Interview mit Sorja Serebrjakowa

Sorja Leonidowna Serebrjakowa wurde 1923 geboren. Sie ist die Tochter von Leonid Serebrjakow, einem führenden Bolschewiken und Linken Oppositionellen. 

Serebrjakow wurde 1890 in einer Arbeiterfamilie geboren. Er beteiligte sich aktiv an der Revolution von 1905 und trat im selben Jahr der bolschewistischen Fraktion der Russischen Sozialdemokratischen Partei bei. In der Oktoberrevolution und dem darauffolgenden Bürgerkrieg spielte Serebrjakow eine wichtige Rolle; ab 1923 war er einer der Führer der trotzkistischen Linken Opposition. Im Jahr 1927 wurde er gemeinsam mit Tausenden anderen Linken Oppositionellen aus der Partei ausgeschlossen und 1928 ins Exil nach Semipalatinsk in Kasachstan geschickt.

Ein Jahr später kapitulierte Serebrjakow vor Stalin. 1930 wurde er wieder in die Kommunistische Partei aufgenommen. In den darauffolgenden Jahren unterstützte er die stalinistische Industrialisierung, bis er 1936 abermals ausgeschlossen und verhaftet wurde. Im Zweiten Moskauer Prozess, der Anfang 1937 begann, war Serebrjakow einer der Hauptangeklagten. Am 30. Januar wurde Serebrjakow verurteilt und einen Tag später, am 1. Februar, erschossen. Seine Rehabilitierung erfolgte 1988.

Seine Tochter Sorja wurde 1937 im Alter von 14 Jahren verhaftet. Sie wurde ins Exil nach Semipalatinsk geschickt und durfte erst 1945 nach Moskau zurückkehren. Im Jahr 1949 wurde Sorja Serebrjakowa, inzwischen Mutter eines kleinen Sohnes, wieder verhaftet und verbannt. Ihr Ehemann wurde wegen „anti-sowjetischer Agitation“ zu 25 Jahren Verbannung verurteilt. Sorja Serebrjakowa und ihre Mutter wurden 1955 unter Chruschtschow rehabilitiert. Als sie 34 Jahre alt wurde, hatte sie insgesamt 14 Jahre ihres Lebens im Exil verbracht.

Können Sie von ihrem Vater und ihren Kindheitserinnerungen an Mitglieder der Linken Opposition in den 1920er Jahren erzählen?

Sorja Serebrjakowa

Mein Vater war noch sehr jung, als er der Partei beitrat. Er nahm mit nur 21 Jahren als Delegierter an der Prager Konferenz 1912 teil.[1] Erst vor kurzem hat jemand im Lokalarchiv der Kirche in Samara herausgefunden, dass er 1890, nicht 1888 geboren wurde. Er hatte sein Alter falsch angegeben, um früher in der Fabrik arbeiten zu können; er begann mit 14 zu arbeiten. Mein Vater kam aus einer wirklichen Arbeiterfamilie. Sie lebten unter sehr bescheidenen Bedingungen, aber alle kämpften, wie man so sagt, für Gerechtigkeit. Die einen waren Menschewiki, die anderen Bolschewiki.

Mein Vater stand sowohl Lenin als auch Trotzki sehr nahe. Lenin nannte ihn einmal einen „genialen Arbeiter“.

V. r. n. l.: Lenin, Leonid Serebrjakow, Jewgeni Preobraschenski. Hinter Serebrjakow steht Nikolai Krestinski

Auf diesem Foto sieht man Lenin mit den drei Sekretären des Zentralkomitees von 1919 bis 1921: Serebrjakow (links von Lenin), Krestinski[2] (hinter Serebrjakow) und Preobraschenski[3] (links von Serebrjakow). Alle drei standen Trotzki sehr nahe. Danach sind sie praktisch von Stalins Männern ersetzt worden. Mein Vater war auf der Liste der sechzehn Bolschewiki, die Lenin am nächsten standen und deswegen unter Chruschtschow nicht rehabilitiert wurden. Das fand ich erst später heraus. In den 1950er Jahren haben meine Mutter und ich alles getan, um seine Rehabilitation zu erreichen. Wir wussten nicht, dass es ohnehin umsonst sein würde.

