Im Schatten der offiziellen Debatte rüsten sich US-Truppen zum Angriff auf Irak

Während das Thema, wann und wie - und nicht ob - Krieg gegen den Irak geführt werden soll, die amerikanischen Presse beherrscht, treibt das US-Militär die technischen und logistischen Vorbereitungen für eine Invasion und Besetzung des Landes unberührt voran.

Das Weiße Haus und das Pentagon betonen immer wieder, dass noch keine endgültige Entscheidung über einen Krieg zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein gefällt sei. Aber die tatsächlich getroffenen praktischen Vorbereitungen strafen diese Behauptungen Lügen und demonstrieren, dass der Krieg gegen den Irak nur noch eine Frage der Zeit ist.

Mehr als 100.000 amerikanische und britische Soldaten sind bereits in der Region rund um das arabische Land stationiert. Laut einer Reihe von amerikanischen Presseberichten sind das um einiges mehr, als das jüngst vom Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, General Tommy Franks, ins Gespräch gebrachten Szenario vorsieht, das von dem für die USA günstigsten Fall ausgeht.

Berichten zufolge hat General Franks Präsident Bush Anfang August im Weißen Haus Pläne erläutert, den Irak mit 50.000 bis 80.000 Mann anzugreifen, eine Streitmacht, die in nur zwei Wochen mobilisiert werden könnte. Im Mai war das Oberkommando noch vom schlimmsten Fall ausgegangen und hatte deshalb mit 250.000 Soldaten und einer Aufmarschzeit von drei Monaten gerechnet.

Ein Großteil der amerikanischen Truppenstationierungen sind neu und werden von Washington nach außen mit dem "Krieg gegen den Terrorismus" gerechtfertigt. Die größten Kontingente amerikanischer und britischer Truppen bedrohen jedoch den Irak, nicht die Al-Quaida. Dies gilt für die 37.000 US-Soldaten in der Golfregion - das sind 12.000 mehr als im März - und die 27.000 britische Soldaten - 7.000 mehr als zuvor. Der schnellste Aufmarsch der USA findet in der Türkei statt, wo die US-Truppen Ende Juli von 7.000 auf 25.000 Mann aufgestockt worden sind. In Jordanien befinden sich 6.400 US-Soldaten, von denen 4.000 letzte Woche zu gemeinsamen Manövern mit der jordanischen Armee eingetroffen sind.

Ein Diagramm mit der Position amerikanischer Streitkräfte im Mittleren Osten, Zentralasien und dem Horn von Afrika sieht einer Schlinge immer ähnlicher, die sich um Bagdad herum zusammenzieht. US-Soldaten, Matrosen und Luftwaffenpersonal sind mittlerweile in Pakistan, Afghanistan, Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan, Tadschikistan, Georgien, Aserbaidschan, Türkei, Israel, Jordanien, Ägypten, Kuwait, Saudi-Arabien, Katar, Bahrain, Oman, Jemen, Eritrea und Kenia stationiert, während Marineeinheiten im Persischen Golf, im Arabischen Meer, dem Roten und dem Mittelmeer kreuzen.

Luftangriffe der USA auf irakische Stellungen dauern an. Amerikanische und britische Kampfflugzeuge haben am 17. August Ziele im Südirak bombardiert; das war der zweite Angriff in dieser Woche und der 27. dieses Jahr in einer der beiden "Flugverbotszonen" im Nord- und Südirak, die 1991 ohne UN-Mandat von den USA und Großbritannien eingerichtet worden waren. Dem Oberkommando der irakischen Luftwaffe zufolge beschossen die Kampfflugzeuge öffentliche Gebäude und zivile Wohnhäuser in der Provinz Dhi-Quar, 400 km südlich von Bagdad.

Eliteeinheiten der "Special Forces" führen bereits Operationen auf irakischem Territorium durch. Seit Ende März sind US-Spezialeinheiten im Nordirak und haben dort begonnen, kurdische Milizen für den kommenden Krieg auszubilden, während türkische Spezialeinheiten in Gebiete mit großer turkmenischer Bevölkerung - nahe der ölreichen Städte Mosul und Kirkuk - eindrangen.

Amerikanische und türkische Bauingenieure kamen im Juni in die Region und begannen mit der Arbeit an der Verlängerung von Landebahnen, um auch größeren Kriegsflugzeugen Start und Landung zu ermöglichen. Laut der israelischen Nachrichtenagentur Debka.com bombardierten am 6. August amerikanische und britische Flugzeuge das irakische Kommandozentrum bei al-Nuchaib, das in der Wüste zwischen dem Zentralirak und der saudi-arabischen Grenze liegt. Dabei benutzten sie zum ersten Mal Präzisionsbomben, die fiberoptische Systeme orten und zerstören.

Am selben Tag überflogen US-Kampfflugzeuge in einer Demonstration der Stärke die irakische Hauptstadt, um zu zeigen, dass das Radarsystem, das Bagdad schützen sollte, in Kriegszeiten nicht funktioniert.

Am 8. August eskortierten laut Berichten der türkischen Presse Kampfflugzeuge der USA, Großbritanniens und der Türkei Hubschrauber mit türkischen Kommandos zur 80 km nördlich von Mosul gelegenen Stadt Bamerni im Nordirak, wo sie den Flughafen eroberten. US-Spezialeinheiten unterstützten die türkischen Truppen, die den Flughafen nach einem kurzen Kampf einnahmen. Die irakischen Verteidiger wurden niedergemetzelt. Die Besetzung von Bamerni ermöglicht es den amerikanisch-türkischen Truppen, nach Belieben die Eisenbahnlinie von Syrien nach Irak zu unterbrechen, eine entscheidende Versorgungslinie für Bagdad.

