Den folgenden Vortrag hielt David North, der Chefredakteur der World Socialist Web Site und nationale Vorsitzende der Socialist Equality Party (USA), am 17. September 2013 an der University of Michigan in Ann Arbor.
„Frieden für unsere Zeit”?
Noch vergangene Woche schien es, als stehe die Obama-Regierung kurz davor, den Befehl zur Bombardierung Syriens zu erteilen. Am Montag dem 9. September machte Außenminister John Kerry jedoch seine inzwischen berühmte Bemerkung, der Krieg könne verhindert werden, wenn Syrien sich bereit erkläre, seinen Chemiewaffenvorrat zu zerstören. Man weiß nicht, ob es sich um eine zufällige Bemerkung handelte oder um einen sorgfältig geplanten diplomatischen Geniestreich, so raffiniert und wohldurchdacht, das er selbst Talleyrand beeindruckt hätte. Angesichts der Konfusion, mit der die Sprecher des Außenministeriums und des Weißen Hauses anfangs reagierten, scheint Kerry, der nicht als besonders intelligent gilt, die Folgen seiner Antwort auf eine Reporterfrage nicht durchdacht zu haben. Es ist aber auch möglich, dass Kerrys scheinbar spontane Äußerung in Geheimgesprächen mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow gereift war.
Wie dem auch sei, es steht außer Frage, dass die Kriegspläne der Obama-Regierung auf politische Probleme gestoßen waren, die sie nicht vorausgesehen hatte, als sie einen militärischen Vergeltungsschlag der Vereinigten Staaten gegen Syrien ankündigte und dies mit unbewiesenen Behauptungen begründete, der syrische Präsident Baschar al-Assad habe einen Chemiewaffenangriff befohlen.
Der Grund für die Entscheidung der Obama-Regierung, Syrien schnellstmöglich mit massiven Luftschlägen anzugreifen, war die verzweifelte Situation der von den USA unterstützten Rebelleneinheiten. 2012 hatte Obama erklärt, dass Assad die Macht abgeben müsse. 2013 pumpten die Vereinigten Staaten und ihre Bündnispartner am Golf, besonders Saudi-Arabien und Katar, dann Milliarden Dollar in den Aufstand gegen Assad. Die CIA versicherte Obama, der Aufstand werde Erfolg haben. Doch Assads Kräfte gingen mit Unterstützung des Irans und der libanesischen Hisbollah in die Offensive. Das Institut für Kriegsstudien (Institute for the Study of War) schrieb am 6. Juni, eine Offensive des Regimes gegen die von Rebellen gehaltene Stadt Kusseir habe „das Machtgefüge vor Ort wirksam verändert und ist ein kritischer Wendepunkt im Bürgerkrieg.“
Das Institut (eine Forschungsgruppe, die Strategien für das US-Militär formuliert) gelangte zum Schluss: „Die Internationale Gemeinschaft [das heißt die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten] wird vor Beginn von Verhandlungen etwas unternehmen müssen, um das Kräfteverhältnis vor Ort entscheidend zu verändern.“ Am 25. Juli 2013 trafen sich Führer der syrischen Opposition (in Wahrheit politische Agenten der Vereinigten Staaten) dann mit John Kerry. Im Verlauf des knapp einstündigen Treffens sagten sie dem Außenminister, die Situation sei „verzweifelt“ und die Vereinigten Staaten müssten rasch etwas tun, um den Zusammenbruch des Aufstands zu verhindern.
Zwischen dem verhängnisvollen Treffen der syrischen Opposition mit dem Außenminister am 25. Juli und dem Giftgasangriff vom 21. August liegt weniger als ein Monat. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen – dem Treffen mit seinen flehenden Bitten um eine amerikanische Militäraktion und dem geheimnisvollen Gasangriff nur 27 Tage später – springt ins Auge. Die drohende Niederlage der von der CIA und ihren saudischen Lakaien geführten Aufständischen nötigte die Vereinigten Staaten, die „Chemiewaffen“-Karte auszuspielen, um einen Vorwand für einen Militärschlag zu haben. Anders als die Assad-Regierung, die die Oberhand über den von der CIA unterstützten Aufstand gewonnen und keinen Grund für den Einsatz von Chemiewaffen hatte, benötigten die USA, ihre Verbündeten und die Aufständischen dringend einen dramatischen Zwischenfall, um die Bombardierung von Damaskus zu rechtfertigen. Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die CIA weit mehr über die Planung und Ausführung des Giftgasangriffs weiß, als Baschar al-Assad. Die Obama-Regierung kalkulierte, eine amerikanische Offensive werde die Angriffskapazitäten der syrischen Regierung zerschlagen und die Aufständischen in eine militärisch vorteilhafte Lage bringen. Zumindest werde ein Militärschlag die Stellung der Vereinigten Staaten und der mit ihnen verbündeten Golfstaaten stärken, falls es zu Verhandlungen über die Beendigung des Bürgerkrieges kommen sollte.
Das war der Plan! Nicht vorgesehen war die überwältigende Opposition der amerikanischen und europäischen Bevölkerung gegen einen weiteren Krieg. Trotz aller Anstrengungen der Medien – auf die ich später eingehen werde – ließ sich die breite Masse der Bevölkerung nicht von der Kriegspropaganda ködern. Selbst als die Medien alle bekannten Register zogen, reagierte die Öffentlichkeit nicht wie erwartet. Das erste Anzeichen ernstlicher Schwierigkeiten kam am 29. August, als die vom britischen Premierminister eingebrachte Kriegsresolution niedergestimmt wurde. Des Deckmantels einer internationalen Koalition beraubt, entschied Obama, dass er eine Kongressresolution benötige, um dem Krieg politische Legitimität zu verschaffen. Erste Anzeichen deuteten auf die Zustimmung des Kongresses zu einer Angriffsresolution. Die Führer beider Parteien in Senat und Repräsentantenhaus erklärten ihre Unterstützung.