Ich kann mich an viele Alte Bolschewiki und Linke Oppositionelle erinnern, die zu uns nach Hause gekommen sind: Woronski[4] war einer der besten Freunde meines Vaters; Preobraschenski war ebenfalls ein enger Freund meines Vaters, Kamenew[5], Trotzki natürlich und viele andere.

Mein Vater war auch eng mit Bucharin[6] befreundet, obwohl Bucharin ja schon sehr früh Stalin unterstützte. Das war für meinen Vater eine große Enttäuschung. Die Alten Bolschewiki waren schließlich ein kleiner Kreis. Sie kannten sich alle sehr gut.

In der vorderen Reihe v.l.n.r.: Serebrjakow, Woronski, Trotski, Radek beim Vierzehnten Parteikongress im Dezember 1925

Mein Vater hat Trotzki über die Maßen bewundert und mich mit großer Liebe und enormen Respekt für Lew Dawidowitsch (Trotzki) erzogen. Ich habe ihn sogar als Kind getroffen. Ich war zwar noch sehr klein, aber ich habe sehr intensive und schöne Erinnerungen an diese Begegnung. Es heißt natürlich oft, dass er kalt war. Aber gegenüber meiner Familie war er ein Mensch von großer Wärme. Er hat sich für jeden von uns interessiert und selbst bei so privaten Fragen wie der Scheidung meiner Eltern Teilnahme gezeigt (Trotzki war dagegen und versuchte meine Mutter davon abzubringen, meinen Vater zu verlassen).

Als meine Mutter meinen Vater 1924 für Sokolnikow[7] verließ, bin ich bei meinem Vater geblieben. Sie hatte zu ihm gesagt: „Ich lasse sie bei Dir, damit es nicht so schwer für Dich wird“. Ich liebe dieses Foto sehr, weil es zeigt, wie nahe wir uns waren.

Es war eine Ironie des Schicksals, dass Sokolnikow und er am Ende auf derselben Anklagebank saßen.[8] Sokolnikow war eigentlich kein Trotzkist gewesen, sondern ein Unterstützer von Sinowjew.[9]

Meine Mutter hatte Trotzki auch sehr bewundert.[10] Sie begann in diesen Jahren zu schreiben und seine Meinung und Ratschläge in literarischen Fragen bedeuteten ihr sehr viel. Sie besuchte ihn auch, wenn er krank war. Er war ein Freund der Familie.

Du siehst also, dass er keineswegs so kalt und arrogant war, wie er immer dargestellt wird. Seine Freunde und jene, die ihm nahe standen, waren ihm sehr wichtig. Es tat mir immer sehr weh zu sehen, wie er verleumdet wurde.

Trotzki hatte vollkommen Recht, als er Stalin als „Totengräber der Partei und der Revolution“ bezeichnete. Im Privatarchiv von Ordschonikidse habe ich erst vor kurzem ein Dokument gefunden, das belegt, dass Stalin 1912 mit der Ochrana (der zaristischen Geheimpolizei) in Verbindung stand. Er war ein Feind des Volkes; er zerstörte erst die Partei und dann das ganze Land.

Ich würde gerne ein paar Aussagen von Trotzki über meinen Vater zitieren, die zeigen, wie sehr er ihn schätzte. Folgendes schrieb er 1937 über Serebrjakow: „Von 1923 bis Ende 1927, waren er und I. N. Smirnow, der im Prozess gegen die Sechzehn erschossen wurde, bekannte Führer der Linken Opposition. Serebrjakow spielte zweifellos eine zentrale Rolle dabei, die Annäherung mit der Sinowjewgruppe (die Opposition von 1926) zu erleichtern und interne Differenzen innerhalb des Oppositionsblockes zu schlichten.“[11]

Weiter schreibt Trotzki: „Serebrjakow kapitulierte vor den Machthabern (1929) sicherlich auf würdigere Art und Weise, aber doch nicht weniger endgültig, als die anderen.“[12] Und das letzte Zitat: „Pjatakow und Serebrjakow waren von 1923 bis 1927 in der Tat meine politischen Unterstützer und standen mir sehr nahe.“[13]

Serebrjakow war einer der bekanntesten Angeklagten des Zweiten Moskauer Prozesses...