Am 19. August berichtete die New York Times, dass die US-Luftwaffe in der ganzen Golfregion Waffen, Munition und Ersatzteile hortet, und dass die Vorräte an präzisionsgelenkten Waffen, Bomben wie Raketen, die in Afghanistan zahlreich zum Einsatz kamen, im Herbst wieder aufgefüllt sein werden.

Schon jetzt entspricht das Kriegsmaterial der USA in Kuwait und Quatar der Stärke von zwei gepanzerten Brigaden. Laut einem Sprecher des Oberkommandos gehören dazu 230 M1A1 Abrams Panzer, 120 M2A2 Bradley Kampffahrzeuge, 200 gepanzerte Truppentransporter, fünfzig Minenwerfer und vierzig 155-Millimeter-Haubitzen, dazu Munition und Verpflegung für dreißig Tage. Die für die Ausrüstung notwendigen 9.000 Soldaten könnten innerhalb von 96 Stunden in die Region eingeflogen werden. Ausrüstung für zwei weitere gepanzerte Brigaden befindet sich auf Schiffen im Persischen Golf.

Die Marine unterzeichnete kürzlich Verträge über zehn große Transportschiffe, die Panzer und anderes für einen Bodenkrieg gegen den Irak notwendiges schweres Gerät transportieren könnten. Zwei schnelle Landungsschiffe wurden gechartert, um Material zu einem unbekannten Hafen im Roten Meer zu bringen, wahrscheinlich in Saudi-Arabien. Das skandinavische Schifffahrtsunternehmen Maersk erhielt den Auftrag, noch acht weitere Landungsschiffe zu liefern, wobei der Vertrag ausdrücklich bestimmte, dass diese Schiffe "Fracht der US-Armee wie Munition und Fahrzeuge, beispielsweise M1A1 Panzer" aufnehmen und zu "vorgeschobenen Positionen" jenseits der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean bringen werden. Die Schiffe sollen dort warten, bis Befehle kommen, ihre Fracht ins Kriegsgebiet zu bringen.

Mitte August schloss das Pentagon sein bisher größtes militärisches Manöver ab, eine 250 Millionen Dollar teure Kriegssimulation, in der eine Invasion der USA in einem unbestimmten feindlichen Land am Persischen Golf (laut Presseberichten eine Kombination aus Irak und Iran) geprobt wurde. An dem Manöver mit dem Namen "Millennium Challenge 2002" (Herausforderung des Jahrtausends 2002) nahmen 13.500 Personen, Soldaten und Zivilisten, teil. Sie operierten in neun Gebieten unter dem Einsatz von scharfer Munition in den Vereinigten Staaten und in mehr als einem Dutzend Computersimulationen.

Nach Presseberichten über das Manöver erlitten die US-Streitkräfte erhebliche Verluste, weil sie in den Persischen Golf fuhren, ohne das Feuer zu eröffnen, und dadurch dem Feind erlaubten, zuerst anzugreifen. Als der Angriff kam, hatten die Kommandeure der "Roten" (Iran/Irak) den taktischen Vorteil des Überraschungsmoments auf ihrer Seite. Einige Presseberichte konzentrierten sich auf diesen Aspekt der Übung und betonten das Risiko hoher amerikanischer Verluste. Sie sagten allerdings nichts darüber, welche Schlussfolgerungen die Strategen im Pentagon wahrscheinlich ziehen würden: dass es nämlich in den engen Gewässern des Persischen Golfs besser wäre, einen Krieg mit einem Überraschungsangriff der USA anzufangen.

Es gibt noch weitere, eher indirekte Indizien, dass ein amerikanischer Krieg gegen den Irak in Wirklichkeit schon weit über das Planungsstadium für hypothetische Fälle hinaus vorbereitet ist. Amerikanische Ölgesellschaften haben in den letzten fünf Monaten aufgrund der kriegerischen Rhetorik aus Washington ihren Import irakischen Öls stark gesenkt. Die US-Importe sind von einer Million Barrel pro Tag im letzten März auf 100.000 bis 200.000 Barrel pro Tag gesunken. Im Jahr 2001 hatte der Irak noch einen Anteil von acht Prozent an den amerikanischen Ölimporten.

Presseberichte führen als Grund einen Streit zwischen US-Ölgesellschaften und der irakischen Regierung über Preise an. Die Washington Post kommentierte allerdings, dass der Rückzug aus dem Golf "auch den Willen ausdrücken könnte, sich für den Fall einer militärischen Operation der USA nach alternativen Ölquellen umzusehen".

Das US-Außenministerium hat private Hilfsorganisationen aufgefordert, sich um humanitäre Hilfsprojekte zu bewerben, die sich auf mehrere Millionen Dollar an Regierungsgeldern belaufen - und das in einem Land, das sich gegenwärtig unter einem Embargo der USA befindet, und wo amerikanisch-finanzierte Hilfsorganisationen größtenteils gar keinen Zugang haben. Wie ein Funktionäre einer humanitärer Hilfsorganisation gegenüber der Presse treffend bemerkte: "Es erscheint seltsam, dass ein Teil der Regierung bereit ist, 6,6 Millionen Dollar in ein Gebiet zu stecken, dass von unserem geschworenen Feind kontrolliert wird, während ein anderer Teil derselben Regierung sich anschickt, diesen Feind abzusetzen."

Die offensichtliche Schlussfolgerung ist, dass solche Verträge für die Zeit nach einer US-Invasion konzipiert sind, oder dass sie vielleicht in einem Territorium gelten sollen, das jetzt schon von Verbündeten der USA, wie z.B. den kurdischen Organisationen im Nordirak, kontrolliert wird.

Siehe auch:
Krieg der USA gegen den Irak rückt näher
(26. Juli 2002)
Washingtons Vorwand für eine Invasion im Irak
( 04. Juli 2002)
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