Doch die überbordende Opposition brachte den Kongress ins Wanken. In vielen Wahlbezirken stand die öffentliche Meinung (gemessen an den Zuschriften an die Abgeordneten) neun zu eins gegen einen Angriff. In einem denkwürdigen Fall wurde Senator John McCain sogar während einer Bürgerversammlung beschimpft. Die Lügen, mit denen die Regierung für die diskreditierten Kriege in Afghanistan und dem Irak geworben hatte, waren noch in guter Erinnerung.
Am Ende der letzten Woche war es offensichtlich, dass der weit verbreitete Widerstand gegen den Krieg die Obama-Regierung und das gesamte politische Establishment aus der Bahn geworfen hatte. Weil sie in der Welt einer fabrizierten öffentlichen Meinung leben, waren sie auf den Ausdruck der wirklichen öffentlichen Meinung nicht vorbereitet. Selbst wenn Kerrys ungelenke Bemerkung vom 9. September ein politischer Ausrutscher gewesen sein sollte, widerspiegelte die Verwirrung des Außenministers bloß die Verwirrung innerhalb der Regierung.
Hatten die Sprecher des Weißen Hauses und des Außenministeriums sich anfänglich noch bemüht, Kerrys Äußerung, ein Krieg könne vermieden werden, als rein rhetorische Übung abzutun, änderte die Obama-Regierung später am Tag ihren Kurs und signalisierte ihre Bereitschaft, sofortige militärische Aktionen abzublasen und die Zerstörung des syrischen Chemiewaffenarsenals abzuwarten.
Es scheint, dass die unmittelbare Gefahr einer weiteren militärischen Intervention der Vereinigten Staaten zurückgegangen ist. Doch die Vertagung des Kriegs mindert nicht die Wahrscheinlichkeit, ja die Unvermeidlichkeit eines großen Kriegs. Die kriegerischen Stellungnahmen aus Washington zeigen, dass die „militärische Option“ auf dem Tisch bleibt. Und Syrien ist nicht das einzige Ziel für einen Militärangriff. Amerikanische Operationen gegen Syrien würden lediglich die Weichen für einen Zusammenstoß mit dem Iran stellen. Die Logik des Kampfs des US-Imperialismus um die Weltherrschaft führt sogar noch weiter: in eine Konfrontation mit Russland und China. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass unter bestimmten Bedingungen Interessenskonflikte zwischen den imperialistischen Großmächten, beispielsweise zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, in bewaffnete Auseinandersetzungen münden.
Die Kriegsgefahr erwächst nicht aus dem einen oder anderen lokalen Zwist oder Konflikt, sondern aus der Logik der Krise des amerikanischen und des Weltkapitalismus. Vor dem Ersten (1914) und dem Zweiten Weltkrieg (1939) war wiederholt eine „Kriegspanik“ ausgebrochen. Die Großmächte standen mehrmals am Rande des Krieges und zogen sich erst in letzter Minute zurück. Im September 1938 machte Hitlers Forderung nach der Annexion des Sudetenlandes, eines strategischen Gebiets der Tschechoslowakei, einen Krieg scheinbar unvermeidlich. Der britische Premierminister Chamberlain beendete die Krise, indem er dem Ultimatum Nazi-Deutschlands zustimmte. Nach England zurückgekehrt, erklärte Chamberlain, die Vereinbarung habe den „Frieden für unsere Zeit“ gesichert. Unter der Masse der Bevölkerung brach allgemeiner Jubel aus. Selbst in Deutschland war die allgemeine Stimmung – sehr zu Hitlers Verdruss – in höchstem Maße gegen Krieg.
Doch wie Trotzki 1938 warnte, „haben die imperialistischen Gegensätze die Grenze erreicht, jenseits derer die einzelnen Zusammenstöße und blutigen lokalen Unruhen (…) unausweichlich in einen Weltenbrand umschlagen müssen“. Ein Jahr später war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen.
Die diplomatischen Spielchen und Intrigen der Herren Obama und Putin können die grundlegende Bahn des Imperialismus nicht aufhalten. Auch nach dem Aufschub der Bombardierung Syriens bestehen die Interessen und Widersprüche, die zum Krieg führen, fort. Sie werden nicht friedlich gelöst werden. Die Vereinigten Staaten, Frankreich, Großbritannien und die Golfstaaten weiten ihre finanzielle und logistische Unterstützung der Anti-Assad-Rebellen aus.
Die Vereinigten Staaten und Syrien
Auffallend an den Berichten der Medien und an ihrer Darstellung der Vorbereitungen eines Militärschlags gegen Syrien durch die Obama-Regierung ist, dass sie in keiner Weise auf den historischen Zusammenhang, die rechtlichen Folgen (vom Standpunkt des Völkerrechts) oder die politischen Motive eingehen. Alles, was die US-Regierung sagt oder behauptet, wird für bare Münze genommen, als sei ihre Aufrichtigkeit über allen Zweifel erhaben. Obwohl die Obama-Regierung nicht in der Lage war (und nicht einmal den Versuch unternahm), physische oder forensische Beweise für die Verantwortung des Assad-Regimes für den angeblichen Chemiewaffenangriff vorzulegen, geschweige denn ein Motiv aufzuzeigen, warum Assad die „rote Linie“ überschreiten und einen amerikanischen Angriff riskieren sollte, haben Presse und Medien umgehend die Version der Regierung akzeptiert. Die Leute hinter diesen Institutionen sind weder dumm noch naiv. Sie wissen, dass die Regierung lügt und ein unausgesprochenes, verdecktes Programm verfolgt. Die Medien dienen dabei ausschließlich als Propagandainstrument.
Sie ignorieren einfach, welche legalen Implikationen ein Angriff auf Syrien hätte. Er wäre eine Verletzung des Völkerrechts.