Mein Vater hatte vor Stalin den Posten des organisatorischen Sekretärs der Partei inne. Stalin hat de facto seine Position übernommen. Serebrjakow stand dann während den 1920er Jahren Trotzki sehr nahe und spielte eine führende Rolle in der Linken Opposition, wie die Zitate von Trotzki zeigen. Stalin musste ihn also einfach aus der Geschichte auslöschen.

Mein Vater verließ die Opposition, weil er das Gefühl hatte, dass der Kampf vergebens war und er in der konkreten Parteiarbeit noch etwas beitragen konnte. Ab 1931 war er Vorsitzender der Abteilung für Automobiltransport. Er nahm diese Arbeit sehr ernst.

Im Prozess wurde er beschuldigt, an einem Attentatsversuch auf Jeschow und Berija[14] beteiligt gewesen zu sein (der Name Berija wurde von Stalin persönlich zur Anklage hinzugefügt); außerdem soll er als Chef der sowjetischen Eisenbahn für mehrere Sabotageakte an der sowjetischen Eisenbahn verantwortlich gewesen sein. In Wirklichkeit war er jedoch Vorsitzender der Abteilung für Automobiltransport gewesen, nicht der Eisenbahn. Das mag wie ein Detail erscheinen; aber es ist eines der vielen Details, die beweisen, dass der gesamte Prozess auf Falschaussagen beruhte.

Ich weiß, dass er gestand und am Prozess teilnahm, um mein Leben zu retten. Und ich möchte betonen, dass Serebrjakow im Gegensatz zu vielen anderen nie ein schlechtes Wort über Lew Dawidowitsch verloren hat.

Max Eastman beschreibt in seinen Memoiren ein Gespräch mit meinem Vater (im Jahr 1929), in dem er im Wesentlichen die Säuberungen vorhergesehen hat. Er (Serebrjakow) sagte: „Am Ende wird uns Stalin alle kriegen. Er wird jeden einzelnen von uns, der ihm je Widerstand geleistet hat, umbringen. Er ist der rachsüchtigste Mensch auf Erden. Weißt Du, was er gesagt hat, als vom größten Glück im Leben die Rede war: ‚Sich an einem Feind zu rächen und dann nach Hause zu gehen und ruhig einzuschlafen.‘ Das ist kein Mythos. Genau das hat er gesagt. Stalin wird warten, wenn nötig sein ganzes Leben lang, um in den Genuss dieses Glücks kommen.“[15]

Wie erinnern sie sich an den Terror der 1930er Jahre?

Ach, es war eine grauenhafte Zeit. Ich kann mich erinnern, wie ein befreundetes Mädchen mir im Sommer 1937 ganz verstört und mit weit aufgerissenen Augen sagte: „Sie fahren die Leichen in Lastwagen weg“. In den Jahren 1937-38 sind eine Millionen Menschen ermordet worden, und Moskau stand im Zentrum.

Wir warteten allen darauf, vom NKWD abgeholt zu werden. In der Nacht konnten wir nicht schlafen; wir lauschten, wie die Lastwagen in den Hof einfuhren. Es war furchtbar. Niemand im Haus wusste, wer als nächstes dran war. Sie kamen die Treppe immer so langsam hoch, als ob sie noch nicht wüssten, wen sie mitnehmen würden. Wenn sie an die Tür eines Nachbarn klopften, waren wir erleichtert: Wenigstens einen Tag haben wir noch. Eine Frau, die bei uns im Haus direkt am Fahrstuhl wohnte, hatte am Ende eine Nervenkrankheit, weil sie immer den Fahrstuhl hinauf fahren hörte und Angst hatte, als nächste abgeholt zu werden. Sie wurde zwar nicht verhaftet, aber an der Nervenkrankheit litt sie für den Rest ihres Lebens.

