Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD hat sich bei einem Spitzentreffen am Donnerstag auf eine weitere Beschneidung des Asylrechts verständigt. Sie bedeutet für eine große Gruppe von Flüchtlingen die Abschaffung des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf Asyl. Zudem werden der Familiennachzug und die Asylsuchenden zustehenden Sozialleistungen stark eingeschränkt.
Vor dem Treffen der Parteivorsitzenden Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer hatte es ein tagelanges taktisches Geplänkel über die Frage gegeben, ob neu zu schaffende Lager für Flüchtlinge „Transitzonen“ oder „Aufnahmeeinrichtungen“ heißen sollen, ob sie direkt an der Grenze errichtet oder über das ganze Bundesgebiet verteilt werden, und welcher Zwang ausgeübt wird, damit sich Flüchtlinge darin einfinden und dort verbleiben.
Mit markigen Worten hatte vor allem die SPD die von Horst Seehofer ins Spiel gebrachten „Transitzonen“ als „Haftlager“ und „massenhafte Internierungslager“ bezeichnet. In der Zielsetzung jedoch gab es keine Differenzen. Sowohl SPD als auch CDU/CSU setzen alles daran, den weiteren Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen.
Mit Ausnahme der Transitzonen enthält die nun erzielte Einigung sämtliche Schäbigkeiten, auf die sich die Spitzen von CDU und CSU bereits am vergangenen Sonntag verständigt hatten. Gegen die Einrichtung von „Transitzonen“ hatten vor allem verfassungsrechtliche Bedenken gesprochen. Die jetzt vereinbarten Registrierzentren werden weitgehend denselben Zweck erfüllen: Flüchtlinge ihrer Bewegungsfreiheit zu berauben, sie von einem regulären Asylverfahren auszuschließen und sie schnellstmöglich wieder abzuschieben.
Geplant sind insgesamt drei bis fünf Registrierzentren, wobei die ersten beiden im bayerischen Bamberg und Manching entstehen sollen. Dort werden die bereits bestehenden Sonderlager für Flüchtlinge aus den Balkanstaaten umgewidmet.
In den Registrierzentren werden Flüchtlinge aus den sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ des Westbalkans (Serbien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Kosovo, Montenegro und Mazedonien) untergebracht, sowie Asylsuchende, die einer Wiedereinreisesperre unterliegen oder einen Folgeantrag auf Asyl stellen, nachdem ein erstes Gesuch von deutschen Behörden abgelehnt wurde.
Auf diese Weise werden Flüchtlinge nach ethnischen und willkürlichen bürokratischen Kriterien selektiert. Wer durch das Raster fällt und in den Registrierzentren verbleiben muss, dem wird das Durchlaufen eines regulären Asylverfahrens verweigert. Stattdessen findet analog zum Flughafenverfahren ein Schnellverfahren statt mit dem Ziel, das Asylgesuch abzulehnen und den Antragsteller abzuschieben.
Innerhalb von sieben Tagen soll ein Asylgesuch anhand von vorgefertigten Textbausteinen abgelehnt werden. Anschließende Rechtsverfahren nach Einsprüchen gegen den Entscheid sollen bereits nach zwei weiteren Wochen vollständig abgearbeitet sein, so dass nach drei Wochen die Abschiebung vollzogen werden kann. Zugang zu Rechtsberatung und Rechtshilfe erhalten die Flüchtlinge, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt. Das ganze Asylverfahren wird zur reinen Farce, da das Ergebnis, die Deportation, von vornherein feststeht.
Um die betroffenen Flüchtlinge dennoch in den Registrierzentren festzuhalten, bekommen sie die ihnen zustehenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur, wenn sie sich in den Lagern registrieren und aufhalten. Außerdem wird ihre Bewegungsfreiheit durch eine verschärfte Residenzpflicht drastisch eingeschränkt. Sie dürfen den Landkreis oder die Stadt nicht verlassen, auch nicht, um Verwandte und Freunde zu treffen oder außerhalb liegende Anwälte oder Unterstützerorganisationen aufzusuchen.
