James P. Cannon and the Origins of the American Revolutionary Left, 1890-1928, by Bryan D. Palmer. University of Illinois Press, 2007, 542 S.
Die Veröffentlichung einer Biographie von James P. Cannon, einer der Leitfiguren des frühen amerikanischen Kommunismus, der im Jahr 1928 die amerikanische trotzkistische Bewegung gründete, ist ein bedeutendes Ereignis.
Schon bevor er viele Jahrzehnte in der trotzkistischen Bewegung gearbeitet hatte, war Cannon ein bedeutender Arbeiterführer. Leute wie William Z. Foster (1) und Earl Browder (2) suchten in den frühen Kämpfen der amerikanischen Arbeiterbewegung bei Cannon Rat und arbeiteten mit ihm zusammen. Cannon spielte bei einigen der entscheidenden internen Herausforderungen, mit denen sich die Anhänger der neuen kommunistischen Bewegung in Amerika konfrontiert sahen, eine herausragende Rolle.
Die Bedeutung Cannons ist ständig unterschätzt und sein Rolle in der Geschichte weitgehend ignoriert worden. Das liegt zum Teil an gängigen akademischen Vorurteilen, nach denen eine Persönlichkeit schlecht beurteilt wird, die im konventionellen Sinn keinen "Erfolg" hatte - die nicht, wie ihre Zeitgenossen Lovestone, Browder und Foster, eine führende Position in der amerikanischen Kommunistischen Partei errang.
Aber kein anderer Amerikaner hat in der Bewegung der internationalen Arbeiterklasse über so viele Jahrzehnte hinweg eine derart bedeutende Rolle gespielt. Cannon war ein Arbeiterführer mit außergewöhnlichen Fähigkeiten - als Redner und Organisator und als Autor der immer ein Gespür hatte für Volkstümlichkeit und Agitation, die jedoch niemals in Demagogie umschlugen.
Bis heute bestand die Hauptquelle über Cannons Leben und Kampf aus seinen eigenen Erinnerungen, besonders seiner denkwürdigen Korrespondenz mit dem Historiker Theodore Draper, die er in den 1950er Jahren über einen Zeitraum von fünf Jahren führte. 1962 bildeten diese Briefe die Basis für Cannons Werk über die Parteigeschichte, "The First Ten Years of American Communism" (Die ersten zehn Jahre des amerikanischen Kommunismus), ein bemerkenswertes Buch, das bis heute nichts von seinem Reiz und seiner Bedeutung eingebüßt hat.
Draper selbst machte Cannon ein außergewöhnliches Kompliment, als er im Vorwort des Buches schrieb: "Cannons Briefe sind wirklich echt. Ich glaube, dass jeder, der die amerikanische Arbeiterbewegung im Allgemeinen und die amerikanische kommunistische Bewegung im Besonderen studiert, sie in den folgenden Jahren zu schätzen wissen wird ... Ich wunderte mich lange Zeit, warum Cannons Erinnerungen über die Ereignisse in den 1920er Jahren allen anderen überlegen sind. War das einfach eine angeborene geistige Begabung? Als ich einige seiner Briefe las, kam ich zu dem Schluss, dass es mehr war als das. Im Unterschied zu anderen kommunistischen Führern seiner Generation wollte Jim Cannon sich erinnern [Hervorhebung im Original]. Dieser Abschnitt seines Lebens ist für ihn noch lebendig, weil er ihn nicht in sich absterben ließ, und ich bin froh, dass ich Anteil daran hatte, ihn dazu zu verlocken, ihn für andere lebendig zu erhalten."
Mit etwas Beklommenheit greift man zu dieser ersten ausführlichen Darstellung von Cannons Leben. Würde es dem Autor gelingen, den lange vernachlässigten Verdiensten dieser wichtigen Gestalt Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen?
Glücklicherweise kann diese Rezension feststellen, dass Bryan Palmers "James P. Cannon and the Origins of the American Revolutionary Left, 1890-1928", das die ersten 38 Jahre von Cannons Leben behandelt, ein bedeutenden Beitrag zur Geschichte dieses Arbeiterführers ist. Das Buch ist eine umfassende wissenschaftliche Forschungsarbeit. Es ist eine gute Einführung in die Geschichte der Bewegung der Arbeiterklasse und wird ein wichtiges Grundlagenwerk für künftige Studien zu Cannon und der frühen Kommunistischen Partei sein. Ein zweiter Band soll folgen, der die Jahrzehnte behandelt, in denen Cannon die Anhänger der Vierten Internationale anführte.