Und es gibt bei ihnen keinen historischen Hintergrund. Der Öffentlichkeit wird weis gemacht, die Vereinigten Staaten handelten aus selbstlosen Motiven und könnten das Leid der syrischen Bevölkerung nicht mehr mit ansehen, die von einem unbarmherzigen Diktator unterdrückt werde – von einem, wie George H. W. Bush 1990 über Saddam Hussein sagte, „neuen Hitler“. Die Medien erwähnen die 100.000 Todesopfer des Bürgerkriegs, als seien die USA lediglich ein entsetzter Zuschauer, der keinerlei Verantwortung für die blutigen Ereignisse im Land trage.
Selbst vergleichbar gut informierte Amerikaner, die seit Beginn der Krise aufmerksam die Nachrichten verfolgen, kennen die nachfolgenden Fakten nicht, die von entscheidender Bedeutung sind, um die Politik der Obama-Regierung zu verstehen.
Die Vereinigten Staaten blicken auf eine lange Geschichte direkter Interventionen und der Unterwanderung der Regierung in Syrien zurück, die sich bis zurück in die 1940er Jahre erstreckt. 1946 war die alte Kolonialmacht Frankreich (unter dem Druck der Vereinigten Staaten) gezwungen, Syrien die formale Unabhängigkeit zuzugestehen. Anschließend bemühte sich die Truman-Regierung dafür zu sorgen, dass das nachkoloniale Regime die in der Ölindustrie konzentrierten amerikanischen Konzern- und Finanzinteressen schützt und sich dem Diktat der antisowjetischen Kalten-Kriegs-Strategie der Vereinigten Staaten unterwirft. Im Mittelpunkt standen dabei die Unterstützung aller US-Maßnahmen zur Eindämmung des Einflusses der Sowjetunion im Nahen Osten und die Unterdrückung kommunistischer und anderer linksgerichteter Bewegungen.
In den Jahren 1948-49 war die Truman-Regierung alarmiert über das Wachstum der Syrischen Kommunistischen Partei und die zunehmend freundlichen Beziehungen zwischen der linksbürgerlichen nationalistischen Regierung von Präsident Schukri al-Quwatli und der Sowjetunion. Am 30. März 1949 stürzte Husni az-Za'im, der Chef des syrischen Generalstabs, nach monatelangen Vorbereitungen durch die CIA Präsident Quwatli. Die führende Rolle der Vereinigten Staaten bei diesem Putsch ist bestens dokumentiert.
Professor Douglas Little, ein Experte für syrische Geschichte und Politik, schreibt: „Vor kurzem freigegebene Dokumente (…) bestätigen, dass [der CIA-Beamte Stephen] Meade vom 30. November 1948 an mindestens sechs Mal mit Oberst Za'im zusammentraf, um die ‚Möglichkeit einer vom Militär unterstützten Diktatur‘ zu besprechen.“ („Cold War and Covert Action: The United States and Syria, 1945-1958”, Middle East Journal, Winter 1990, S. 55)
Innerhalb der Truman-Regierung wurden einige Bedenken laut, dass die Unbeliebtheit des Za'im-Regimes zu politischen Problemen führen könnte. Doch Za'ims Verhalten als starker Mann Syriens nach dem Putsch entzückte Washington:
„Am 16. Mai bestätigte Za'im die lange verzögerte TAPLINE-Konzession. Damit räumte er das letzte Hindernis aus, das ARAMCOs [Arab American Oil Company] Plan im Wege stand, saudisches Öl mittels Pipelines zum Mittelmeer zu leiten. Zwei Wochen später weitete Za'im seine antisowjetische Kampagne aus, verbot die Kommunistische Partei und ließ dutzende linke Dissidenten verhaften.“ (Ebd.)
Za'im war in der Tat höchst unpopulär. Schon am 14. August, nur fünf Monate nachdem er die Macht ergriffen hatte, wurde er gestürzt und hingerichtet. Trotz dieses Rückschlags fand die CIA einen weiteren Offizier, Oberst Adib asch-Schischakli, der sich am 19. Dezember 1949 mit amerikanischer Hilfe an die Macht putschte. Schischaklis amerikafreundliches Regime hielt sich bis Februar 1954, als es in einem unblutigen Putsch abgesetzt wurde. Schischakli wurde schließlich 1964 in Brasilien ermordet. Sein Tod beendete aber die Verstrickungen der Schischakli-Familie in die syrische Politik nicht. Sein Enkel und Namensvetter Adib asch-Schischakli, ein rechts stehender Geschäftsmann mit engen Beziehungen zur saudischen Königsfamilie, ist ein Führungsmitglied der syrischen Opposition. Am 25. Juli nahm er an dem Treffen mit Außenminister Kerry bei den Vereinten Nationen teil.
Nach dem Sturz von Oberst Schischakli im Jahr 1954 kam es zu einem erneuten Anwachsen der Linken und der Verbitterung der Bevölkerung über die amerikanische Einmischung in die syrische Politik. Die USA verfolgten das unzufrieden. Die Eisenhower-Regierung war beunruhigt über die Beliebtheit der „Progressiven Front“, die von Elementen der syrischen Armee unterstützt und von dem Offizier Adnan al-Malki geführt wurde. Besonders erboste die USA, dass Malkis Gruppe sich gegen eine syrische Mitgliedschaft im antisowjetischen Bagdad-Pakt stellte, den die Eisenhower-Regierung im Januar 1955 nach dem Vorbild der NATO gegründet hatte. Am 22. April 1955 wurde Malki während des Besuchs eines Fußballspiels von einem Mitglied der proamerikanischen, rechten Syrischen Sozial-Nationalistischen Partei (SSNP) ermordet. Eine offizielle Untersuchung des Attentats förderte zutage, dass die Vereinigten Staaten Hauptunterstützer und größter Geldgeber der SSNP waren. Es war bekannt, dass die SSNP enge Beziehungen zur CIA pflegte.