Stalin hat sieben Mitglieder meiner Familie umgebracht. Die Mutter meines Vaters wurde 1937 im Alter von 76 ins Exil geschickt und starb dort in den 1940ern. Auch seine Schwester starb im Exil. Sein Bruder, ein Bolschewik, war acht Jahre lang im Lager. Der Vater meiner Mutter, Iosif Moiseewitsch Byk[16], hatte zur Linken Opposition gehört. Er hatte die Erklärung der 46 (1923)[17] unterschrieben und war einer der ersten, die zu Beginn der großen Säuberungen im Oktober 1936 umgebracht wurden. Seine Frau, Bronislawa Sigismundowna Krasutskaja, meine Großmutter, war auch eine Alte Bolschewikin gewesen. Sie wurde aus der Partei ausgeschlossen und ins Exil geschickt, wo sie 1950 starb. Meine Mutter hat wie durch ein Wunder überlebt. Sie hatte psychologische Probleme und vor ihrer Verhaftung hatte sie bereits einige Zeit in der Psychiatrie verbracht – sie konnte einfach nicht ertragen, was in den 1930ern geschah. Ich glaube, das hat ihr letztlich das Leben gerettet. Insgesamt verbrachte sie über 20 Jahre in verschiedenen Arbeitslagern und Gefängnissen.

Wussten Sie, dass sie die Erklärung der 83 aus dem Jahr 1927 unterzeichnet hat?

Nein, das wusste ich nicht. Sie hat es mir nie erzählt. Aber es freut mich natürlich, dies zu hören. Wahrscheinlich hat sie mir aus Angst nicht davon erzählt. In ihren Erinnerungen (an ihre Verhaftung) hat sie an einer Stelle geschrieben: „Am meisten fürchteten wir Provokationen.“ Diese Furcht hat sie nie wirklich verlassen; nicht einmal unter Chruschtschow (1956-1964), als sie bereits eine berühmte Schriftstellerin war.

Was ist dann mit Ihnen weiter geschehen?

Ich wäre auch erschossen worden, wenn ich ein Junge und nur ein Jahr älter gewesen wäre. Stalin hatte befohlen, alle Kinder ab 15 Jahren für die „Verbrechen“ ihrer Eltern zu bestrafen und zu erschießen.

Rauf Lakoba, der Sohn von Nestor Lakoba,[18] und seine beiden Cousins wurden im Alter von 15 Jahren verhaftet. Seine Eltern waren nicht in der Linken Opposition, aber sie waren mit Trotzki befreundet und hatten ihn und (seine Frau) Natalja Sedowa 1925 in ihrem Haus in Abchasien untergebracht.

Die Jungen wurden aus Abchasien ins Gefängnis nach Moskau gebracht und schließlich auf Befehl Stalins ermordet. In Abchasien sind Rauf und seine Mutter vor einander gefoltert worden; sie versuchten so, sie zu einer Aussage gegen ihren Mann zu zwingen. Sie weigerte sich und sagte ihrem Sohn immer wieder: „Halt durch!“ Kannst Du Dir das vorstellen? Sie ist an der Folter gestorben. Er wurde später erschossen.

Ich bin verbannt worden und 1945 zurückgekehrt. 1949 wurde ich wieder verhaftet. Wir hatten bereits Wiktor, unseren Sohn. Er wurde in ein Waisenhaus gebracht. Mein Mann wurde im selben Jahr verhaftet und ins Lager geschickt. Meine Mutter und ich wurden 1955 unter Chruschtschow rehabilitiert, wofür ich sehr dankbar bin. Ich finde es sehr wichtig daran zu erinnern, dass Chruschtschow Hunderttausende politische Gefangene freigelassen hat. Ich finde, das wird heute nicht genügend geschätzt. Wir konnten nach Moskau zurückkehren, und man hat uns eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung gestellt. Ich durfte als Historikerin arbeiten, in den Archiven recherchieren und mit der Arbeit an meiner Dissertation beginnen.

