Am 15. März haben die Staatschefs Russlands, Griechenlands und Bulgariens ein Kooperationsabkommen über den Bau und die kommerzielle Verwertung einer Ölpipeline von Burgas in Bulgarien nach Alexandroupolis in Griechenland unterzeichnet. Die Pipeline wird den bulgarischen Hafen am Schwarzen Meer mit dem griechischen Hafen an der Ägäis verbinden und damit eine Transportroute für russisches Öl ans Mittelmeer schaffen, die die Türkei und die von der Türkei kontrollierte Meerenge am Bosporus umgeht.
Russland hat diesen Plan schon 1994 vorgeschlagen, er wurde seit der Machtübernahme Präsident Wladimir Putins jedoch zu dessen persönlichem Projekt.
Der Bau hat sich bis heute verzögert, weil die drei Seiten sich nicht über ihre jeweiligen Anteile einigen konnten. Russland hatte darauf bestanden, eine Mehrheitsbeteiligung zu behalten, während Griechenland und Bulgarien an gleichen Anteilen für alle drei Seiten festhielten.
Seit letztem Herbst hat Russland seine Bemühungen verdoppelt. Putin stattete Athen im September 2006 einen Besuch ab. Auch Premierminister Michail Fradkow fuhr nach Griechenland. Das Ergebnis war, dass Bulgarien und Griechenland sich mit den Bedingungen Russlands einverstanden erklärten. 51 Prozent des Kapitals der Betreibergesellschaft TransBalkan, bestehend aus Gazprom, Rosneft und Transneft, werden Russland gehören. Athen und Sofia werden jeweils über 24,5 Prozent verfügen.
Die russische Seite wird obendrein die Infrastruktur des Projekts kontrollieren, d.h. die Pumpstationen, die Lager, die Ladebühnen und die Häfen.
Das Abkommen, das von Putin sowie dem griechischen und bulgarischen Premierminister Costas Karamanlis und Sergei Stanischew unterzeichnet wurde, sieht eine Pipeline von 280 Kilometern vor, die pro Jahr 35 Millionen Tonnen Öl transportieren soll, mit einer zukünftigen Steigerung auf 50 Millionen Tonnen. Das Projekt soll planmäßig 2010 fertig werden und wird ca. eine Milliarde Euro kosten.
Das komplizierte Projekt sieht vor, dass das russische Öl mit Tankern über das Schwarze Meer von Noworossijsk und Tuapse in Russland nach Burgas in Bulgarien transportiert wird. Dann fließt das Öl durch die neue Pipeline nach Alexandroupolis und wird dann auf griechischen Tankern weiter geleitet und an die Kunden verteilt.
Die TransBalkan-Pipeline entspricht den geopolitischen Interessen des Kremls. Die kremlfreundliche Rossijskaja Gazeta erklärt, Moskau werde mit der Pipeline "einen,verstärkten’ Zugang zu den Energiemärkten Südeuropas bekommen, was wiederum der Umschlagplatz für weitere Lieferungen nach Westeuropa wäre. Zusätzlich könnte Russland eine beträchtliche Menge Geld sparen, da es zurzeit an die Ukraine Geld bezahlt, um Benzin durch ukrainisches Gebiet zu leiten."
Die beiden anderen Partner haben ebenfalls beträchtliche Vorteile. Griechenland und Bulgarien sichern sich damit die Position einer Durchgangsstation für den Transport der gewaltigen Energieressourcen aus Sibirien, Zentralasien und dem kaspischen Becken nach Europa und werden beträchtliche Transitgebühren kassieren.
Der Kampf um geopolitischen Einfluss
Die Partner dieses Abkommens versuchen, es als objektiv nützlich und profitabel für alle Abnehmer von Energierohstoffen hinzustellen.