Nach Malkis Ermordung sicherte eine Welle der öffentlichen Empörung den erneuten Sieg Quwatlis bei den Präsidentschaftswahlen im August 1955. Die Vereinigten Staaten, unzufrieden mit dem Wahlausgang und der Annäherung der neuen Regierung an die Sowjetunion, bereiteten einen neuen Putsch vor. In enger Zusammenarbeit mit ihren Kollegen vom britischen Geheimdienst entwickelten die CIA und der britische SIS die Operation Straggle. Sie wirkt wie ein Vorläufermodell des heutigen, von den USA gelenkten „Rebellen“-Aufstands:
„Der ursprüngliche CIA-SIS-Plan sah anscheinend vor, dass die Türkei Grenzzwischenfälle inszeniert, britische Geheimagenten die Wüstenstämme aufhetzen und amerikanische Agenten SSNP-Guerillas mobilisieren, die alle zusammen einen pro-westlichen Putsch von ‚einheimischen antikommunistischen Elementen innerhalb Syriens‘ auslösen, falls nötig unterstützt von irakischen Truppen. Die sich verschlechternde Lage in Damaskus machte die Operation Straggle in den Augen Washingtons immer attraktiver.“ (Little, S. 66)
Die CIA plante einen Putsch für den 25. Oktober 1956 und ließ den Verschwörern 150.000 Dollar zukommen. Doch die Operation musste verschoben weil, weil die Briten – ohne die Vereinigten Staaten zu informieren – eine andere Operation begonnen hatten: die verhängnisvolle Invasion Ägyptens, die mit einer politischen Demütigung Großbritanniens endete. Trotz der Verzögerung entwickelten die USA ihre Umsturzpläne für Syrien weiter. Im Januar 1957 verkündete die US-Regierung die Eisenhower-Doktrin. Sie beteuerte darin ihre Absicht, den sowjetischen Einfluss im Nahen Osten durch den Einsatz von Truppen einzudämmen. Beide Häuser des Kongresses bestätigten die Doktrin mit überwiegender Mehrheit.
Die Operation Straggle wurde aufpoliert und in Operation Wappen umbenannt. Professor Little schreibt: „Howard Stone, ein CIA-Spezialist für politische Aktionen mit Erfahrungen in Teheran und Khartum, plante mit Dissidenten innerhalb der syrischen Armee seit drei Monaten einen Putsch. Inzwischen reiste der ehemalige Präsident Adib Schischakli heimlich nach Beirut, wo er Kermit Roosevelt versicherte, er sei bereit, die Macht in Syrien wieder zu übernehmen.“ (Little, S. 71)
Zum Unglück der Vereinigten Staaten war der syrische Geheimdienst bestens über die Verschwörung unterrichtet. Am 12. August 1957 wies der syrische Chef der Spionageabwehr Stone und andere CIA-Verschwörer aus und verhaftete ihre Agenten im Lande. Die Eisenhower-Regierung schäumte vor Wut und erwog eine Militärintervention, ließ aber schließlich davon ab, nachdem der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow Eisenhower in deutlichen Worten vor einem Eingreifen gewarnt hatte.
Die unablässigen Bemühungen der Vereinigten Staaten, Syrien unter seine Kontrolle zu bringen, hinterließen ein Erbe der Feindseligkeit und Verbitterung. Wie Professor Little feststellt, „nutzten Mitte der 1950er Jahre so unterschiedliche syrische Führer wie der gemäßigte Quwatli und der Kommunist Bakdasch Gerüchte über CIA-Verschwörungen (von denen die meisten nur allzu wahr waren), um den von Eisenhower beklagten Hass gegen die Vereinigten Staaten zu schüren.“ (Little, S. 75)
Das post-sowjetische Streben nach der Weltherrschaft
Die amerikanischen Bemühungen, Syrien zu zerrütten, endeten nicht mit dem Kalten Krieg. Nach der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 gab es kein Land mehr, das die militärische Machtausübung der USA hätte einschränken können. Die Entscheidung der Vereinigten Staaten, 1990/91 Krieg gegen den Irak zu führen (als deutlich war, dass die Sowjetunion vor der Auflösung stand), war ein Vorbote der vom ersten Präsident Bush verkündeten „neuen Weltordnung“. 1992 veröffentlichte das Pentagon seine neue Militärstrategie, die unverblümt erklärte, die Vereinigten Staaten würden keinen neuen Herausforderer ihrer Hegemonialstellung tolerieren.
Seit den 1960er Jahren sinkt die globale wirtschaftliche Überlegenheit der Vereinigten Staaten. Seit Beginn der 1990er Jahre ist die einst größte Gläubigernation der Welt deren größte Schuldnernation. Trotzdem waren die USA allen tatsächlichen und potentiellen Rivalen militärisch immer noch haushoch überlegen und entschlossen, diesen Vorteil zu nutzen, um ihre Stellung als dominierende Weltmacht zu verteidigen. In den 1990er Jahren erhöhten die USA sprunghaft den Einsatz militärischer Gewalt, um ihre globalen geopolitischen Ziele zu erreichen. Deutschland hatte unter Hitler nur versucht, Europa zu organisieren. Der amerikanische Imperialismus strebt danach, die Welt zu organisieren, wie Trotzki schon in den 1930er Jahren vorausgesagt hatte. Er hatte der Menschheit eine weltweite Eruption des amerikanischen Militarismus prophezeit. Die Ereignisse der letzten beiden Jahrzehnte haben Trotzkis Weitsicht bestätigt.
Im Jahr 1991 führten die Vereinigten Staaten den ersten Feldzug gegen den Irak. Im Jahr darauf provozierten sie das Auseinanderbrechen Jugoslawiens, indem sie einen Bürgerkrieg zwischen den Volksgruppen schürten, der den Krieg gegen Serbien im Jahr 1999 vorbereitete. Unter Clinton drangen die USA auch zum ersten Mal in Somalia ein, dessen Lage am Horn von Afrika dem verarmten Land eine immense strategische Bedeutung gibt. Obwohl diese erste Intervention zu einem Desaster führte, folgte eine gewaltige Ausweitung amerikanischer Operationen in Afrika. Die Gründung von AFRICOM, dem strategischen Zentrum für US-amerikanische Militäroperationen auf dem afrikanischen Kontinent und in der Region des Indischen Ozeans, zeigt das.
