In vielen Medien wurde berichtet, dass die 12. Pegida-Demonstration am Montagabend in Dresden erneut größer war als zuvor. Die Angaben über Teilnehmerzahlen schwankten zwischen 20.000 und 25.000. Auch in anderen Städten demonstrieren Islamfeinde und Rechtsextremisten. Doch die rechten Aufmärsche außerhalb Dresdens waren weitaus kleiner als erwartet. In Leipzig zogen 4.800 Pegida-Demonstranten durch die Stadt, in Berlin, Düsseldorf und Saarbrücken waren es jeweils ein paar Hundert.
Zu weitaus größeren Protestzügen formierten sich die Pegida-Gegner. Zu der größten Demonstration kamen in Leipzig mehr als 35.000 Menschen, die gegen die rassistische Hetze von Pegida demonstrierten. In München versammelten sich 20.000 Menschen, in Hannover 17.000, in Dresden 7.000, in Hamburg 4.000, in Düsseldorf 5.000.
Protestaktionen mit jeweils mehr als tausend Teilnehmern gab es überdies unter anderem in Rostock, Schwerin, Saarbrücken und Mainz. Viele Teilnehmer dieser Gegendemonstrationen kritisierten nicht nur die rassistischen Parolen von Pegida, sondern auch die ausländerfeindliche Politik der Bundesregierung.
Die große Zahl der Anti-Pegida-Demonstranten widerlegt das Gerede von angeblich weit verbreiteten Ängsten und Sorgen der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen und einer „Überfremdung“ der Gesellschaft, die man „ernst nehmen müsse“, wie es in vielen Berichten heißt.
In Wahrheit wurden die Dresdner Aufmärsche der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida), die vor einigen Monaten von dem vorbestraften und unter Bewährung stehenden Drogendealer Lutz Bachmann initiiert wurden und anfangs nur ein paar hundert Rechte anzogen, von Politikern und Medien gezielt unterstützt und beworben.
In den letzten Tagen versuchten die Organisatoren der Pegida-Demonstrationen und ihre Unterstützer in den Medien das Entsetzen vieler Menschen über die schrecklichen Terrorangriffe gegen das Satiremagazin Charlie Hebdo zu missbrauchen und auf ihre Mühlen zu lenken.
In Dresden waren die Veranstalter bemüht, die Ereignisse für ihre eigene rassistische und islamfeindliche Propaganda auszuschlachten und riefen zu einem „Trauermarsch“ auf. Teilnehmer sollten mit einem Trauerflor erscheinen. Tatsächlich dominierten jedoch wie in all den Wochen zuvor Deutschlandfahnen und rassistische Parolen.
Zusätzlich wurden viele regionale Banner hochgehalten, die deutlich zeigen, dass es sich keineswegs um eine spontane Bewegung der Dresdner Bevölkerung handelt, sondern dass Rechtsextremisten unter tatkräftiger Unterstützung der faschistischen NPD im ganzen Bundesgebiet für den Umzug mobilisieren und Teilnehmer herankarren.
Eine Studie der TU Dresden hat ergeben, dass es sich bei den Demonstranten überwiegend um wohlsituierte Mittelschichten handelt, die ein überdurchschnittliches Einkommen verbuchen und von sozialen Abstiegsängsten geplagt werden. Für die Studie wurden 400 Demonstranten befragt.
Diese rückständigen Schichten werden bewusst mobilisiert, um eine rechte Basis für die Regierungspolitik von Sozialangriffen und Militarismus zu gewinnen. Mit den Terroranschlägen in Paris wird die antiislamische Hetze nun extrem verschärft und direkt mit der Einschränkung der demokratischen Rechte und der Durchsetzung von Polizeistaatsmaßnahmen zusammengebracht.
Das ist die Verschärfung einer reaktionären Kampagne, die in Politik und Medien seit einigen Wochen geführt wird und deren krassester Ausdruck bisher Pegida war. An der Spitze steht die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), deren Mitherausgeber Berthold Kohler bereits im Dezember dafür warb, die Forderungen der Pegida-Demonstrationen ernst zu nehmen und eine Einwanderungspolitik forderte, die sich ausschließlich an den Interessen des deutschen Staates ausrichtet.
