Rechter Gossenjournalismus im Spiegel

Kolumnist Fleischhauer hetzt gegen Russland

Nach dem dramatischen Absturz des Linienflugs MH17 über der Ukraine hat die Hetze deutscher Medien gegen Russland einen neuen Höhepunkt erreicht. Am Abend verwandeln Thomas Roth und seine Kolleginnen die Tagesthemen in eine antirussische Propagandasendung, am nächsten Morgen legen die Kommentatoren in den Printmedien nach.

Das Ziel dieser Medienpropaganda ist ebenso durchschaubar wie kriminell. Demagogen wie Stefan Kornelius, Stefan Ulrich, Hubert Wetzel (alle SZ), Klaus Dieter Frankenberger, Reinhard Veser (beide F.A.Z.) und Dominic Johnson (taz) nutzen das schreckliche Flugzeugunglück, um für Militarismus zu werben und die Bevölkerung auf einen Krieg gegen Russland vorzubereiten. Sie wiederholen dabei stets dieselben Argumente. Ohne je einen Beweis vorzulegen, behaupten sie, das Flugzeug sei von „pro-russischen Separatisten“ abgeschossen worden und fordern harte Vergeltungsmaßnahmen gegen Russland. Dabei bedienen sie sich rassistischer Stereotype, wie man sie aus der faschistischen Propaganda kennt.

Ein besonders übles Beispiel ist die aktuelle Kolumne von Jan Fleischhauer auf Spiegel Online. Unter dem Titel „Russlands Realitätsverlust“ erklärt Fleischhauer die gesamte russische Bevölkerung für geistig krank und für einen Fall für „die klinische Psychologie“, weil sie nicht bereit ist, die westliche Propaganda zu akzeptieren.

Im Stile eines Gossenjournalisten, der auch in Goebbels Propagandaministerium seinen Platz gefunden hätte, schreibt er: „Man weiß aus der Psychopathologie, welche Folgen die Wirklichkeitsverzerrung für den Einzelnen hat. An die Stelle des herkömmlichen Erklärungssystems tritt ein alternatives Deutungsmodell, dessen innere Logik auch durch Gegenargumente nicht erschüttert werden kann. Was die anderen als Realität ausgeben, erscheint als ein raffiniertes Trugbild, das nur deshalb als wahr gilt, weil einflussreiche Mächte die Menschen daran hindern, die Wirklichkeit zu sehen. Jetzt müssen wir erkennen, dass Wahnsysteme nicht nur Personen, sondern ganze Gesellschaften erfassen können.“

Der „wahnhafte Wirklichkeitsverlust“ Putins und des „russischen Volkes“ sei so groß, dass dagegen „auch keine Sanktionen helfen“. Schließlich wisse man „aus dem Handbuch der Psychiatrie“, dass es „für Außenstehende aussichtslos ist, einen Betroffenen mit logischen Argumenten von seinen wahnhaften Überzeugungen abzubringen“. Fleischhauers Schlussfolgerung: „Wenn wir Pech haben, müssen wir Hilfe in der klinischen Psychologie suchen statt in der Diplomatie. Dem in seinem Wahn verstrickten Menschen verordnet der Arzt Medikamente, um ihm in die Wirklichkeit zurückzuhelfen. Aber wie befreit man einen Staat von seinen Zwangsideen?“

Fleischhauer gibt keine Antwort auf diese Frage. Er sollte erklären, was er damit genau meint und was er konkret vorschlägt, um Russland „von seinen Zwangsideen zu befreien“?

Gerade als deutschem Journalisten muss ihm bewusst sein, in welcher politischen Tradition seine Rhetorik steht und an welche schrecklichen Verbrechen seine abstruse Frage erinnert. Es waren die Nazis, die ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisiert haben. Eine ihrer „nicht-diplomatischen Lösungen“ bestand darin, Andersdenkende und geistig Kranke in Konzentrationslager zu schicken.

Dass Fleischhauer seinen Hass ausgerechnet gegen Russland richtet, hat einen besonders schrecklichen historischen Bezug. Hitlers Vernichtungskrieg im Osten kostete 27 Millionen Sowjetbürgern das Leben. Mit dem Krieg verfolgten die Nazis erklärtermaßen das Ziel, Europa vom „pathologischen Wahnsinn“ (Goebbels) des Bolschewismus zu „befreien“.

Fleischhauer ist ein Anti-Kommunist, dessen Hass auf Russland eng mit seinem Hass auf den Marxismus verbunden ist. Auf seinem Blog „Unter Linken“ versucht er den Kommunismus als grausames Verbrechen darzustellen. Er schreibt Dinge wie: „Der Klassenwahn endet, konsequent zu Ende gedacht, nicht viel besser als der Rassenwahn. Es ist kein Zufall, dass überall dort, wo sich Revolutionäre daran machten, die marxistische Idee in die Wirklichkeit zu überführen, als erstes die Umerziehungslager eröffneten.“

Fleischhauers absurde Gleichsetzung von Marxismus und Nationalsozialismus hält ihn nicht davon ab, selbst rassistische Hetze zu betreiben. Bereits im Januar 2012 warb er für die Aktualität des Begriffs „Volkscharakter“ und lästerte im Zusammenhang mit der Schiffskatastrophe der Costa Concordia gegen „den italienische Typus“. Fleischhauers Kommentar „Italienische Fahrerflucht“ war so skandalös, dass der italienische Botschafter einen Beschwerdebrief an den Spiegel schickte und verlangte, „Verallgemeinerungen aufgrund der Rasse bleiben zu lassen“.

