Sebastian Kempkens im Uni-Spiegel: Gossenjournalismus im Dienst des deutschen Imperialismus

In den letzten Wochen sahen sich Studierende der Humboldt-Universität, die militaristische Standpunkte ihrer Professoren kritisieren, einer wüsten Medienkampagne ausgesetzt. Nun hat auch die Uni-Beilage des Spiegels mit einem Text von Sebastian Kempkens in den Chor eingestimmt. Das Traktat unter dem Titel „Die Stalker“ lässt alle journalistischen Standards vermissen. Der 27-Jährige arbeitet mit Verdrehungen, Lügen und vulgären Beschimpfungen, um die Studierenden zu diffamieren.

Hintergrund ist die wachsende Kritik an Professoren wie Herfried Münkler und Jörg Baberowski, die ihre Stellung an der Universität für eine eindeutige politische Agenda nutzen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht einer von ihnen im Radio, Fernsehen oder der Presse für eine aggressive deutsche Außenpolitik wirbt.

Die Hochschulgruppe der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) an der HU hat aufgezeigt, wie Baberowski Verbrechen der Nazis verharmlost und Münkler dafür eintritt, Deutschland wieder zum „Zuchtmeister“ Europas zu machen. Auch der Blog Münkler-Watch hat seine militaristischen Standpunkte scharf kritisiert.

Kempkens greift diese völlig legitime und notwendige Kritik in unflätiger Weise an. Sein Artikel, der auch auf Spiegel Online veröffentlicht wurde, beginnt mit vulgären Schimpftiraden. Er lässt Baberowski seine Kritiker unkommentiert als „Bekloppte“ und „Irre“ bezeichnen. Er selbst behauptet, die Kritik an den Professoren sei „intellektuell oft dürftig unterfüttert“, ohne dies auch nur ansatzweise zu belegen. Die IYSSE bezeichnet er als „verschworenen Haufen“ und „Sekte“. Unter ihren Kommilitonen hätten sie „vielleicht 0,1 Prozent“ Unterstützung, lässt Kempkens Baberowski sagen.

Kempkens macht all diese Aussagen wider besseres Wissen. Er war darüber informiert, dass sich das Studierendenparlament der HU im Juni mit überwältigender Mehrheit hinter die IYSSE und Münkler-Watch gestellt und Studierende sogar explizit aufgfordert hatte, „Tendenzen der Verharmlosung der menschenverachtenden deutschen Geschichte entgegenzutreten“. Einen Monat später unterstützte das Studierendenparlament der Freien Universität Berlin einstimmig die HU-Resolution.

Schon zuvor hatten drei Fachschaftsinitiativen, darunter die des Fachbereichs Geschichte, die Medienhetze gegen die IYSSE und Münkler-Watch verurteilt. Die IYSSE selbst wurde im Januar ins Studierendenparlament gewählt und organisierte im letzten Jahr zahlreiche Veranstaltungen mit hunderten Teilnehmern an der Humboldt-Universität.

Die zunehmende Unterstützung für die IYSSE ist ein Ergebnis ihres prinzipiellen Kampfs gegen die Wiederkehr des deutschen Militarismus und seine ideologischen Wegbereiter an der Universität.

Doch Kempkens geht nicht ansatzweise auf die inhaltlichen Fragen ein, die der Auseinandersetzung an der HU zugrunde liegen. Sämtliche direkten und indirekten Zitate, die er dem Sprecher der IYSSE Deutschland, Christoph Vandreier, in den Mund legt, sind nachweislich frei erfunden. Es sind dreiste Dichtungen zur Ausschmückung seines Ammenmärchens.

Kempkens hatte Vandreier eine Stunde lang interviewt und war daher bestens über die Standpunkte der IYSSE informiert. Eine Tonaufnahme des gesamten Gesprächs liegt der WSWS vor. Keines der angeblichen Zitate ist darauf zu finden. Weder wurde Baberowskis Arbeit als „Forschung“ bezeichnet, noch nannte Vandreier den Professor jemals „eine Art Faschist“, wie Kempkens behauptet.