Der kanadische Historiker Palmer, der an der Universität von Trent in Ontario lehrt, war bei diesem Buch in verschiedener Hinsicht erfolgreich: Er hat Cannon den Platz in der Geschichte der Arbeiterklasse und der sozialistischen Bewegung eingeräumt, der ihm neben berühmten Vorgängern wie Eugene V. Debs und Big Bill Haywood gebührt. Und er hat mit der Geschichte der ersten Hälfte von Cannons Leben und dessen politischen Erfahrungen einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der sozialistischen und kommunistischen Bewegung in den USA geleistet.
James P. Cannon kam 1890 in Rosedale, Kansas, einem Vorort von Kansas City, als Kind irischer Einwanderer zur Welt, die in England geboren und in die USA ausgewandert waren. Sie waren mit der großen Einwanderungswelle der Dekade ab 1890 gekommen, als neun Millionen Menschen ins Land strömten. Eine ebenso große Zahl von Einwanderern, wie sich während der folgenden 40 Jahre in den USA ansiedelten.
Die letzten zwei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren eine Zeit wirtschaftlicher und sozialer Umbrüche. Der amerikanische Kapitalismus erlebte eine Periode schnellen Wachstums, das von heftigen Klassenkämpfen begleitet war. Wie Palmer bemerkt, "vor seinem fünften Geburtstag hatte der Junge aus Rosedale Gespräche mit angehört über Schießereien in Carnegies Fabriken; über die Begnadigung einiger Haymarket Märtyrer (5); und über die unvergessene Autorität von Eugene Debs, der wie ein Erlöser begrüßt wurde, weil er die amerikanischen Eisenbahner - wichtige Arbeiter in jener Zeit - in einem gerechten Kreuzzug für die Arbeiterklasse anführte."
Der Strom von Zuwanderern veränderte die Kernstaaten der USA und Städte wie New York. Die Neuankömmlinge brachten die Ideen des Sozialismus mit, die in Europa Massenbewegungen inspiriert hatten. Diese Ideen waren aber kein fremder Import, der in Amerika nie Wurzeln fasste, wie oft behauptet wird. Eugene Debs erhielt bei den Präsidentschaftswahlen 1912 fast 6 Prozent der Stimmen und im Jahr 1920 stimmten fast eine Million Menschen für ihn als Präsidentschaftskandidaten, obwohl er wegen seiner Ablehnung des imperialistischen Krieges im Gefängnis saß.
Die Attraktivität des Sozialismus war auch nicht im Wesentlichen auf New York und einige andere Großstädte beschränkt, wie manchmal behauptet wird. Wie dieses Buch wirkungsvoll und mit manchen Details erzählt, nahmen die Arbeitskämpfe im mittleren Westen und den westlichen Staaten der USA äußerst militante Formen an. Sozialistische Kandidaten erhielten höhere Stimmanteile in Staaten wie Kansas und Wisconsin als an der Ostküste.
John Cannon, der Vater des zukünftigen sozialistischen Führers, war ein Anhänger des irischen Republikanismus, und seine Sympathien entwickelten sich mit Cannons Heranwachsen vom Populismus hin zum Sozialismus. Zeitschriften wie die International Socialist Review und der Appeal to Reason wurden im Haus der Cannons gelesen, und der junge James P. Cannon nahm sich die Romane von Jack London und Upton Sinclair vor.
Wie Palmer schreibt, verließ Cannon im Alter von zwölf Jahren die Schule und begann in den Verpackungsfabriken von Kansas City zu arbeiten. Er ging erst wieder zur Schule, als er 17 Jahre alt war, und schloss nie eine höhere Schulausbildung ab. Er glich das allerdings durch Selbstunterricht teilweise aus.