Meine Mutter war mit der Frau von Chruschtschow befreundet. Sie wurde unter Chruschtschow wieder eine berühmte Schriftstellerin und erhielt Einladungen zu den verschiedensten Empfängen und Festen.

Als Chruschtschow (1964) gestürzt wurde, konnte ich meine Dissertation nicht mehr verteidigen. Ich versuchte weiterhin, die Rehabilitation meines Vaters zu erreichen, aber in den nächsten zwanzig Jahren gab es keine weiteren Rehabilitierungen. Man antwortete mir: „Was willst Du? Schließlich war er ja Trotzkist.“

Erst unter Gorbatschow (1985) konnte ich meine Dissertation fortsetzen. Unter Jelzin im Jahr 1992 verlor ich meine Arbeit beim Historischen Institut. Der Direktor sagte mir: „Leider sind unsere politischen Ansichten zu unterschiedlich.“ Ich war dumm genug zu sagen: „Ich dachte, wir hätten jetzt Demokratie. Da dürfte das doch keine Rolle spielen.“ Der Direktor erwiderte: „Sorja Leonidowna, Sie können doch nicht so naiv sein; nach allem, was Sie durchgemacht haben.“

Wie es der Zufall wollte, wurden im selben Monat, in dem ich gefeuert wurde, auch Sudoplatow[19] und Eitington[20] – die Hauptorganisatoren der Ermordung Trotzkis – rehabilitiert.

Die 1990er Jahren waren schrecklich. Die Zeiten unter Stalin waren der absolute Horror, unbeschreiblich, das ist klar; aber in den 1990er Jahren herrschte einfach absolutes Chaos. Wenn es meinen Sohn nicht gegeben hätte, wäre ich heute nicht mehr da. Ich hatte keine Arbeit, nichts wovon ich leben konnte. In den Nachbarhäusern wurden Leute ausgeraubt, manche umgebracht, und es hat niemanden gekümmert. So sah der Kapitalismus, den sich alle so herbeigewünscht hatten, in der Realität aus.

An die Ereignisse vom Oktober 1993 erinnere ich mich mit Grauen. Der Westen und die Intelligenzija haben natürlich applaudiert, als Jelzin das Parlament auflöste, obwohl er dazu kein Recht hatte! Und sie applaudierten weiter, als er das Weiße Haus mit Panzern stürmen ließ. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie der ganze Rote Platz mit Leichen bedeckt war. Darunter waren auch 14-Jährige! Ich habe ja viel durchgemacht, aber die Geschichte so hautnah mitzuerleben, ist wirklich furchtbar.


[1]

Die Sechste Parteikonferenz der bolschewistischen Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Russlands fand in Prag vom 5. bis zum 17. Januar 1912 statt. Auf der Konferenz konstituierten sich die Bolschewiki endgültig als eine von den Menschewiki unabhängige Partei.

[2]

Nikolai Nikolajewitsch Krestinski (1883-1938), Bolschewik seit 1903 und Mitglied des Zentralkomitees von 1917 bis 1921. Er unterstützte lange Trotzki, bis er im April 1928 mit der Linken Opposition brach. Krestinski wurde nach dem Dritten Moskauer Prozess im März 1938 erschossen und 1956 rehabilitiert.

[3]

Jewgeni Alexejewitsch Preobraschenski (1886-1937), Bolschewik seit 1903, war ein hochrangiges Parteimitglied unter Lenin und später einer der führenden Wirtschaftstheoretiker der Linken Opposition. Er kapitulierte 1929 und wurde im Juli 1937 nach dem Zweiten Moskauer Prozess erschossen. Preobraschenski wurde 1988 rehabilitiert.