Der griechische Premierminister Costas Karamanlis erklärte: "Griechenland und Bulgarien sind auf der Weltkarte der Energiereserven aufgetaucht", und fügte hinzu, die Durchführung des Projekts werde "die Entwicklung der internationalen Energiemärkte voranbringen und den Zugang zu Öl erleichtern, zu einer Zeit, in der Energie zum vorrangigen Problem der Welt wird".
Putin seinerseits erklärte in Athen: "Der gesamte Weltenergiemarkt ist am Erfolg dieses Projekts interessiert."
Diese und ähnliche Erklärungen sind Versuche, das Abkommen in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. In Wirklichkeit ist dieses Projekt weit davon entfernt, ein vernünftiger Weg zur Entwicklung der Infrastruktur der Weltenergie zu sein. Es ist vielmehr eine Eskalation im Kampf um geopolitischen Einfluss. In diesem Kampf stehen die räuberischen Interessen der herrschenden Eliten konkurrierender Mächte an erster Stelle. Durch den Bau der Burgas-Alexandroupolis-Pipeline versucht Russland, die eine oder andere Machtposition zurück zu gewinnen, die es im Verlauf der 1990er Jahre eingebüßt hat.
Lange Zeit war die US-Regierung in der Lage, den Plan zu vereiteln. Einen Tag vor der Unterzeichnung des Projekts besuchte eine amerikanische Delegation unter Leitung des stellvertretenden Außenministers für europäische und eurasische Angelegenheiten, Matthew Bryza, Athen. Es war der letzte Versuch der USA, das Projekt abzuwürgen.
Nach der Unterzeichnungszeremonie erklärte Premierminister Karamanlis: "Ich sehe nicht, warum dieses Projekt mit irgendjemand anderem diskutiert werden sollte. Wir haben gute Beziehungen und eine gute Zusammenarbeit mit Russland, wir haben gute Beziehungen und eine gute Zusammenarbeit mit den USA."
Aus ökonomischer Sicht ist das Projekt nicht sehr vernünftig. Laut Wirtschaftsprofessor Alexej Khaitun vom Zentrum für europäische Energiepolitik und von der Russischen Akademie der Wissenschaften ist das Projekt "nicht sehr effektiv". In einem Artikel in der Nezawisimaja Gazeta vom 13. März 2007 führt er diese Idee weiter aus: "Es müssen kleine Küstentankschiffe in Noworossijsk und Tuapse beladen werden, die dann in Burgas entladen werden; alle drei Häfen sind relativ flach. Es ist ökonomisch effektiver, das kaspische Öl nach Europa zu befördern, indem man den Weg über Georgien und die Türkei zum Mittelmeer nimmt, durch die großen Pipelines von Baku nach Ceyhan. Diese Route ist anderthalb Mal kürzer als die von Tjumen aus und viel effektiver als die traditionellen Pipelines durch Russland und die Ukraine."
Die Baku-Tbilisi-Ceyhan-Pipeline wurde mit amerikanischer Hilfe gebaut. Mit ihr sollte ein Korridor für den Energietransport geschaffen werden, der Russland umgeht und dadurch Russlands Einfluss im kaspischen Becken und in Zentralasien schwächt.
Die Pipeline wurde letztes Jahr in Betrieb genommen. Damit sie jedoch profitabel wird, müsste Öl aus anderen Quellen als nur aus Baku eingeleitet werden. Um Profite zu machen, müsste Öl aus Kasachstan, vielleicht auch aus Usbekistan und Turkmenistan, hinzukommen. Die gesamten nachgewiesenen Ölreserven in der kaspischen Region (Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan) belaufen sich laut Schätzungen auf 15 Milliarden Tonnen, und der Export aus diesen Ländern könnte im Jahr 2010 130 bis 150 Millionen Tonnen erreichen.
Würde auch Astana (die Hauptstadt von Kasachstan) die Route für seinen Ölexport von dem heutigen russischen Korridor auf die Baku-Ceyhan-Pipeline verlegen, dann würde dies zu gewaltigen politischen und ökonomischen Veränderungen in dem riesigen Gebiet des Kaukasus, des Kaspischen Meers und Zentralasiens führen und den Einfluss der Vereinigten Staaten in erheblichem Maße stärken.