Der Nahe Osten blieb aber der Brennpunkt amerikanischer Operationen. Dies nicht nur wegen der großen wirtschaftlichen und strategischen Bedeutung des Öls, sondern auch weil amerikanische Strategen die Region als wichtigsten Zugang zur eurasischen Landmasse betrachten, die sich von Russland bis zur chinesischen Grenze erstreckt und deren Kontrolle als entscheidender geopolitischer Vorteil gilt. Die Auflösung der UdSSR veränderte die Geopolitik dieser Region. Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisien und Kasachstan wurden unabhängige Staaten. Der Kaukasus und die Region um das Kaspische Meer wurden plötzlich zu bedeutenden Faktoren auf dem Weltölmarkt und dank weiterer unverzichtbarer Bodenschätze ebenso auf diesen Märkten. Den Vereinigten Staaten bot die Auflösung der Sowjetunion eine außerordentliche Gelegenheit, ihre Macht in dieser umfangreichen Region auszubauen, besonders solange Russland noch unter den verheerenden Konsequenzen des sowjetischen Auseinanderbrechens litt.
1997 schrieb Zbigniew Brezinski ein provokatives und einflussreiches Buch unter dem Titel The Grand Chessboard [dt. Die einzige Weltmacht (1998)]. Brezinski war von 1977 bis 1981 Nationaler Sicherheitsberater der Carter-Regierung. Er spielte eine entscheidende Rolle bei der Organisation und Bewaffnung des islamistischen Aufstandes gegen die von der Sowjetunion unterstützte Regierung in Afghanistan und war damit ursächlich verantwortlich für die Kausalkette, die zur Bildung von Al-Qaida, zu den katastrophalen Ereignissen vom 11. September 2001 und zur US-Invasion in Zentralasien im selben Jahr führte.
In einer Schlüsselpassage schreibt Brezinski: „Amerikas geopolitischer Hauptgewinn ist Eurasien. Ein halbes Jahrtausend lang haben europäische und asiatische Mächte und Völker in dem Ringen um die regionale Vorherrschaft und dem Streben nach Weltmacht die Weltgeschichte bestimmt. Nun gibt dort eine nichteurasische Macht den Ton an – und der Fortbestand der globalen Vormachtstellung Amerikas hängt unmittelbar davon ab, wie lange und wie effektiv es sich in Eurasien behaupten kann. (…)
In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, wie Amerika mit Eurasien umgeht. Eurasien ist der größte Kontinent der Erde und geopolitisch axial. Eine Macht, die Eurasien beherrscht, würde über zwei der drei höchstenwickelten und wirtschaftlich produktivsten Regionen der Erde gebieten. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um zu erkennen, dass die Kontrolle über Eurasien fast automatisch die über Afrika nach sich zöge und damit die westliche Hemisphäre und Ozeanien gegenüber dem zentralen Kontinent der Erde geopolitisch in eine Randlage brächte (…). Nahezu 75 Prozent der Weltbevölkerung leben in Eurasien, und in seinem Boden wie auch Unternehmen steckt der größte Teil des materiellen Reichtums der Welt. Eurasien stellt 60 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts und ungefähr drei Viertel der weltweit bekannten Energievorkommen. (…)
Eurasien ist mithin das Schachbrett, auf dem der Kampf um globale Vorherrschaft auch in Zukunft ausgetragen wird.” (Frankfurt am Main 1999, S. 53-57)
Seitdem Brezinskis Buch vor sechzehn Jahren erschien, ist die zentrale Rolle von Eurasien – oder der „Weltinsel“, wie es der berühmte Geopolitiker des frühen 20. Jahrhunderts Sir Halford Mackinder nannte – in der Militärstrategie der Vereinigten Staaten offensichtlich geworden. Im vergangenen Jahrzehnt zog Amerika gegen den Irak, Afghanistan, Jemen und Pakistan in den Krieg. Die Dominanz über Eurasien kann allerdings nicht gesichert werden, solange die Vereinigten Staaten nicht den Widerstand dreier großer Länder überwunden haben, deren Interessen in der Region noch viel unmittelbarer sind als die der USA: des Irans, Russlands und Chinas. Von diesen drei Ländern stellt der Iran die dringlichste Herausforderung dar. Seine geographische Lage macht ihn zu einem bedeutenden Faktor im Mächteverhältnis des Nahen Ostens und Zentralasiens. Er kontrolliert den Persischen Golf, durch den die meisten Supertanker passieren, die das Öl Saudi-Arabiens und der Golfstaaten in die Welt verschiffen. Und er grenzt an Turkmenistan, Afghanistan und Pakistan.
Der von der CIA gesponserte Putsch im Jahr 1953, der die nationalistische Mossadegh-Regierung stürzte und den verhassten Schah wieder auf den „Pfauenthron“ setzte, sicherte den USA für ein Vierteljahrhundert die Kontrolle über den Iran. Schah Reza Pahlevi stützte sich auf einen brutalen Polizeistaat. In den Folterkammern seiner Geheimpolizei SAVAK wurden unzählige tausende Kommunisten, Arbeiter und Studenten gemartert und gemordet. Im Jahr 1979 beendete die Iranische Revolution diese von den Vereinigten Staaten geförderten Zustände.
Die Zerstörung des neuen Regimes und die Wiederherstellung der amerikanischen Kontrolle über den Iran sind seit über dreißig Jahren entscheidende Ziele der USA. In den 1980er Jahren unterstützte die Reagan-Regierung das Regime von Saddam Hussein, das einen achtjährigen Krieg gegen den Iran führte. 1988 lieferten die Vereinigten Staaten Saddam Hussein entscheidende Informationen für den Einsatz von Chemiewaffen gegen iranische Soldaten.