Selbst die elementarsten Daten, die ihm sein Gesprächspartner schriftlich und mündlich übermittelte, muss Kempkens fälschen. So macht er Vandreier kurzerhand vom Sprecher der internationalen Jugendorganisation IYSSE in Deutschland zum „Sprecher der Berliner Studentengruppe“, um sich anschließend über seine eigene Räuberpistole zu ereifern.

Tatsächlich hatte Vandreier im Gespräch mit Kempkens ausführlich dargelegt, wie Baberowski daran arbeitet, die reaktionären Thesen des Nazi-Apologeten Ernst Nolte zu rehabilitieren und die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen. Er gab ihm Texte, die belegen, dass diese Kritik an Baberowski von angesehenen Historikern in Fachzeitschriften geteilt wird. Auch machte Vandreier deutlich, dass es den IYSSE nicht um eine persönliche Auseinandersetzung mit Baberowski geht, sondern um den Kampf gegen Geschichtsfälschung und die wachsende Kriegsgefahr.

Doch all diese Informationen enthält Kempkens seinen Lesern vor. Stattdessen greift er zu wüsten Beleidigungen und wirft den IYSSE vor, sie würden Zitate aus dem Zusammenhang reißen. Dazu nutzt er wiederum unkommentierte Aussagen Baberowskis, der die IYSSE der Lüge bezichtigt. Insbesondere habe er es nie gutgeheißen, „wenn Dörfer niedergebrannt würden“, so der Professor.

Im Gegensatz zu Kempkens haben die IYSSE immer korrekt und im Zusammenhang zitiert. Baberowski hat eine solche Aussage im Oktober letzten Jahres auf einer Podiumsdiskussion im Deutschen Historischen Museum (DHM) wörtlich so gemacht. Die Diskussion wurde von den Veranstaltern aufgezeichnet und im Internet veröffentlicht.

Baberowski spricht sich dort für ein militärisches Eingreifen Deutschlands im Nahen Osten aus. In diesem Zusammenhang erklärte er: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen.“

Diese menschenverachtende und völkerrechtswidrige Auffassung haben die IYSSE zitiert und kritisiert. Kempkens hatte den Link zur Audioaufnahme von den IYSSE erhalten, er hätte die Fakten leicht nachprüfen können.

Kempkens Versuche, die IYSSE und Münkler-Watch zu diskreditieren, nehmen teilweise absurde Formen an. Die IYSSE würden Baberowski „regelmäßig mit Aufnahmegerät und Fotoapparat auflauern“, behauptet er, und „regelmäßig auf Fotostreife“ gehen.

Tatsächlich haben die IYSSE bisher zwei Fotos von Baberowski veröffentlicht. Auch das ist leicht nachprüfbar. Beide wurden auf öffentlichen Veranstaltungen gemacht, auf denen Baberowski auftrat bzw. moderierte. Die grundlegende journalistische Tätigkeit der Dokumentation einer öffentlichen Diskussion bezeichnet Kempkens allen Ernstes als „Stalking“. Offenbar hat der Absolvent der Deutschen Journalistenschule seinen Beruf verfehlt.

Mit all dem Schmutz, den er nach kritischen Studierenden wirft, verfolgt Kempkens eine klare politische Linie. Er greift die Pressefreiheit und den freien Meinungsaustausch an der Universität an. Studierende, die auf Blogs ihre Professoren kritisieren, erschaffen seines Erachtens einen „Internet-Pranger“. Wer öffentliche Veranstaltungen kritisch dokumentiert, belästigt ihm zufolge die Sprecher. Und wer die Verharmlosung des Nationalsozialismus kritisiert, macht „aus einer Mücke einen Elefanten“. Die Kritik der IYSSE an den Standpunkten Baberowskis rechtfertige nicht, Texte dazu zu verfassen und Veranstaltungen zu organisieren, schreibt er unverhohlen.

Kempkens antidemokratischer Auffassung zufolge dürfen sich Studierende offensichtlich nur in Erfurcht und Unterwürfigkeit über ihre Professoren äußern.

Es steht Kempkens natürlich frei, sich den reaktionären Auffassungen Baberowskis und Münklers anzuschließen, die Verbrechen des Nationalsozialismus als „Mücke“ zu bezeichnen und für die Notwendigkeit neuer Kriege zu argumentieren. Als Journalist muss er in seiner Berichterstattung aber zumindest minimale Standards einhalten. Seine Schmiererei verstößt nicht nur eklatant gegen den Pressekodex, der zu Wahrhaftigkeit und Sorgfalt verpflichtet, sondern auch gegen jeden menschlichen Anstand.

