Die polnische Regierung hat entschieden, den militärischen Schwerpunkt des Landes an die Ostgrenze zu verlegen. Das gab der Verteidigungsminister, Tomasz Siemoniak, am Montag bekannt. Damit setzt Polen die Beschlüsse des Nato-Gipfels vom September in die Tat um und schafft die Voraussetzungen, im Rahmen der Nato militärisch gegen Russland vorzugehen.
Bislang waren die rund 120.000 Soldaten der polnischen Armee vorwiegend im Westen stationiert. Nun werden Tausende Truppen in den Osten verlegt. Daneben sollen die dortigen Stützpunkte modernisiert und militärisch aufgerüstet werden.
Zudem plant die Regierung die Anschaffung von neuen Kampfhubschraubern und Luft-Boden-Raketen vom Typ AGM-158 zur Ausstattung der Kampfflugzeuge vom Typ F-16. Erst im März hatten die Amerikaner zwölf solcher Flugzeuge in Polen stationiert. Desweiteren werden mindestens drei Stützpunkte im Osten des Landes, darunter die Luftabwehrzentrale in Siedlce, von 30 Prozent Auslastung auf 90 Prozent erhöht.
Als Grund für die militärischen Entscheidungen nannte der Verteidigungsminister die veränderte „geopolitische Situation“. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärte er, dass sich Polen in der „größten Sicherheitskrise seit dem Kalten Krieg“ befände und „daraus Schlüsse ziehen“ müsse. Er bezog sich explizit auf die Ukraine. Was der Verteidigungsminister unerwähnt ließ, war die Tatsache, dass die polnische Regierung maßgeblich daran beteiligt war, die Krise in der Ukraine zu provozieren.
Im Februar hatte die poreuropäische Oppositionsbewegung mit Vitali Klitschko, Arsenji Jazenjuk und dem Faschisten Oleg Tjagnibok an der Spitze in Kiew die Macht übernommen und den gewählten Präsidenten Wiktor Janukowitsch gestürzt. Hauptakteur in diesem Putsch war neben Deutschland und den USA auch Polen.
Der damalige Außenminister Radosław Sikorski war intensiv an der Ausarbeitung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine beteiligt. Dieses hatte zum Ziel, die Ukraine aus der Einflusssphäre Russlands herauszubrechen und für europäische Investoren zu öffnen.
Nachdem sich Janukowitsch geweigert hatte, das Abkommen zu unterzeichnen und dadurch die Proteste auf dem Maidan auslöste, unterstützte die polnische Regierung umgehend die Oppositionsbewegung. Berichten zufolge sollen sogar Teile der rechtsradikalen paramilitärischen Verbände, auf die sich der Putsch stützte, in Polen ausgebildet worden sein.
In der Putsch-Regierung war die faschistische Partei Swoboda mit drei Ministern vertreten. Diese Partei geht auf die Organisation Unabhängiger Nationalisten (OUN) zurück, die im zweiten Weltkrieg mit den Nazis kollaborierte und in den Grenzgebieten, Wolhynien und Ostgalizien unzählige Massaker an Polen verübten. Noch heute feiern Mitglieder von Swoboda diese Gräueltaten als großen Sieg über die „polnisch-deutsche Besatzung“.
Seit den Ereignissen auf dem Maidan und der darauffolgenden Abspaltung der Halbinsel Krim haben die westlichen Mächte ihren Aggressionskurs gegen Russland weiter verschärft. Polen ist hier eine der treibenden Kräfte. Bereits Anfang April, wenige Wochen nach dem Referendum auf der Krim, forderte der damalige Premierminister Donald Tusk, dass die Nato mehr Truppen in Polen stationieren müsse.
Mittlerweile befinden sich neun Kriegsschiffe der Nato im Schwarzen Meer. 600 Soldaten wurden im März nach Polen und ins Baltikum geschickt. Im Mai fand in Estland ein militärisches Manöver mit 6.000 Soldaten aus neun Nato-Staaten statt. Eine weitere Militärübung, die im September nahe Lwow in der Westukraine stattfand, umfasste auch polnische Truppen.
Der Nato-Gipfel in Wales von Anfang September hat ein detailliertes Aktionsprogramm erarbeitet, wonach insbesondere die östliche Peripherie der Nato militärisch aufgerüstet werden soll. In der offiziellen Abschlusserklärung heißt es in Punkt 7, dass eine „regelmäßige Präsenz“ und „bedeutende militärische Aktivitäten von Luft-, Land- und Seestreitkräften im östlichen Teil des Bündnisses“ nötig seien.
Es wurde beschlossen, eine schnelle Einsatztruppe aus 3.000 bis 5.000 Soldaten einzurichten, die innerhalb weniger Tage in Krisengebiete geschickt werden kann. Da die Gründungsakte des Nato-Russland-Rates von 1997 die Stationierung von Nato-Truppen in ehemaligen Sowjetrepubliken ausdrücklich untersagt, entschied man sich, die Soldaten vorerst in ihren Heimatkasernen zu belassen. Allerdings sollen alle Voraussetzungen für einen blitzschnellen Einsatz geschaffen werden. Dazu gehören insbesondere die militärische Ausrüstung am Ort und die logistischen Strukturen.
Die polnische Regierung begrüßte die Entscheidungen in Wales nachdrücklich. Die Nachfolgerin von Donald Tusk, Ewa Kopacz, kündigte in ihrer Antrittsrede am 1. Oktober an, die Nato-Vorgaben umgehend zu erfüllen. Zu diesem Zweck soll der Wehretat bis 2016 um 190 Millionen Euro aufgestockt werden. Damit würde der Etat zwei Prozent des Bruttosozialprodukts betragen und einer weiteren Nato-Vereinbarung Rechnung tragen. Zugleich drängte Kopacz auf eine größere US-Militärpräsenz in Polen.
Die militärischen Entscheidungen Polens werden in enger Absprache mit dem deutschen Verteidigungsministerium getroffen. Bereits im März traf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu einem Arbeitstreffen in Warschau ein. Anfang Juni fand das Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel statt, bei dem sich beide Länder für eine personelle Aufstockung des Stabes des Multinationalen Korps Nordost im polnischen Stettin aussprachen.
Ende Juni fand ein weiteres Arbeitstreffen beider Minister statt, auf dem laut Bundesverteidigungsministerium die „weitere Intensivierung und Ausgestaltung der deutsch-polnischen Beziehungen im Bereich der Verteidigung“ diskutiert wurde. Das jüngste Zusammenkommen auf der Bundeswehrtagung in Berlin vom 29. bis 30. Oktober kommentierte der polnische Verteidigungsminister mit den Worten: „Es ist viel zu früh, dass Panzer, Luftabwehrwaffen und Flugzeuge ins Museum wandern.“ Beide Länder einigten sich auf eine enge Zusammenarbeit im Bereich der Landstreitkräfte.
Hinter Polens Schulterschluss mit der deutschen und amerikanischen Außenpolitik steckt das Bestreben, in deren Windschatten den eigenen Machtbereich Richtung Osten zu erweitern. Die Zusammenarbeit mit den anti-polnischen Faschisten der Swoboda und die aggressive Militärpolitik zeigen nachdrücklich, dass die polnischen Eliten dabei zu allem bereit sind. Eine militärische Provokation durch das Nato-Mitglied könnte rasch als Vorwand für einen Krieg gegen Russland dienen.