Cannon erinnerte sich später an den Einfluss einer wortgewaltigen Bittschrift, die von Debs im Jahr 1906 zur Verteidigung von Charles Moyer (6) und Big Bill Haywood geschrieben worden war. Die beiden saßen in Idaho aufgrund einer grundlosen Anschuldigung wegen der Ermordung eines früheren Gouverneurs im Gefängnis. Ungefähr zu dieser Zeit hörte Cannon auch Reden von Debs, und diese machte einen bleibenden Eindruck auf den 16-Jährigen.
Cannon trat der Sozialistischen Partei 1908 bei, später datierte er jedoch seine Entscheidung, sich der Revolution zu widmen, auf das Jahr 1911, als er sich entschloss, der Organisation Industrial Workers of the World (IWW) beizutreten. Er erhielt seine erste politische Bildung in der Schule des revolutionären Syndikalismus, wobei Vincent St. John (7) einer seiner ursprünglichen Lehrmeister war.
Cannon begab sich zwischen 1911 und 1913 an die Brennpunkte des Kampfes in Akron (Ohio), Peoria (Illinois) und Deluth (Minnesota). Seine Begabung, öffentliche Reden zu halten, die sich zuerst auf der Highschool in einer Debatte über die Gesellschaft gezeigt hatte, beeindruckte St. John und andere. Cannon begann die Führungsqualitäten zu entfalten, die in der Kommunistischen Partei und später in der trotzkistischen Bewegung heranreifen sollten. Palmers detaillierte Behandlung von Cannons frühen Jahren, die auf Jahren geduldiger und gründlicher Recherche beruht, erweitert unser Wissen über diesen Mann erheblich.
Wie Palmer schreibt, bereitete die Hinwendung zum Syndikalismus und Sozialismus Cannon in seinem Privatleben Probleme. In der Highschool lernte er die fast sieben Jahre ältere Lista Makimson, eine seiner Lehrerinnen, kennen. Sie heirateten 1913, aber trotz ihrer gemeinsamen sozialistischen Überzeugungen kam es durch die Zwänge des Kampfes - insbesondere Cannons häufige lange Abwesenheit - zu Schwierigkeiten, die einige Jahre später zu einer Trennung in Freundschaft führten.
Den größten Einfluss auf Cannons Leben hatte die Russische Revolution von 1917. Sie bedeutete einen entscheidenden Wendepunkt für ihn. Durch die Oktoberrevolution, die den ersten Arbeiterstaat der Welt hervorbrachte, kristallisierten sich bei Cannon wachsende Zweifel über die beschränkten Perspektiven des IWW-Syndikalismus heraus. Er ging in den linken Flügel der Sozialistischen Partei zurück, nahm an dessen Versammlung (National Left Wing Convention) im Juni 1919 teil und trat später in diesem Jahr in die neu gegründete Kommunistische Arbeitspartei ein - eine von drei rivalisierenden Parteien, die in dieser turbulenten Periode gegründet wurden.
Es gibt zwei entgegengesetzte Schulen in der Geschichtsschreibung über den amerikanischen Kommunismus. Die eine sieht in der Kommunistischen Partei ein willfähriges Instrument der Moskauer Vorherrschaft, das zwangsläufig dem amerikanischen Lebensstil fremd ist. Die andere Schule, die im Allgemeinen mit der sogenannten Neuen Linken in Verbindung gebracht wird, hat sich bemüht, die natürlichen Wurzeln des amerikanischen Kommunismus und dessen positive politische Rolle beim Kampf um Reformen - insbesondere im Volksfront-Bündnis mit dem amerikanischen Liberalismus und der Demokratischen Partei während der Jahre des New Deal und im Zweiten Weltkrieg - zu betonen.
Beide Schulen stimmen in der entscheidenden Frage überein - dass der revolutionäre Marxismus in den USA nicht Fuß fassen konnte. Die Antikommunisten sehen das ganze Projekt des Aufbaus einer internationalen revolutionären Partei als fruchtlose oder gar gefährliche Utopie an. Diese Auffassung hat sogar das gewissenhafte Werk von Theodore Draper beeinflusst, dessen zweibändige Geschichte "The Roots of American Communism" (Die Wurzeln des amerikanischen Kommunismus) und "American Communism and Soviet Russia" (Amerikanischer Kommunismus und Sowjetrussland) so viel von der oben erwähnten Korrespondenz mit Cannon profitiert hat. Die Neue Linke stimmt dem im Wesentlichen zu und behauptet, die amerikanischen Kommunisten seien durch den Einfluss aus Moskau auf Abwege geraten und hätten stattdessen den nationalen Reformismus ohne die Bevormundung durch die Sowjetunion mit offenen Armen begrüßen sollen.