Die Vereinigten Staaten reagieren so empört auf die angeblichen Atomwaffenpläne Irans, weil sie entschlossen sind, die Fähigkeit des Landes zu zerstören, ihre Ambitionen im Nahen Osten und in Zentralasien zu durchkreuzen. Wie das erreicht werden soll – durch das Anzetteln eines Bürgerkriegs, einen direkten Angriff oder eine Kombination von beidem –, ist noch nicht entschieden. Die Verbissenheit, mit der die Vereinigten Staaten das syrische Regime stürzen und durch eine Marionettenregierung ersetzen wollen, ist untrennbar mit Washingtons Kampf gegen den Iran verbunden. Aus Sicht der USA muss Baschar al-Assad gehen, weil sein Regime ein wichtiger Verbündeter des Irans ist. Der Sturz des Assad-Regimes würde den Iran isolieren, seinen Einfluss im Nahen Osten schwächen und ihn für einen Angriff verwundbarer machen.
Die loyalste Anhängerschaft des syrischen Regimes ist die alawitische Bevölkerung, deren Religion ein Nebenzweig des Schiismus ist. Im Iran stellen die Schiiten den größten Bevölkerungsteil. Deshalb haben die Vereinigten Staaten in ihrem Bemühen, Assad zu stürzen, ein De-facto-Kampfbündnis mit sunnitischen, Al-Kaida-zugehörigen Militäreinheiten geschlossen. In den US-Medien fand diese Tatsache fast gar keine Erwähnung.
Der ein Jahrzehnt währende Krieg gegen Syrien
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In der Darstellung der Medien erscheint die Obama-Regierung als mehr oder weniger passiver Beobachter des Bürgerkriegs, der sich in Syrien entwickelt. Mit Ausnahme des Überschreitens ihrer „roten Linie“ gibt es für die Obama-Regierung keinen Anlass, in den Konflikt einzugreifen. Die Medien blenden die Tatsache einfach aus, dass die Vereinigten Staaten den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Druck auf Damaskus seit einem Jahrzehnt erhöhen. In seiner Ansprache zur Lage der Nation im Januar 2002 hatte Präsident George W. Bush den Iran, den Irak und Nordkorea als „Achse des Bösen“ bezeichnet. Im Mai 2002 hatte der Staatssekretär im Außenministerium John Bolton eine Rede mit dem Titel „Jenseits der Achse des Bösen“ gehalten, in der er Bushs Liste um Kuba, Libyen und Syrien erweiterte.
Ein Jahr darauf setzte die Bush-Regierung das „Gesetz über syrische Verantwortlichkeit und die Wiederherstellung libanesischer Souveränität“ in Kraft, das bedeutende Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängte. Das Gesetz fand die uneingeschränkte Zustimmung beider Parteien. Gegner des Gesetzes hatten bei den anschließenden Kongressanhörungen keine Redeerlaubnis. Experten der Nahostpolitik verstanden die aggressiven Folgen dieses Gesetzes sehr klar. Professor Stephen Zunes von der Universität San Francisco warnte in einem Essay, der in der Frühjahrsausgabe 2004 der Zeitschrift Middle East Policy veröffentlicht wurde:
„Das ‚Gesetz über syrische Verantwortlichkeit‘ eignet sich als Vorstufe zu einer amerikanischen Militäraktion gegen Syrien. Es formuliert, detaillierter als es die Regierung jemals gegenüber dem Irak tat, Gründe für eine US-Invasion. Die Erklärung, dass ‚Syrien mit der Weitergabe von Massenvernichtungswaffen und dem Erwerb ballistischer Flugkörper (…) die nationalen Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten bedroht‘, würde es dem Kongress schwer machen, eine Anfrage des Präsidenten um Bewilligung von Militäraktionen zu verweigern.“ (S. 66)
Haben Öl und Erdgas etwas mit dem syrischen Aufstand zu tun?
Etwa fünfzehn Jahre zuvor, kurz nach dem amerikanischen Angriff auf Serbien, trat ich in Schriftwechsel mit einem namhaften Historiker an einer großen Universität. Er ist Autor eines vielgenutzten Lehrbuchs zur Weltpolitik im 20. Jahrhundert. In seinem Werk arbeitete er kompetent die materiellen Interessen heraus, die von den Imperialisten mit zuckersüßen Phrasen über Menschenrechte verhüllt werden. Dieser Wissenschaftler war allerdings überzeugt, dass die Vereinigten Staaten sich bei der Bombardierung Serbiens nur von den aufrichtigsten Motiven leiten ließen und keine versteckten geopolitischen, geschweige denn ökonomischen Interessen verfolgten. Ihm erschien die Annahme absurd, der Krieg auf dem Balkan habe irgendetwas mit den Bemühungen der USA zu tun, die amerikanische Vorherrschaft über die öl- und erdgasreichen Regionen des Nahen Ostens und Zentralasiens zu errichten! Zu glauben, dass ein Zusammenhang zwischen den Militäroperationen der Vereinigten Staaten und Ölinteressen bestehe, sei nichts anderes als der Ausdruck von krudem ökonomischem Determinismus.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich dem Vorwurf aussetze, ein „Vulgärmarxist“ zu sein – das heißt, jemand, der glaubt, wirtschaftliche Interessen spielten eine weit größere Rolle bei der Gestaltung globaler Geopolitik als die ethischen Ideale, auf die sich die imperialistischen Regierungen heuchlerisch berufen –, möchte ich Dr. Jeffrey Mankoff vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien (CSIS) zitieren, der am 25. Juli 2013 vor dem außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses für Europa, Eurasien und neue Bedrohungen auftrat.