Russland und, in geringerem Ausmaß, China und Europa versuchen das zu verhindern. Die Europäische Union unterstützt auf der einen Seite Russlands Interessen in der Region gegen die USA, auf der anderen Seite versucht sie, ihre eigene Einflusssphäre zu festigen. So wurde gegen Ende 2006 in Astana ein vages Abkommen zwischen der europäischen Union und den Staaten der Region um das kaspische und schwarze Meer unterzeichnet, in dem es um die zukünftige Zusammenarbeit auf dem Energiesektor geht. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Schaffung eines gemeinsamen Energiemarkts, der an die Interessen der europäischen Konsumenten gebunden ist.
Diese Bestrebungen halten sich im Rahmen der so genannten "Europäischen Initiative für Zentralasien". Diese Initiative war das Thema des Berichts von Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf dem Januar-Treffen des Ständigen Rats der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.
Der Bau der Burgas-Alexandroupolis-Pipeline ist ein Bestandteil der Strategie, die von Putin gegen Ende 2005 verkündet wurde, Russland zu einer "Energie-Supermacht" zu machen. Diese Doktrin setzt voraus, dass Russlands Öl- und Gas-Exporte auf den Weltmarkt benutzt werden, um seinen geopolitischen Einfluss zu vergrößern. Das beinhaltet nicht nur die Kontrolle über die Öl- und Gas-Pipelines vom Inneren des eurasischen Kontinents nach Europa, sondern auch den Kauf von Anteilen an den Öl- und Gas- Versorgungsbetrieben sowie den größten Energiekonzernen der Welt - hauptsächlich europäischen - durch russische Unternehmen.
Anfang 2006 stoppte Russland für einige Tage die Gasversorgung durch die Ukraine. Damit versetzte es die Länder der Europäischen Union in Schock und Wut. Ein Jahr später kam es zu einem ähnlichen Zwischenfall, wenn auch ohne einen tatsächlichen Stopp der Gasversorgung, in Bezug auf Weißrussland.
Im Herbst 2005 wurde ein Plan angekündigt, eine nordeuropäische Erdgas-Pipeline zu bauen, die es ermöglicht, Gas auf dem Grund der Ostsee von Russland nach Deutschland zu befördern und so die gegenwärtigen Transitländer zu umgehen. Die Bedeutung dieses Projekts für die deutsche herrschende Elite wird dadurch hervorgehoben, dass der frühere deutsche Kanzler Gerhard Schröder (SPD) an der Spitze der Betreibergesellschaft steht.
Im Herbst 2006 begann die staatliche Ölgesellschaft Transneft mit dem Bau einer 4700 Kilometer langen Pipeline von den Ölfeldern um Tajshed, westlich vom Baikal-See, zum Hafen von Nachodka am Pazifik. Die Pläne sehen vor, dass der Bau 2012 beendet ist und die Pipeline eine Kapazität von 80 Millionen Tonnen Rohöl haben soll, womit Russland 6,5 Prozent des ostasiatischen und pazifischen Ölmarkts abdecken würde.
Russland steht jetzt international an zweiter Stelle nach Saudi-Arabien bei der Förderung und dem Export von Öl und kontrolliert obendrein ein Drittel der Erdgasreserven, mehr als jedes andere Land.
Europa ist in seiner Energieversorgung in hohem Maße von Russland abhängig. Russland liefert 40 Prozent des Erdgas- und ein Drittel des Ölbedarfs in Europa.