Palmer lehnt beide Herangehensweisen ab. Er besteht korrekterweise darauf, das erste Jahrzehnt der Kommunistischen Partei der USA als eigenständige Bewegung sich selbst aufopfernder und ergebener Revolutionäre zu betrachten - die auf internationale Entwicklungen und insbesondere das Schicksal der russischen Revolution und der Kommunistischen Internationale reagiert haben.
Weit davon entfernt, ein rein nationales Ereignis zu sein, war die Revolution in Russland vielmehr das Ergebnis der Krise des Weltkapitalismus, der an der schwächsten Stelle zerbrach, als die Bolschewiki die Macht ergriffen. Der Klassenkampf und die politische Krise, die in den imperialistischen Krieg mündete, fanden auch in den USA einen dramatischen Ausdruck. Wie Palmer berichtet, verdoppelte sich die Zahl der Streiks in der Periode von 1916 bis 1921 im Vergleich zu den früheren Jahren. Die Russische Revolution hat lediglich die Radikalisierung verschärft, die bereits im Gange war. In den Jahren 1918 und 1919 gab es den großen Stahlstreik, Verkehrsarbeiterstreiks in Chicago, Denver und andernorts, den berühmten Generalstreik in Seattle und andere Kämpfe.
Cannon war aktiv an dieser Bewegung beteiligt, sowohl an den ausbrechenden Klassenkämpfen als auch an den Bestrebungen, eine revolutionäre Massenpartei der Arbeitklasse aufzubauen.
Der Aufschwung des Klassenkampfes fiel in eine Zeit, in der eine brutale Regierung politische Radikale und eingewanderte Arbeiter unterdrückte. Tausende wurden im Zuge der Palmerschen Razzien in den Jahren 1919 bis 1920 eingesperrt oder deportiert - die Antwort der regierenden Klasse in den USA auf die Bedrohung durch revolutionäre Ideen und Organisationen.
Die neu organisierten amerikanischen Kommunisten sahen sich mit enormen Schwierigkeiten, einschließlich der Inhaftierung vieler ihrer Anführer und Mitglieder, konfrontiert. Cannon selbst wurde im Zusammenhang mit einem Aufstand von Bergarbeitern im Jahr 1920 in Kansas 60 Tage lang eingesperrt.
Diese Umstände zwangen Revolutionäre dazu, auch illegale Methoden zu benutzen, aber Cannon und andere kämpften erbittert gegen ultralinke Tendenzen, die "Illegalität zum Prinzip" erhoben. Aber noch lange nachdem eine legale Organisation schon möglich war, beharrten diese Sektierer, die die Führung der großen, Verbände der frisch eingewanderten Arbeiter dominierten, auf Methoden, die es der neuen Bewegung praktisch unmöglich machten, breitere Schichten der einheimischen Arbeiter zu erreichen.
In dieser Zeit spielte Cannon eine führende Rolle bei den umständlichen Bemühungen, die zersplitterten amerikanischen Anhänger der neu geformten Kommunistischen Internationale zu vereinigen. Er gehörte zu den Unermüdlichsten, die die doppelte Aufgabe bewältigen mussten, die Bewegung zu legalisieren und zu amerikanisieren. Die anderssprachigen Führer, wenngleich sie die neue Bewegung finanziell und durch Propaganda unterstützten, verfolgten ihren eigenen engstirnigen Nationalismus. Sie schätzen das revolutionäre Potential der amerikanischen Arbeiterklasse gering und sahen nicht die Notwendigkeit, die Bewegung auch in dieser Schicht zu verankern.
