenwart relevant. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas hat die Wirtschaftsordnung und das Gleichgewicht zwischen den imperialistischen Mächten zerstört, das nach mehr als 30 Jahren blutiger Auseinandersetzungen von 1914 bis 1945, nach zwei Weltkriegen und vielen kleineren Konflikten, entstanden war.
Der Aufstieg der chinesischen Währung muss in diesem Kontext betrachtet werden. Er liefert keine Grundlage für Stabilität und Ordnung, sondern ist ein Ausdruck der zunehmenden Instabilität und Unordnung, die immer charakteristischer für die Weltwirtschaft werden. Der Grund hierfür ist der Verfall des Fundamentes, auf dem sie basierte: der unangefochtenen wirtschaftlichen Hegemonie der USA.
Angesichts dieser Situation haben die USA nicht vor, friedlich im Hintergrund zu verschwinden, sondern versuchen, ihren wirtschaftlichen Niedergang mit militärischen Mitteln auszugleichen. Das steckt hinter dem wachsenden Kriegstreiben gegen Russland und „Konzentration auf Asien“, die auf die Unterwerfung Chinas abzielt. Dieser Kurs bringt die Vereinigten Staaten jedoch in Konflikt mit ihren alten imperialistischen Rivalen. Auch diese glauben, dass ihre Zukunft von der Ausbeutung der Rohstoffe und der Arbeitskraft der eurasischen Landmasse abhängt, und ihre Interessen entsprechen nicht notwendigerweise denen der USA.
Aus dieser Perspektive betrachtet, ist die Aufnahme des Renminbi ein Ausdruck der Verschiebungen in den tektonischen Platten der Weltwirtschaft, die geopolitische Spannungen schüren und die Bedingungen für den Ausbruch eines dritten Weltkrieges schaffen. Diese Katastrophe kann nur durch die Vereinigung der Arbeiterklasse unter dem Programm der sozialistischen Weltrevolution verhindert werden.