Die Aussage Dr. Mankoffs verdeutlichte die wachsende globale Bedeutung der Öl- und Erdgasreserven, die im östlichen Mittelmeerraum lagern. Er bemerkte: „Im Levantebecken des östlichen Mittelmeers lagern etwa 122 Billionen Kubikfuß (oder 3,45 Billionen Kubikmeter) unerschlossenes, technisch nutzbares Erdgas sowie 1,7 Milliarden Barrel Rohöl. Die meisten der gegenwärtig bekannten Reserven befinden sich vor der Küste Israels und in benachbarten Feldern vor Zypern. Zusätzlich könnten unentdeckte Felder vor den Küsten Libanons und Syriens liegen. Obwohl die jüngst ermittelten Größenordnungen im Vergleich zu den Funden am Persischen Golf, in Russland oder im Kaspischen Becken relativ klein sind, sind sie doch umfangreich genug, um sich bedeutend auf die Energieversorgungssicherheit der Staaten im Ostmittelmeer auszuwirken, sowie um einen, wenn auch begrenzten, Beitrag zur Energieversorgungssicherheit in Europa zu leisten.“
Das Vorhandensein von erheblichen Öl- und Erdgasreserven verschärft seit jeher die Konflikte zwischen den regionalen Staaten und ihren Finanzeliten, die hoffen, von den unterirdischen Reichtümern zu profitieren, und zwischen den Großmächten, die die neuen Öl- und Erdgaslagerstätten nicht nur als Quelle der Bereicherung bewerten, sondern auch vom Standpunkt der geopolitischen Vorteile, die sie daraus ziehen können. Es gibt bereits erbitterte Streitigkeiten zwischen den regionalen Staaten über die Eigentumsrechte und Transportwege für das Öl und Erdgas. Anders als dem Professor, mit dem ich 1999 korrespondiert hatte, ist Dr. Mankoff klar, dass Konflikte über Ressourcen sehr wohl eine große Rolle bei der Verschärfung von Spannungen spielen.
Er sagte dem Ausschuss: „Die Öl- und Erdgasvorkommen des östlichen Mittelmeerraums liegen jedoch inmitten einer der geopolitisch komplexesten Regionen der Welt. Der israelisch-palästinensische Konflikt, die Spannungen zwischen Israel und dem Libanon, der schwelende Zypernkonflikt sowie die schwierigen Beziehungen zwischen der Türkei, der Republik Zypern und Griechenland erschweren es, die Förderung und den Verkauf von Energie im östlichen Mittelmeer zu organisieren. Der syrische Bürgerkrieg hat eine neue Quelle ökonomischer und geopolitischer Unsicherheit beigesteuert. Im Hintergrund wartet außerdem Russland, das sich seinen Anteil an der Energiegoldgrube im östlichen Mittelmeer sichern und seine Stellung als Hauptlieferant von Öl und Erdgas auf den europäischen Märkten wahren will.“
Die Meinung der Eliten und die Meinung der Massen
Inzwischen sollte es niemanden mehr überraschen, warum die Medien die komplexen geopolitischen und ökonomischen Probleme vollständig ignorieren, die hinter der Kriegstreiberei stehen. Mit Ausnahme gelegentlicher Artikel, die meist in weniger bekannten Publikationen erscheinen, besteht die Berichterstattung über die Krise in den Massenmedien fast vollständig aus Propaganda. Gerade dies aber macht die weitverbreitete Opposition gegen den Krieg umso bedeutender. Sie hat sich gegen die wüste Kriegshetze der Medien entwickelt. In den vergangenen Monaten taten Sendeanstalten und Presse ihr Bestes – wir sollten sagen: ihr Übelstes –, um die Bevölkerung in Kriegstaumel zu versetzen. Einen besonders bemerkenswerter Gesichtspunkt der moderner Kriegspropaganda sind die unablässigen Mordaufrufe gegen Führer von Staaten, die die Vereinigten Staaten ins Visier nehmen. Das war mit dem Serben Slobodan Milošević, dem Iraker Saddam Hussein und dem Libyer Muammar Gaddafi der Fall. Sie alle leben nicht mehr.
Mordaufrufe gegen Assad sind jetzt in den Medien an der Tagesordnung. Der Economist erklärte in seiner Ausgabe vom 31. August - 6. September, dass Assad „so wenig Gnade erwiesen werden sollte, wie er seinerseits den Menschen erwiesen hat, die er zu regieren vorgibt. Wenn also eine amerikanische Rakete Assad trifft, dann zurecht. Er und seine Schergen haben nur sich selbst die Schuld dafür zuzuschreiben.“ Bret Stephens vom Wall Street Journal schrieb am 27. August: „Sollte Präsident Obama sich für einen Militärschlag gegen Syrien entscheiden, dann ist es seine vordringliche Aufgabe, Baschar Assad zu töten. Und ebenso seinen Bruder Maher, seinen wichtigsten Gefolgsmann. Gleichfalls jedes Mitglied der Assad-Familie, das Anspruch auf politische Macht erhebt.“
Der gefürchtete A. Barton Hinkle von der Post Gazette aus Richmond gab seinen Lesern am 4. September mit auf den Weg: „Der offensichtliche Vorteil der Tötung Assads wäre, dass damit genau das erreicht würde, was der Präsident möchte: die Aussendung der Botschaft, dass auf bestimmte Verbrechen gegen die Menschlichkeit schnellen Fußes die Strafe folgt.“
Unter den ersten, die auf die Ermordung Assads drängten, war der prominente „links”-liberale Kolumnist Peter Beinert. Vor über einem Jahr, am 11. Juni 2012, schrieb Beinert in The Daily Beast:
„Gestatten Sie mir ein unerfreuliches Gedankenspiel: Vielleicht sollte Amerika versuchen, Baschar al-Assad zu töten? … Tatsächlich fällt es schwer, einen prinzipiellen Unterschied zwischen der Tötung Assads und den gezielten Tötungen und humanitären Kriegen zu sehen, die bereits mit beträchtlicher politischer Unterstützung Amerikas geführt werden… Doch die wichtigere Frage ist, wie weit wir dabei gehen wollen, die amerikanischen Sicherheitsinteressen und humanitären Ideale über die nationale Souveränität und das Völkerrecht zu stellen. Erwägt man, wie weit Amerika in den vergangenen Jahren bereits in diese Richtung gegangen ist, dann erscheint der Versuch, Assad umzubringen, überhaupt nicht mehr radikal.“
Die Leute, die solche Zeilen schreiben, sind nicht einfach degenerierte Individuen. Sie sind Kriminelle, wenn man nach den Grundsätzen urteilt, die 1946 im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen die Nazi-Führer angewendet wurden. Sie machen sich der Kriegspropaganda schuldig, die im Nürnberger Prozess zu einer illegalen Handlung erklärt wurde. Da in Nürnberg das Grundprinzip verankert wurde, die Eröffnung eines Angriffskrieges (definiert als Krieg, der nicht als Reaktion auf eine klare und unmittelbar bevorstehende Angriffsgefahr erfolgt, sondern dem Zweck dient, bestimmte politische oder wirtschaftliche Ziele zu verfolgen) sei ein Verbrechen, ergibt sich daraus, dass jemand, der zu einem Krieg anstiftet, selbst eine kriminelle Handlung begeht.