Cannon leitete im Dezember 1921 den Kongress, der die Workers Party als legales und lebendiges Sprachrohr des amerikanischen Kommunismus etablierte. Dem folgte allerdings ein weiteres Jahr, in dem die "Untergründler" fortfuhren, die Unterordnung der legalen Partei unter die illegale Organisation zu betreiben. Cannon verbrachte 1922 als Delegierter der Kommunistischen Internationale viel Zeit in Moskau. Dieser Aufenthalt fand seinen Höhepunkt in der historischen Besprechung mit Trotzki, die Cannon und Max Bedacht arrangierten. Trotzki erklärte nach diesem Treffen sehr schnell, dass er mit dem Vorschlag einverstanden war, die amerikanische Partei vollständig zu legalisieren.
Der Kongress von 1922 war indessen die letzte internationale Zusammenkunft einer intakten Komintern. Ihm folgte Lenins lange Erkrankung und sein Tod im Januar 1924. Die Gelegenheit für eine Revolution in Deutschland wurde 1923 verpasst, und innerhalb der UdSSR war der Prozess in vollem Gang, in dessen Verlauf die wachsende sowjetische Bürokratie die bolschewistische Partei und die Kommunistische Internationale erdrosselte.
Palmer leistet eine bewundernswerte Arbeit, indem er die recht schwindelerregenden Drehungen und Wendungen der Bewegung in dieser Zeit verfolgt. Dem Durchbruch für die vollständige Legalisierung auf dem Vierten Kongress der Kommunistischen Internationale folgten fast unmittelbar neue Komplikationen und Probleme für die junge Bewegung. John Pepper, ein aus Ungarn stammender Abgesandter der Komintern, entpuppte sich als zerstörerische Kraft in der Führung der amerikanischen KP. Pepper wird vor allem mit einem Abenteuer im Jahr 1923 in Verbindung gebracht: Die Kommunistische Partei, in der damals Elemente von Opportunismus und Abenteurertum den Ton angaben, unterstützte auf einer Konferenz in Chicago die Gründung einer nicht lebensfähigen Partei der Landarbeiter. Zu dieser Zeit bildete sich innerhalb der Partei der Cannon-Foster [William Z. Foster] Block. Fraktionelle Auseinandersetzungen in ihr wurden immer mehr zur Norm. Dazu kamen die prinzipienlosen und bösartigen Interventionen der zunehmend stalinisierten Komintern, deren Ziel nicht länger die Entwicklung einer mündigen revolutionären Führung war, sondern vielmehr die Einsetzung von "Ja-Sagern", die ihre Position Moskau verdankten, und von denen man erwarten konnte, dass sie den Anordnungen gehorchten, die mit den Interessen der expandierenden stalinistischen Bürokratie übereinstimmten.
Die berüchtigte Paritäts-Kommission von 1925, durch welche der stalinistische Agent Sergej Gusev die Ruthenberg-Lovestone-Führung in der amerikanischen Partei installierte, obwohl diese durch keine Wahl durch die Mehrheit der Mitglieder legitimiert war, führte zu Cannons Bruch mit Foster. In der Folge wendete sich Cannon der Arbeit in der "Labor-defense"-Organisation zu und gründete die "International Labor Defense" [ILD].(8)
Unter Cannons Führung spielte die ILD eine heldenhafte und historische Rolle bei dem erfolglosen Kampf, Sacco und Vanzetti vor der Exekution zu bewahren. Der Arbeit der 1925 gegründeten ILD ist ein gesamtes Kapitel in Palmers Bericht gewidmet. Es gehört zu den eindrucksvollsten Schilderungen jener Periode und Cannons Rolle.
Wie Palmer erklärt, brachte die ILD "das Beste aus Cannon heraus". Wegen ihrer Kampagne für Sacco und Vanzetti ist sie international bekannt geworden. Sie hatte aber laut Palmer auch "der gegen Arbeiter gerichteten Gesetzgebung und willkürlichen Gerichtsentscheidungen gegen Arbeiter den Kampf angesagt. Sie hat rechtlichen Beistand bereitgestellt, für Arbeiter, die einen Prozess und eine Strafe zu erwarten hatten. Sie hat die Arbeiterbewegung und eine größere Öffentlichkeit über das Ausmaß der Klassenverfolgung in den USA unterrichtet und sich der Bildung einer Einheitsfront und dem Aufbau der Solidarität aller Verteidigungsorganisationen gewidmet. Wiederholt ist sie gegen rassistische Brutalität und Lynchakte eingeschritten und hat das von der Komintern angeregte Projekt fortgeführt, den Charakter des Weißen Terrors in anderen kapitalistischen Ländern zu entlarven."
