Jüdische Künstler protestieren gegen Gaza-Krieg

Im Gegensatz zu den meisten bürgerlichen Medien und Parteien, die das Massaker der israelischen Armee an der palästinensischen Bevölkerung des Gazastreifens verteidigt und mit dem Recht Israels auf "Selbstverteidigung" gerechtfertigt haben, sind einige jüdische Künstler mutig gegen den Krieg aufgetreten. Sie haben Israels Anspruch bestritten, es handle im Namen aller jüdischer Bürger.

In Frankfurt veröffentlichte der Maler Max Weinberg Ende Dezember einen Offenen Brief, in dem er dagegen protestiert, "dass der israelische Staat von genau den Mitteln Gebrauch macht, denen das jüdische Volk in der Geschichte selbst zum Opfer gefallen ist". Und in Frankreich verlangte der Schriftsteller Jean Moise Braitberg am 29. Januar in der Zeitung Le Monde, dass der Name seines in einem Konzentrationslager ermordeten Großvaters aus der Gedenkstätte Yad Vashem beseitigt wird.

Max Weinberg arbeitet seit fünfzig Jahren in Frankfurt. 1928 geboren, war er 1935 als Siebenjähriger mit seiner Familie von Kassel nach Palästina geflohen, um dem Holocaust zu entkommen. Als Palästina nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt und der Staat Israel geschaffen wurde, zog das israelische Militär Weinberg ein. Er verweigerte den Befehl, als er auf einer Patrouille zwei palästinensische Bauern erschießen sollte. Darauf wurde er inhaftiert und unehrenhaft aus der Armee entlassen. Zehn Jahre später kehrte er nach Deutschland zurück, wo er sich in Frankfurt als Kunststudent und dann als freischaffender Künstler niederließ (siehe: www.ateliermaxweinberg.com).

Seinen Offenen Brief schickte Weinberg Ende Dezember an über tausend Empfänger und verbreitete ihn im Internet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angriff auf den Gazastreifen gerade begonnen. Seither sind mehr als 1.200 Männer, Frauen und Kinder durch die israelische Armee getötet und weit über 5.000 verwundet worden. Universitäten, Schulen, Wohnhäuser, Brücken und Kanalisation wurden durch tonneschwere Bomben zerstört.

Weinberg protestiert gegen die "auferlegten ‚Lebensbedingungen’ in den [Palästinenser-] Lagern und den vielfachen Mord an der Zivilbevölkerung", für die es "weder Rechtfertigung noch Entschuldigung" gebe. Er erklärt sich "auch im Namen anderer friedlicher, jüdischer Bürger, die Mitgefühl haben, mit dem palästinensischen Volk solidarisch".

"Das Judentum steht nicht geschlossen hinter der israelischen Politik und schon gar nicht hinter diesem Blutbad-Wahlkampf kurz vor der Machtübernahme von Obama!" heißt es weiter in Weinbergs Offenem Brief. "Nicht nur als Kriegsdienstverweigerer (1948) sondern auch im Sinne jüdischer Ethik und Moral, die das Töten untersagt, verurteile ich die Besatzung und das Massaker, das in keiner Verhältnismäßigkeit steht."

Weinberg zieht eine Parallele zum Holocaust und schreibt am Schluss seines Briefes: "Mit den ermordeten Kindern aus Gaza ist Anne Frank hundertfach umgebracht worden. Nie wieder!"

Jean-Moïse Braitberg wurde 1950 in Frankreich geboren, wo er aufwuchs, studierte und erst als Journalist und dann als freier Schriftsteller arbeitete. Er machte sich einen Namen als Investigations-Journalist (u.a. für den Quotidien de Paris) und als Reiseschriftsteller (Guide Michelin), bevor er 2006 seinen ersten Roman (L’Enfant qui maudit Dieu) veröffentlichte.

In einem Offenen Brief bittet Braitberg den Präsidenten des Staates Israel, den Namen seines 1943 in Treblinka vergasten Großvaters Moshe Brajtberg aus der Gedenkstätte für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus Yad Vashem zu entfernen. Er begründet seine Bitte damit, dass "das, was in Gaza passiert ist, und darüber hinaus das Schicksal des arabischen Volkes von Palästina seit 60 Jahren, in meinen Augen Israel disqualifiziert, das Zentrum zu sein, das an das Leid der Juden und somit das der ganzen Menschheit erinnert."

Braitberg betont: "Seit meiner Kindheit habe ich in der Umgebung der Überlebenden der Lager des Todes gelebt. Ich habe die tätowierten Nummern auf den Armen gesehen, ich habe die Erzählungen der Folter gehört; ich habe das unmögliche Trauern erfahren und ich habe die Alpträume geteilt." Und er folgert daraus: "Es dürfen - so hat man es mir beigebracht - sich diese Verbrechen niemals wiederholen; niemals wieder darf ein Mensch infolge seiner Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder einer Religion einen anderen verachten oder ihn seiner elementarsten Rechte, wie das auf ein Leben in Sicherheit und unter würdigen Lebensbedingungen, berauben."

Auch Braitberg bestreitet das Recht der israelischen Regierung, im Namen aller Juden zu sprechen. "Sie, Herr Präsident, stehen an der Spitze eines Landes, das nicht nur beansprucht, die Juden in ihrer Gesamtheit zu vertreten, sondern auch das Gedächtnis derer, die Opfer des Nationalsozialismus waren", schreibt er. "Das betrifft mich, und es ist mir unerträglich. In dem Sie im Memorial von Yad Vashem, im Herzen des Staates Israel, die Namen meiner Angehörigen aufbewahren, hält ihr Staat das Gedächtnis meiner Familie hinter dem Stacheldraht des Zionismus gefangen, um aus ihm die Geisel einer so genannten moralischen Autorität zu machen, die Tag für Tag die Gerechtigkeit missachtet."

Sowohl Weinberg wie Braitberg begründen ihren Appell unter Berufung auf die Menschenwürde und die Menschenrechte. "Die Würde des Menschen ist unantastbar", schreibt Weinberg, und auch "Palästinenser sind Teil der Menschheit".

Braitberg beschwört die "Hoffnungen, die in Oslo entstanden sind", und wirft der israelischen Regierung vor, sie habe "trotz der wiederholten Anerkennung seitens der Palästinensischen Autonomiebehörde des Rechtes der israelischen Juden, in Frieden und in Sicherheit zu leben", nur mit "Gewalt, Blutvergießen, Einsperrungen, ununterbrochenen Kontrollen, Kolonisierung und Enteignungen" geantwortet.

Weinberg und Braitberg befassen sich nicht mit den sozialen Interessen, die hinter dem Palästinakonflikt stehen. Sie richten Appelle an die Herrschenden und hoffen auf deren Einsicht. In Wirklichkeit kann der Palästinakonflikt nur gelöst werden, wenn sich die israelischen und palästinensischen Arbeiter zusammenschließen und ihre Klasseninteressen gegen die Herrschenden auf beiden Seiten und deren imperialistische Hintermänner durchsetzen. Trotz ihrer Beschränktheit sind die Appelle von Weinberg und Braitberg aber ein couragierter und ermutigender Schritt.

Siehe auch:
Hände weg von Gaza!
(6. Januar 2009)
Eine sozialistische Antwort auf die Gaza-Krise
( 10. Januar 2009)
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