Die FAZ gab auch dem Co-Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD), Konrad Adam, Raum, um seine Hetztiraden gegen den Islam zu verbreiten. Am Montag griff Matthias Alexander dann in der gleichen Zeitung antifaschistische Gegendemonstranten in Frankfurt an, weil sie den rechten Mob dort gehindert hatten, seinen Marsch fortzusetzen.
Die Springerpresse steht der FAZ in diesem Chauvinismus kaum nach. In einem Gastbeitrag für die Welt unter dem Titel „Vom Islam lernen heißt siegen lernen“ erklärt der notorische Islamfeind Henryk M. Broder unverhohlen, dass es um „das Verhältnis zwischen zwei Kulturen geht, von denen die eine aggressiv und die andere defensiv ist“. Wobei natürlich der Islam die „aggressive Kultur“ darstelle und unweigerlich Terroristen und Attentäter hervorbringe.
Als ob es die Kolonialisierung des Nahen Osten, die zwei Weltkriege und die vielen westlichen Interventionen der letzten Jahre, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen, nicht gegeben hätte, erklärt Broder die islamische Religion zur Ursache für Terrorismus. Das ist umso abstoßender, als die heutigen Terrororganisationen sämtlich durch die westlichen Länder finanziert und aufgebaut worden sind, um deren eigene Interessen in der Region durchzusetzen.
Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière gehörte zu den ersten hochrangigen Politikern, die Pegida ermutigt und unterstützt haben. Nun macht er mehr als deutlich, was die Stoßrichtung dieser antiislamischen Propaganda ist.
Nur kurz nach den Terroranschlägen in Paris erhob de Maizière die Forderung nach der Einführung einer verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung. Zudem forcierte er in Zusammenarbeit mit seinem Kabinettskollegen, Justizminister Heiko Maas, Reisebeschränkungen für angebliche Dschihadisten. So soll bereits die Ausreise von „Dschihadisten“ unter Strafe gestellt werden, wodurch faktisch ein Gesinnungsstrafrecht eingeführt wird.
Die Einschränkung demokratischer Rechte findet in sämtlichen Parteien des Bundestags Unterstützer. Vertreter der Linkspartei forderten eine materielle und personelle Aufstockung der Polizei. Der sächsische Generalsekretär der CDU und Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer erklärte, dass er sich für eine Verschärfung des Asylrechts und die rigorose Abschiebung von Flüchtlingen einsetzen werde.
Ebenfalls in Sachsen hat die Landeszentrale für politische Bildung den Pegida-Anhängern unter dem Vorwand eines „Dialogs mit besorgten Bürgern“ ein Forum zur Verfügung gestellt, um öffentlich gegen Flüchtlinge und Muslime zu hetzen. Der Direktor der Landeszentrale, Frank Richter, erklärte dazu, dass „Pegida eine große Sammelbewegung der Enttäuschten und Frustrierten, der Protestwilligen“ sei.
Zuvor hatte bereits der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich seine Dialogbereitschaft mit Pegida-Anhängern erklärt und nur widerwillig eine Demonstration in Dresden gegen Pegida unterstützt, die am vergangenen Samstag stattfand. Die sächsische Landesregierung hatte die Kundgebung zunächst unter dem Titel „Wir sind eine Stadt, ein Land, ein Volk“ geplant – ein Slogan, der auch auf Bannern der Pegida-Aufmärsche hätte stehen können.
Erst nach Protesten und dem Rückzug von Flüchtlingsinitiativen änderte man das Motto in „Für Dresden, für Sachsen – für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander“. An der Kundgebung nahmen mehr als 35.000 Menschen teil, die sich vor allem gegen die Umarmungspolitik der sächsischen Landesregierung mit den Pegida-Organisatoren stellten. Die Rede von Ministerpräsident Tillich wurde von Forderungen nach einem Abschiebestopp für Flüchtlinge übertönt.
Auch andernorts versuchten Regierungsvertreter oder Mitglieder der Oppositionsparteien die Empörung der Menschen über Pegida in ihre Kanäle zu lenken. „Die Einheit aller Demokraten“, die etwa am Dienstag am Brandenburger Tor von Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) beschworen wurde, dient nur dazu, die eigene rechte Politik abzudecken.
Es waren SPD und CDU, die mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 den Grundstein für die Abschottung Europas gegen Flüchtlinge gelegt haben. Die Spaltung der Gesellschaft wird durch die Bundesregierung selbst betrieben, die Flüchtlinge als „Sozialschmarotzer“ diffamiert und Muslime unter Generalverdacht stellt.