Die grenzenlose Vulgarität der Angriffe Kempkens offenbart die tiefe Angst vieler Medienschaffender vor der wachsenden Opposition gegen Krieg und Sozialkürzungen. Sie fürchten, dass jedes redliche Zitat, jede objektive Darstellung ihre eigene Propagandablase zerplatzen lässt.

Gerade der Spiegel ist in den letzten Jahren zu einem verlängerten Arm der Bundesregierung verkommen und hat die Hetze gegen Russland ebenso vorangetrieben, wie die chauvinistische Kampagne gegen die griechische Bevölkerung. Ein Blick auf das aktuelle Titelbild mit der rassistischen Karikatur eines Griechen verdeutlicht das.

Die Zeiten, in denen Rudolf Augstein für die Pressefreiheit ins Gefängnis ging und sich schließlich gegen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß durchsetzte, sind lange vorbei. Die extreme Verschärfung internationaler Konflikte, die Wiederkehr des deutschen Militarismus und die brutalen sozialen Angriffe in ganz Europa haben die Gesellschaft extrem polarisiert. Während die Eliten in Wirtschaft, Politik und Medien zusammenrücken, um diese Politik durchzusetzen, wächst der Widerstand in der Bevölkerung. Einer Umfrage der Zeit zufolge haben 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland kein oder wenig Vertrauen in die Berichterstattung der Medien.

Im Interview mit Kempkens, das dieser nicht zitiert, ging Vandreier auf diese Frage ein: „Das, was hier an der Uni stattfindet ist Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung“, sagte er. „Wir erleben die Rückkehr des deutschen Militarismus. Gleichzeitig sehen wir eine riesige Opposition in der Bevölkerung dagegen. Die Mehrheit ist gegen Auslandseinsätze, gegen Aufrüstung, gegen Krieg usw. Deswegen ist die Durchsetzung der Kriegspolitik und des Militarismus mit der Einschränkung demokratischer Rechte verbunden. Und das findet seinen Niederschlag hier an der Uni.“

Es findet seinen Niederschlag ebenso in Kempkens Abhandlung. Die Selbstverständlichkeit mit der er sich in den Dienst der deutschen Großmachtpolitik stellt und jeglichen journalistischen Ethos über Bord wirft, gewährt Einblick in das kleinbürgerliche Milieu, dem er entstammt. Im Interesse seiner Karriere ist er zu den übelsten Lügen und zu den vulgärsten Angriffen bereit. Zugleich nutzt er jede Gelegenheit, Professoren oder Vorgesetzten zu schmeicheln.

Kempkens hat Geschichte und Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität studiert, unter anderem bei Herfried Münkler. In dessen Vorlesungen muss es ihm wie Diederich Heßling in Heinrich Manns „Untertan“ ergangen sein, den der „menschenverachtende, maschinelle Organismus“ der Schule beglückte und dessen ganzer Stolz die – wenn auch nur leidende – Teilhabe an der kalten Macht war. „Am Geburtstag des Ordinarius bekränzte man Katheder und Tafel. Diederich umwand sogar den Rohrstock“, schreibt Mann.

An Heßling veranschaulicht Mann die autoritäre Persönlichkeit des deutschen Kleinbürgers, die für den wilhelminischen Militarismus unerlässlich war. Auf den eigenen Vorteil bedacht, verinnerlicht er die Macht der Herrschenden, buckelt nach oben und tritt umso brutaler nach unten. Die fanatische Vergötterung der Autoritäten mischt sich mit tiefer Aggressivität. Der Roman endet mit einer brennenden Kriegsrede Heßlings, der sich selbst vor dem Militärdienst gedrückt hat.

Man muss charakterlich ähnlich aufgestellt sein, um legitime und notwendige Kritik von Studierenden an militaristischen Professoren in so dreister Weise zu entstellen und in den Schmutz zu ziehen, wie es Kempkens in seinem Traktat tut. Diese Art skrupel- und gewissenloser Schmierfinken wird jetzt wieder gebraucht, um eine aggressive deutsche Außenpolitik durchzusetzen.

Loading