Cannon machte Fehler während der Jahre des ständigen Fraktionalismus innerhalb der KP. "Als ich nach neun Jahren aus der KP austrat, war ich ein erstklassiger fraktionalistischer Strolch", erklärte er später. Aber Cannon tauchte wieder auf und überlebte als Revolutionär. Das lässt sich dadurch erklären, dass er trotz seiner Fehler in den grundlegenden programmatischen Fragen niemals schwankte, die ihn zur revolutionären Bewegung gebracht hatten. Er war ein Internationalist, der erkannte, dass wahrer Internationalismus einen Kampf erfordert, die marxistische Theorie und die Praxis zu vereinen, damit sozialistische Prinzipien und Ansichten in den aktuellen Kämpfen der amerikanischen Arbeiterklasse lebendig sein können. Während die anderen KP-Führer einerseits zu sektiererischer Abstinenz tendierten und andererseits zu Engstirnigkeit, Provinzialismus und opportunistischen Manövern, versuchte Cannon von den Führern der Russischen Revolution wirklich zu lernen.
Als die stalinistische Komintern mehr und mehr die Schwäche der amerikanischen Kommunisten auszubeuten versuchte, wurde es Cannon unbehaglich und er bemühte sich, wenn auch etwas verwirrt, einen Weg heraus aus dem wachsenden Morast des Fraktionalismus zu finden - zum Teil, indem er sich in die Arbeit für die "International Labor Defense" stürzte.
Cannon legte später eine Einschätzung der Periode der zügellosen fraktionellen Kämpfe in den 1920er Jahren vor, in der er im Unterschied zu den eigennützigen Berichten anderer versuchte, die Krise objektiv zu erklären und sich nicht von aller Verantwortung frei sprach. Die amerikanische KP sah sich, wie andere junge Parteien in aller Welt, mit einer Situation konfrontiert, in welcher der Weltkapitalismus eine temporäre Regstabilisierung erreicht hatte, während in der Sowjetunion eine wachsende konservative Stimmung von der Bürokratie in Partei und Staatsapparat ausgenutzt wurde. Diese Kombination erzeugte Orientierungslosigkeit und Entmutigung unter Parteimitgliedern, was den prinzipienlosen Streitereien in der Partei neue Nahrung gab.
Der Band endet mit den Nachwirkungen des Sechsten Kongresses der Komintern, an dem Cannon als Mitglied der amerikanischen Delegation teilnahm und wo er Trotzkis wirkungsvolle Kritik des Programmentwurfs der Kommunistischen Internationale (9) las. Das Dokument der Opposition traf Cannon nach Jahren einer offiziellen Diffamierungskampagne gegen Trotzki, den Co-Anführer der Russischen Revolution, wie ein Blitz. Er diskutierte es mit dem kanadischen Delegierten Maurice Spector, und es wurde bei seiner Rückkehr aus der Sowjetunion in die USA geschmuggelt. Dort führte er Diskussionen mit seiner Lebensgefährtin und Mit-Parteiführerin Rose Karsner sowie seinen engen Parteifreunden Max Shachtman und Martin Abern.
Einige Beobachter haben vermutet, Cannons Entscheidung, die Linke Opposition zu unterstützen, sei durch "Karrieredenken" motiviert worden, weil seine Fraktion durch die Manöver innerhalb der Partei an einem toten Punkt angelangt war. Palmer weist diese Schlussfolgerung zurück.
Wie er beweist, gab es vor dem Kongress 1928 eindeutige Zeichen für Cannons Unzufriedenheit mit den ständigen Parteistreitereien. Und Cannon erklärte später offen seine Rolle und Verantwortung. Palmer zitiert Cannon: "Der ungebundene Rebell, der ich einmal war, begann unmerklich, bequem in einen Drehstuhl zu passen und sich selbst in seinem Sitz durch kleine Manöver und Ausflüchte zu schützen und sich sogar einen gewissen Dünkel über seine geschickte Anpassung an dieses schäbige Spiel zu erlauben. Ich sah mich selbst zum ersten Mal als eine andere Person: als Revolutionär, der auf dem besten Weg war, ein Bürokrat zu werden. Dieses Bild war scheußlich und ich wendete mich mit Ekel davon ab." [Hervorhebung im Original].