Die wirtschaftliche Grundlage für Russlands neue geopolitische Ambitionen ist sein gewaltiger Außenhandelsüberschuss, der in den letzten Jahren auf etwa 100 Milliarden US-Dollar jährlich gestiegen ist. Die Ansammlung von "Ölgeld" hat es dem Staat ermöglicht, seine Goldreserven auf etwa 300 Milliarden Dollar zu erhöhen, während sie unter Jeltsin auf 20 Milliarden Dollar und sogar darunter gesunken waren. Gleichzeitig steckt die russische Regierung einiges von den Ersparnissen in den so genannten Stabilisierungsfonds, der jetzt über 100 Milliarden Dollar enthält.
Obendrein gibt es einen wichtigen politischen Grund für das relative Erstarken der Rolle Russlands. Er hängt mit dem Anwachsen der Widersprüche und Spannungen zwischen den führenden Zentren des Weltimperialismus zusammen. Die Militärinterventionen der USA und die Besetzungen des Iraks und Afghanistans haben wachsende Befürchtungen unter den führenden Mitgliedern der Europäischen Union hervorgerufen, die Vereinigten Staaten könnten die Kontrolle über die Öl- und Erdgasförderung und den Transport aus dem Nahen Ostens und Zentralasien übernehmen. Eine solche physische Kontrolle würde zur amerikanischen Waffe, um den europäischen herrschenden Eliten Amerikas Interessen aufzuzwingen.
Die Versuche der westeuropäischen Staaten, den Hegemonieplänen Washingtons entgegenzuwirken, wie auch die wachsende Rolle Chinas und Indiens haben es dem Kreml erlaubt, diese geopolitischen Widersprüche erfolgreich für die eigenen Interessen zu nutzen. Es wäre naiv zu glauben, dass diese jüngsten Erfolge auf einer sicheren Grundlage stehen.
In erster Linie haben 15 Jahre russischer, postsowjetischer Geschichte zu einem anhaltenden Verfall seiner wirtschaftlichen, industriellen und technologischen Infrastruktur geführt. Diese gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise zeigte sich besonders deutlich an mehreren Flugzeugabstürzen, Bergwerksunglücken und Großbränden, die Hunderte von Menschenleben forderten. Trotz seiner wachsenden Goldreserven ist Russland wirtschaftlich und industriell schwächer als vor 15 Jahren.
Die "Energie-Supermacht"-Ambitionen der russischen Elite stehen im Widerspruch zu den elementarsten Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit des Landes. Insgesamt nimmt die Energieerzeugung in Russland nicht zu. Die verarmte Bevölkerung kann es sich nicht leisten, Marktpreise für Energie zu zahlen - ob Elektrizität, Kohle, Erdgas oder Öl. Ein immer größerer Anteil der Energiereichtümer des Landes wird auf den Export ins Ausland umgeleitet, während die nationale Industrie schrumpft und die Bevölkerung vor Kälte zittert. Während das Regime plant, zur "Energie-Supermacht" aufzusteigen, sinkt der Verbrauch, da die Arbeiterklasse friert und hungert.
Andererseits hat der amerikanische Imperialismus seine Pläne für eine Hegemonie über Eurasien nicht aufgegeben. Die augenblickliche Situation in diesem riesigen geografischen Raum - der sich von der Ostsee bis zum Indischen Ozean und vom Mittelmeer bis zum Pazifik erstreckt - weist eine endlose Reihe von komplexen Rivalitäten und Konflikten auf, die in jedem Augenblick in Flammen und in offene militärische Konfrontationen ausbrechen können. Diese Trends und Tendenzen schließen eine friedliche und gutnachbarschaftliche Koexistenz der Länder in dieser Region aus.
Wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit auf dem eurasischen Kontinent ist heute und in der Zukunft eine Notwendigkeit. Sie kann aber nur erreicht werden, wenn das System überwunden wird, das auf Profit und auf der Aufteilung der Welt in Nationalstaaten basiert. Der Frieden in der Region und die vernünftige Nutzung der natürlichen Reichtümer im Interesse der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung ist nur auf der Grundlage des Kampfs für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa und Asien möglich.