Verstöße gegen die Residenzpflicht ziehen harsche Sanktionen nach sich. Zunächst werden die Sozialleistungen auf das absolute Existenzminimum zusammengestrichen und der Asylantrag nicht weiter bearbeitet. Im Wiederholungsfall wird die sofortige Abschiebung vollzogen – ungeachtet dessen, ob dem Flüchtling dadurch Gefahr an Leib und Leben droht.
Auch bei Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien, Irak und Afghanistan, die nicht als sichere Herkunftsländer gelten, werden die Daumenschrauben angezogen. So wird der Familiennachzug für so genannte „subsidiär Schutzbedürftige“ für zwei Jahre ausgesetzt. Betroffen sind davon Flüchtlinge, die nicht die hohen Vorgaben zur Anerkennung als politische Verfolgte oder als Kriegsflüchtlinge nach Maßgaben der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen, deren Abschiebung aber nicht vollzogen werden kann, da ihnen andernfalls die Todesstrafe, Folter oder ernste Gefahren für Leib und Leben drohen.
Derzeit fällt zwar nur eine relativ kleine Gruppe von Flüchtlingen in diese Kategorie, doch wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Freitag meldete, will die Bundesregierung auch Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien ab sofort nur noch subsidiären Schutz gewähren. Sie erhalten nur noch eine Aufenthaltsbewilligung für ein Jahr und dürfen ihre Familien nicht nachholen.
Wollen sie ihre Familien dennoch in Sicherheit bringen, müssen sie die kostspielige und lebensgefährliche Flucht mitsamt Alten, Kranken, Schwangeren, Kindern und Babys unternehmen. Bereits in den letzten zwei Monaten sind in der Ägäis mehr als hundert Kinder auf der Flucht ertrunken. Mit der Abschaffung des Familiennachzugs wird die Bundesregierung weitere Todesopfer zu verantworten haben.
Außerdem sollen Flüchtlinge, die bereits während des laufenden Asylverfahrens Sprach- und Integrationskurse besuchen, für den Eigenanteil von 1,20 Euro pro Stunde selbst aufkommen.
Auf der gemeinsamen Pressekonferenz der drei Parteivorsitzenden betonte Sigmar Gabriel, es habe, was das Ziel der Reduzierung der Flüchtlinge und der kompromisslosen, schnellen Abschiebung abgelehnter Asylsuchender angeht, „nie eine Differenz gegeben“.
Die Bundesregierung plant auch, das Bundeswehrmandat in Afghanistan zu verlängern, um dort „innerstaatliche Schutzzonen“ zu schaffen. Sie sollen dann als Vorwand dienen, afghanische Flüchtlinge in das zerstörte Land zurückzuschicken. Einigkeit gab es auch darin, zur Flüchtlingsabwehr enger mit dem autoritären Regime von Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei zusammenzuarbeiten.
Welche menschenverachtende Rhetorik in Regierungskreisen mittlerweile vorherrscht, zeigte der Auftritt von Ex-Bundesinnenminister Hanspeter Friedrich (CSU) in der ARD-Talkshow Anne Will. Friedrich lobte den Hochsicherheitszaun rund um die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Nordafrika als Vorbild für die gesamte EU-Außengrenze.
Über die vielen Opfer der hermetisch gesicherten und mit rasiermesserscharfen Klingen bewehrten dreifachen Zaunanlagen, verlor Friedrich kein Wort. Flüchtlinge, die es wagen, über die Zäune zu klettern, werden von der Guardia Civil und bezahlten marokkanischen Schergen regelrecht zusammengeknüppelt und brutal misshandelt. Anfang Februar 2014 beschoss die Guardia Civil eine Gruppe von rund 200 Flüchtlingen mit Gummikugeln, die versuchten, die Sperranlagen am Hafen von Ceuta zu umschwimmen. 15 Flüchtlinge kamen dabei ums Leben.
Neben Friedrich saß der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, der seiner Phantasie, Europa in einen gigantischen Käfig zu verwandeln, nicht widersprach. Stattdessen stellte er ein „sozialdemokratisches“ Modell vor, Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU zu internieren.