Nachdem er auf schmerzliche aber entschiedene Weise mit einigen seiner langjährigen Mitarbeitern, insbesondere mit William F. Dunne, gebrochen hatte, wurden Cannon und eine Handvoll seiner Anhänger im Oktober 1928 ausgeschlossen. Dem Ausschluss folgten Gangsterangriffe durch stalinistische Schläger, die Diskussionen verhindern und potentiellen Unterstützern Angst machen sollten.
Trotz dieser schrecklichen Methoden war Cannon in der Lage, eine kleine aber wichtige Truppe von einigen hundert Anhängern in der neu gebildeten Kommunistischen Liga von Amerika zu versammeln. Die Anzahl sollte sich in den nächsten Jahren verdoppeln und eine bedeutende Rolle bei den explosiven Kämpfen der 1930er Jahre in den USA und beim Kampf um die Gründung der Vierten Internationale spielen.
Die umfangreiche Recherche, die in diesem Band verkörpert ist (die sich zum Teil in den 155 Seiten an Fußnoten befindet), lässt fast keinen Aspekt unerforscht. Der ausführliche Bericht über die fraktionalistischen Streitereien ist notwendig. Dennoch gibt es Teile, in denen die Masse von Details die wesentliche Entwicklung eher verschleiert und den Bericht etwas diffus werden lässt - wenn vor fraktionalistischen Bäumen sozusagen der Wald der historischen Perspektive nicht mehr zu sehen ist.
Da die amerikanischen Parteiführer den internationalen Entwicklungen in dieser Zeit wenig Aufmerksamkeit schenkten, ist es verständlich, dass Palmer bei seiner Forschung auf wenig Details gestoßen ist, die diesen Aspekt behandeln. Trotzdem sind diese Entwicklungen entscheidend, um zu verstehen, was innerhalb der amerikanischen KP geschah.
Die Darstellung wäre stärker geworden, wenn ein paar Diskussionen über die theoretischen Auseinandersetzungen, die innerhalb der bolschewistischen Partei stattfanden, etwas früher in diesem Band integriert worden wären, als erst in dem Kapitel, das den Sechsten Kongress der Komintern behandelt. Selbst eine kurze Diskussion des Kampfs der Linken Opposition in Bezug auf Deutschland, England und China hätte zum Beispiel besser die Wurzeln der Desorientierung gezeigt, unter der die amerikanischen Kommunisten litten.
Doch das sind kleinere Schwächen. Cannon wird auf diesen Seiten als eine lebendige, wenn auch eine widersprüchliche und in mancher Hinsicht etwas rätselhafte Persönlichkeit gezeigt. Er war ein Autodidakt, der nicht nur früh seine Fähigkeiten unter Beweis stellte, mit anderen zusammenzuarbeiten, wodurch er sehr bekannt wurde, sondern auch ein begabter Redner mit schriftstellerischen Qualitäten, die einen großen Teil seines revolutionären Vermächtnisses ausmachen.
Cannon hatte etwas, das sogar seine späteren politischen Gegner als ein untrügliches "Gespür" für das Proletariat bezeichneten, doch er schrieb auch, wie Palmer berichtet, im Stillen in den 1950er Jahren Autobiographisches, und er war sehr wohl in der Lage, mit halb-bohemehaften Intellektuellen, Autoren und Dichtern wie Max Eastman zusammen zu arbeiten.
Cannon, der sich und seine Mitdenker einmal als "Wobblies [Mitglieder der IWW], die etwas gelernt haben" beschrieb, verkörperte und übertraf das, was durch solche Gestalten wie Debs und Haywood erreicht worden war. In seiner Persönlichkeit sind die revolutionären Traditionen und das Potential der amerikanischen Arbeiterklasse ausgedrückt, und er artikulierte das in seinen Worten und Schriften auf eine Art und Weise, wie es seine Zeitgenossen nicht konnten.