[4]

Aleksander Konstantinowitsch Woronski (1884-1937) war ein bedeutender marxistischer Literaturkritiker. Er trat den Bolschewiki 1904 bei und nahm an den Revolutionen von 1905 und 1917 teil. Später war er eine wichtige Figur in der Linken Opposition. Als Redakteur des literarischen Journals Krasnaja Now’ (Roter Jungfernboden) war Woronski einer der einflussreichsten Literaturkritiker der 1920er Jahre. Im Oktober 1929 brach er offiziell mit der Opposition. Er wurde unmittelbar nach dem Zweiten Moskauer Prozess am 1. Februar 1937 verhaftet und am 13. August erschossen. Er wurde 1957 rehabilitiert. Im Mehring Verlag sind ausgewählte Schriften von ihm erschienen. Der Band Alexander K. Woronski, Die Kunst, die Welt zu sehen ist hier erhältlich.

[5]

Lew Borissowitsch Kamenew (1883-1936), seit 1901 in der Russischen Sozialdemokratischen Partei und seit 1903 Bolschewik. Er und Sinowjew gehörten zu jenen im Zentralkomitee der Bolschewiki, die 1917 gegen die Oktoberrevolution waren. Gemeinsam mit Stalin und Sinowjew bildete er die berüchtigte „Troika“ von 1923 bis 1925, die eine Schmutzkampagne gegen Trotzki und die Theorie der Permanenten Revolution initiierte. Ab 1925 gehörte er zu Sinowjew-Opposition, die sich bald mit der Linken Opposition zur „Vereinigten Linken Opposition“ vereinte. Er kapitulierte gemeinsam mit Sinowjew nach der Niederlage der chinesischen Revolution 1927. Wie die meisten ehemaligen Oppositionellen bekam er anschließend nur noch unbedeutende Posten in der Partei zugewiesen. Er wurde nach dem Ersten Moskauer Prozess 1936 erschossen. Seine beiden Söhne wurden während der Säuberungen ermordet. Kamenew war der Schwager von Leo Trotzki. Er wurde 1988 rehabilitiert.

[6]

Nikolai Iwanowitsch Bucharin (1888-1938) war ein führendes Mitglied der Bolschewistischen Partei. Im Bürgerkrieg vertrat er ultra-linke Positionen und in den 1920er Jahren unterstützte er Stalin im innerparteilichen Kampf gegen Trotzki. Er war einer der Hauptarchitekten der Theorie des „Sozialismus in einem Land“ (1924). Später distanzierte er sich von Stalin und wurde einer der Köpfe der Rechten Opposition, die für mehr pro-kapitalistische Reformen eintrat. Er wurde 1938 erschossen und 1988 rehabilitiert.

[7]

Grigori Jakowlewitsch Sokolnikow (1888-1939), ein Bolschewik seit 1905. Er war ein hochrangiges Mitglied der Sowjetregierung unter Lenin. Er trat der Opposition 1925 als Unterstützer von Sinowjew bei. Im Jahr 1936 wurde er verhaftet und 1939 erschossen. Er wurde 1988 rehabilitiert.

[8]

Serebrjakow und Sokolnikow gehörten beide zu den Hauptangeklagten im Zweiten Moskauer Prozess.

[9]

Grigori Jewsejewitsch Sinowjew (1883-1936), ein Alter Bolschewik und ehemaliger Sekretär Lenins, Mitglied des bolschewistischen Zentralkomitees und später des Politbüros, Vorsitzender der Komintern 1919-1926. Gemeinsam mit Kamenew war Sinowjew 1917 gegen den Aufstand im Oktober. Im innerparteilichen Kampf der 1920er Jahre stellten er und Kamenew sich anfangs auf die Seite Stalins. Sie unterstützten die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ von Stalin-Bucharin und die Kampagne gegen Trotzki und die Theorie der Permanenten Revolution. 1925 brachen er und Kamenew mit Stalin. Sinowjew führte die so genannte Sinowjew-Opposition, die von bedeutenden Teilen des Petrograder Proletariats unterstützt wurde. Trotz bleibender politische Differenzen, vereinigten sich Trotzkis Linke Opposition und die Opposition unter Sinowjew 1926. Sinowjew und Kamenew kapitulierten kurz nach der Niederlage der chinesischen Revolution. Sinowjew wurde 1988 rehabilitiert.