Fleischhauers abstoßende Kolumnen, die wöchentlich unter der Rubrik „Der Schwarze Kanal“ auf Spiegel Online erscheinen, strotzen vor Dummheit. Aber es wäre ein Fehler, sie als harmlosen Einzelfall abzutun. Der Gossenjournalismus in angeblich „seriösen“ Medien und seine Anlehnung an die Propaganda der Nazis haben politische und historische Ursachen. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit der Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außenpolitik, wie sie Anfang des Jahres auf der Münchner Sicherheitskonferenz von Gauck, von der Leyen und Steinmeier angekündigt wurde.

Bevor der deutsche Imperialismus 1941 seinen Russlandfeldzug antreten konnte, musste der die Arbeiterbewegung zerschlagen, die Demokratie abschaffen und die öffentliche Meinung vergiften. Darin bestand die Aufgabe Hitlers. Auch heute ist der Vorstoß des deutschen Imperialismus nach Osten untrennbar mit faschistischer Hetze und Krieg verbunden.

Fleischhauer will über die „Realität“ sprechen? Werfen wir also zumindest einen kurzen Blick auf die Wirklichkeit, die er mit seinen psychologisierenden Wahnvorstellungen verschleiern will.

Im Ukraine-Konflikt ist nicht Putin der Aggressor, es sind die westlichen Mächte. Berlin und Washington haben in enger Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften wie der Swoboda-Partei und dem Rechten Sektor einen Putsch gegen Wiktor Janukowitsch organisiert, nachdem sich dieser geweigert hatte, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen.

Nun unterstützen sie das Regime des Oligarchen Petro Poroschenko, das einen brutalen Bürgerkrieg gegen die Bevölkerung der Ostukraine führt, die enge sprachliche und kulturelle Verbindungen zu Russland hat und das pro-westliche Marionettenregime in Kiew mehrheitlich ablehnt. Die westlichen Großmächte verfolgen das Ziel, die Ukraine ihrem Einflussbereich einzuverleiben und Russland selbst zu unterwerfen.

Es gibt bisher keinen Beweis dafür, wer den Flug MH17 abgeschossen hat. Stellt man die Frage, wessen Interesse der Abschuss dient, fällt der erste Verdacht auf das Regime in Kiew und seine imperialistischen Verbündeten. Die malaysische Passagiermaschine war kaum auf dem Boden zerschellt, da begannen ukrainische Regierungsvertreter, westliche Politiker und Medien, das fürchterliche Unglück für ihre Interessen auszuschlachten und den Konflikt mit Russland anzuheizen.

Spiegel Online selbst behauptete kurz nach dem Absturz in einem Propagandaartikel, erste Spuren führten zu den Separatisten, während Russland „Verschwörungstheorien“ verbreite. Die aktuelle Ausgabe des Spiegel trägt den Titel „Stoppt Putin jetzt“, verlangt ein „Ende der Feigheit“ und ruft dazu auf, „Putin für den Abschuss von Flug MH17 zur Rechenschaft zu ziehen“.

Die Rückkehr des deutschen Militarismus wird von einer ideologischen Offensive begleitet, die darauf abzielt, den Faschismus wieder hoffähig zu machen. Der Spiegel und Spiegel Online spielen dabei als größte deutsche Wochenzeitung und reichweitenstärkste deutschsprachige Nachrichtenwebsite eine zentrale Rolle.

Nur wenige Tage nachdem Vertreter der Bundesregierung auf der Münchner Sicherheitskonferenz das Ende der militärischen Zurückhaltung verkündet hatten, und kurz vor dem Putsch in der Ukraine, veröffentlichten sie den Artikel „Der Wandel der Vergangenheit“ von Dirk Kurbjuweit. Sein Ziel: Eine Revision der „deutschen Schuld“ im Ersten und im Zweiten Weltkrieg und die Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus.

Kurbjuweit ließ ausgiebig Ernst Nolte zu Wort kommen, der seit dem Historikerstreit der 1980er Jahre die Auffassung propagiert, der Nationalsozialismus sei eine gerechtfertigte Reaktion auf den Bolschewismus gewesen.

Im Gespräch mit Kurbjuweit erklärte Nolte: „Ich komme mehr und mehr zu der Überzeugung, dass man den Anteil der Polen und Engländer [in der Kriegsschuldfrage] stärker gewichten muss.“ Im selben Atemzug unterstellt er den Juden einen „’eigenen Anteil am Gulag’, weil einige Bolschewisten Juden waren“. Kurbjuweit kommentiert, dass dies „schon länger ein Argument von Judenhassern“ sei, und erklärt trotzdem: „Aber dieser Mann [Nolte] hatte nicht mit allem Unrecht.“

Den Berliner Historiker Jörg Baberowski, ein erklärter Anhänger Noltes, zitiert Kurbjuweit mit den Worten: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“

Diese Aussagen sind nicht nur widerwärtig. Die politischen Schlussfolgerungen, die sich aus ihnen ergeben, haben Konsequenzen. Der letzte Versuch der herrschenden Klasse, ihre Großmachtinteressen aggressiv durchzusetzen, endete in einer Katastrophe. Verantwortlich waren nicht nur Hitler und seine Vertrauten, sondern auch die Kriegshetzer in den Medien und die Kriegsideologen an den Universitäten. Niemand sollte sich Illusionen machen, dass es diesmal anders sein wird, wenn die Arbeiterklasse nicht auf der Grundlage eines revolutionären marxistischen Programms eingreift.

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