William Z. Foster, mit seinem Gewerkschafts-Fetischismus, und Jay Lovestone, der vollendete kleinbürgerliche Manöverist und Parteigeist, entwickelten sich im Fall Fosters zu dem hoffnungslos kompromittierten stalinistischen Funktionär und, was Lovestone betrifft, zu einem unverfrorenen Verteidiger des amerikanischen Imperialismus und Berater der CIA. Cannon hinterlässt ein völlig anderes und ungleich bedeutenderes Vermächtnis.
Der zweite Band dieser Biographie wird die schwierige Aufgabe bewältigen müssen, die letzten 40 Jahre von Cannons langem Leben zusammenzufassen. Dies betrifft eine Zeit, die neben anderen Entwicklungen den Generalstreik in Minneapolis umfasst, der unter Führung der amerikanischen trotzkistischen Partei stattfand; die Gründung der Sozialistischen Partei und der Vierten Internationale; die Verurteilung von Cannon und anderen Anführern der SWP auf Grundlage der Smith Act ; und Cannons Rolle 1953 bei der Herausgabe des offenen Briefes an die weltweite trotzkistische Bewegung, der das Internationale Komitee der Vierten Internationalen gründete.
Es bleibt abzuwarten, wie Bryan Palmer mit den fundamentalen Problemen - des Programms und der Perspektive - umgeht, denen sich die trotzkistische Bewegung gegenüber sah. Vom ersten Teil dieser Biographie aus beurteilt, ist sein Zugang seriös und aufrichtig und man freut sich auf dieser Basis auf seinen nächsten und abschließenden Band über Cannons Leben.
Anmerkungen
1) William Edward Foster(geb. 25. Februar 1881 in Taunton, Massachusetts; gest. 1. September 1961) war der langjährige Generalsekretär der Kommunistischen Partei der USA (KPUSA) und Gewerkschaftsführer.
2) Earl Russell Browder(geb. 20. Mai 1891; gest. 27. Juni 1973) war ein Gegner des Eingreifens der USA in den Ersten Weltkrieg, später trat er der KPUSA bei und war ihr Generalsekretär von 1930 bis 1945. 1946 wurde er aus der KP ausgeschlossen.
3) Eugene V. Debs(geb. 1855, gest. 1926) gehörte zu den berühmtesten sozialistischen Vertretern der amerikanischen Arbeiterbewegung. Er wurde fünfmal für die Sozialistische Partei zum Präsidentschaftskandidaten aufgestellt und wegen seiner Gegnerschaft gegen den Ersten Weltkrieg zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
4) Big Bill Haywood(eigentlich William Dudley Haywood) (geb. 4. Februar 1869, gest. 18. Mai 1928) war eine legendäre Persönlichkeit der radikalen US-amerikanischen Gewerkschaftsbewegung. Er war Funktionär der Bergarbeitergewerkschaft Western Federation of Miners (WFM) und später Gründungsmitglied und Organisator der Industrial Workers of the World . An zahlreichen Arbeiterkämpfen war er beteiligt und wurde mehrfach staatlich verfolgt.
5) Haymarket Märtyrer: Im Mai 1886 kam es auf dem Haymarket in Chicago bei einer Arbeiterdemonstration für den Acht-Stunden-Tag zur Provokation eines Bombenwerfers, bei der die Polizei in die Menge schoss. Acht Arbeiter wurden daraufhin angeklagt und vier zum Tode verurteilt und gehängt. Einer starb in der Zelle, drei erhielten lebenslänglich und wurden später begnadigt. Wegen dieses Einsatzes für den Achtstundentag und der Hinrichtung dieser "Haymarket Märtyrer" wurde auf Vorschlag von Friedrich Engels - der Arbeiterfeiertag "Erster Mai" - eingerichtet.
6) Charles Moyer, war Präsident der Bergarbeitergewerkschaft Federation of Miners
7) Vincent Saint John(1876 - 1929) war einer der Führer der Industrial Workers of the World
8) International Labor Defense war eine legale Organisation zur Verteidigung verfolgter Arbeiter,
9) Leo Trotzki: Die Dritte Internationale nach Lenin, Arbeiterpresse Verlag, Essen 1993