[10]

Galina Iosifowna Serebrjakowa (1905-1980) war eine bekannte sowjetische Schriftstellerin und ein langjähriges Mitglied der bolschewistischen Partei. Sie unterzeichnete die Plattform der Linken Opposition 1927, wurde 1936 verhaftet und 1955 rehabilitiert.

[11]

Writings of Leon Trotsky 1936-37, New York: Pathfinder Press, 1978, S. 119.

[12]

Ebd.

[13]

Ebd., S. 110.

[14]

Lawrenti Pawlowitsch Berija (1899-1953) wurde 1917 Mitglied der bolschewistischen Partei und bald der Führer der Geheimpolizei Tscheka. Er gehörte zum engsten Kreis um Stalin und war der berüchtigte Henker der Moskauer Prozesse, Führer des NKWD während des Zweiten Weltkriegs und Vizepremier ab 1946 bis zu seiner Hinrichtung nach Stalins Tod 1953.

[15]

Max Eastman, Love and Revolution. My Journey through an Epoch, New York: Random House, 1964, S. 536.

[16]

Iosif Moisejewitsch Byk (1882-1936) kämpfte im Bürgerkrieg und war ein hochrangiges Mitglied der bolschewistischen Partei in der Ukraine. 1923 unterzeichnete er die Erklärung der 46. Im Juli 1936 wurde er verhaftet und am 5. Oktober erschossen.

[17]

Die Erklärung der 46 war ein geheimer Brief, den führende Bolschewiki am 15. Oktober 1923 an das Politbüro schickten. Er gilt als das Gründungsdokument der Linken Opposition. Die vollständige englische Übersetzung mit der Liste der Unterzeichner ist hier zu finden. Auf Deutsch erschien die Erklärung in den Trotzki Schriften, Band 3.1: Linke Opposition und IV. Internationale, S. 632–35.

[18]

Nestor Lakoba (1893-1936) war ein abchasischer Bolschewik. Er unterstützte Stalin im innerparteilichen Kampf während der 1920er, unterhielt jedoch weiterhin gute Beziehungen mit vielen Alten Bolschewiken in der Linken Opposition, darunter auch Serebrjakow und Leo Trotzki. Letzteren beherbergte er 1925 in seinem Haus. Er wurde 1936 verhaftet und starb unter bis heute nicht geklärten Umständen. Die meisten seiner Familienmitglieder wurden ins Exil geschickt oder ermordet.

[19]

Pawel Anatoljewitsch Sudoplatow (1907-1996) war eine führende Figur in der GPU, dem NKWD und dem MVD. Im März 1939 wurde ihm die Verantwortung für die Ermordung Leo Trotzkis übertragen. Sudoplatow wählte persönlich den Mörder Trotzkis, Ramon Mercader, aus, der den Führer der Vierten Internationale im August 1940 tötete. Sudoplatow wurde kurz nach dem Tod Stalins 1953 verhaftet und saß 15 Jahre im Gefängnis. Wenige Tage nach der Auflösung der Sowjetunion wurde er 1992 rehabilitiert und nach seinem Tod auf dem bekannten Donskoi Friedhof in Moskau begraben.

[20]

Naum Isaakowitsch Eitington (1899-1981) spielte eine wichtige Rolle in Stalins Sicherheitsapparat. Während seiner Tätigkeit für die GPU im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) war er nicht nur für die Ermordung Tausender Kommunisten verantwortlich, sondern stellte auch den Kontakt mit spanischen Stalinisten wie Ramon Mercader her, der später Trotzki ermordete. In den frühen 1950er Jahren wurde er im Rahmen der so genannten Ärzteverschwörung angeklagt, an der Planung eines Anschlags auf Stalin beteiligt gewesen zu sein. Nach dem Tod von Stalin und Berija wurde er für zwölf Jahre inhaftiert. Er wurde Anfang 1992 nach der Auflösung der Sowjetunion posthum gemeinsam mit Sudoplatow rehabilitiert.

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