Professor John B. Whitton erläuterte in einem 1971 in den Annals of the American Academy of Political and Social Science erschienenen Aufsatz: „Da der Angriffskrieg jetzt für ungesetzlich erklärt wurde, folgt hieraus, dass die Propaganda, die zu dieser Aggression anstiftet, gleichfalls eine Verletzung des Völkerrechts darstellt. Die Kriegsverbrecherprozesse, die auf den Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Japan folgten, stellen Präzedenzfälle dar: nicht allein für den Grundsatz, dass ein Angriffskrieg ein Verbrechen ist, sondern ebenso für die Norm gegen ideologische Aggression.“
In seiner Untersuchung von Kriegspropaganda als Verbrechen bezieht sich Whitton ausdrücklich auf Diffamierungspropaganda. Diese Form von Propaganda versucht, mittels gehässiger Aufwiegelung der Massen gegen die Führer „feindlicher“ Länder zum Krieg aufzuhetzen.
Dies ist ein wichtiges Konzept. Politische Führer zu entlarven, die tatsächlich verwerflicher Handlungen schuldig sein könnten, und sie zu diskreditieren, ist eine Sache. Doch eine andere sind Aufrufe zum Mord. Diese verfolgen als Ziel nicht nur die Entmenschlichung eines Individuums, sondern deren Ausweitung auf die Bürger des Landes, das von ihm regiert wird. Vor allem aber versucht solche Propaganda, jede Kritikfähigkeit der Bevölkerung des Aggressorlandes auszulöschen, sie alle Rechtsnormen vergessen zu machen und ihr Bewusstsein auf das Niveau eines Lynchmobs herabzudrücken oder, was nicht besser ist, sie zu passiven Augenzeugen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu machen.
Es sollte ebenfalls erwähnt werden, dass Journalisten ihre Unterstützung für staatliche Morde nicht auf auswärtige Führer beschränkt haben, die mit den geopolitischen Interessen des amerikanischen Staates zusammenprallen. Im vergangenen Monat schickte Michael Grunwald, ein leitender Redakteur des Time-Magazins, folgende Nachricht über Twitter: „Ich kann es nicht erwarten, eine Verteidigung des Drohnenschlags zu schreiben, der Julian Assange aus dem Weg räumt.“
Solche eine Stellungnahme eines führenden amerikanischen Journalisten deckt deutlich den Zusammenhang auf, der zwischen dem Ausbruch des amerikanischen Imperialismus und dem zügellosen Anwachsen faschistischer Tendenzen innerhalb der herrschenden Klasse und dem politischen Establishment besteht, das ihren Interessen dient.
Wie soll man die gewaltige politische Kluft erklären, die sich zwischen der offiziellen Kriegsbegeisterung und der realen Antikriegsstimmung aufgetan hat, die unter breiten Bevölkerungsschichten vorherrscht? Die Antwort darauf findet sich in dem unüberbrückbaren gesellschaftlichen Antagonismus, der die superreichen Eliten, welche die Vereinigten Staaten regieren, von den finanziellen und sozialen Bedingungen trennt, mit denen die breite Masse der Bevölkerung konfrontiert ist. Die reichsten ein bis fünf Prozent der Bevölkerung – ganz zu schweigen von den reichsten 0,1 (einer unter Tausend) und 0,01 (einer unter Zehntausend) – leben in einer sozialen Welt, die sich vollständig von derjenigen der überwältigenden Mehrheit des Landes unterscheidet. Die Ökonomen Piketty und Saez haben jüngst eine Studie veröffentlicht, die aufzeigt, dass seit 2009, dem offiziellen Beginn der sogenannten Wirtschafts-„Erholung“, 95 Prozent aller Zuwächse der Haushaltseinkommen in die Taschen des reichsten Prozents der Bevölkerung geflossen sind! Die Eliten haben allen Sinn für Realität verloren. Sie sind schlicht unfähig zu einer lebensnahen Wahrnehmung der Bedingungen und Stimmungen der großen Masse der Bevölkerung. Aus diesem Grunde haben die Obama-Regierung und die Medien die Stimmung der amerikanischen Bevölkerung so vollkommen falsch eingeschätzt.
Die Gauner und Scharlatane der herrschenden Elite sowie ihre Kofferträger in Politik und Medien verlieren ihre Kontrolle über das Bewusstsein der Menschen. Die Antikriegsstimmung der Arbeiterklasse, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch weltweit, ist ein Ausdruck wachsenden antikapitalistischen Bewusstseins, das noch augenfälliger werden und sich politisch artikulieren wird.
Das Ringen gegen Imperialismus, Krieg, soziale Ungleichheit und politische Unterdrückung ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen den Kapitalismus. Dies ist die Perspektive, auf der die Socialist Equality Party, die International Youth and Students for Social Equality und ihre Genossen im Internationalen Komitee eine neue Antikriegsbewegung aufbauen wollen.