Der Aufstieg von Silvio Berlusconis Wahlbündnis "Haus der Freiheiten" in Italien bedeutet eine neue Qualität in der Entwicklung der europäischen Rechten. Sollte es die Wahl vom 13. Mai gewinnen, was zur Zeit als durchaus wahrscheinlich gilt, würde dies das politische Gesicht ganz Europas grundlegend verändern.
Das "Haus der Freiheiten" hat wenig Ähnlichkeit mit den konservativen und christdemokratischen Parteien, die einem großen Teil der Nachkriegsperiode ihren Stempel aufgedrückt haben. Mit einer Demokratie im herkömmlichen Sinne hätte Italien unter einer Regierung Berlusconi nur noch sehr entfernte Ähnlichkeit.
Forza Italia
Forza Italia, die stärkste Organisation im Bündnis, gleicht weniger einer Partei als einem kommerziellen Unternehmen. Sie ist ganz auf die Person Berlusconis ausgerichtet, der sie 1994 gegründet hat und seither autoritär führt und persönlich beherrscht.
Sie ist nach dem Vorbild der - wegen ihres Rassismus und Antisemitismus notorischen - italienischen Fußballfanclubs aufgebaut. Ortsverbände, Kongresse oder gar ein Programm gibt es nicht, stattdessen sogenannte "Klubs", die Fähnchen, Pins, Krawatten und Bildchen ihres Gurus in der Farbe der italienischen Trikolore verkaufen. Auch der Name Forza Italia ("Los Italien!") stammt aus der Welt des Fußballs, in der Berlusconi als Besitzer des Klubs AC Milan eine wichtige Rolle spielt, es ist der Schlachtruf der Fans der italienischen Nationalmannschaft
Forza Italia soll inzwischen 300.000 eingeschriebene Mitglieder haben, die 100 DM Beitrag im Jahr bezahlen (mehr als in jeder anderen Partei). Politisch haben sie aber nichts zu bestimmen. Politische Parolen, Erscheinungsbild und Auftreten der Organisation werden von Fachleuten festgelegt, die direkt aus den Werbeagenturen von Berlusconis Firmenimperium stammen.
Ein Artikel des Schweizer Tagesanzeigers hat vor kurzem geschildert, wie Forza Italia ihre Wahlkandidaten auswählt: "Für die Auswahl der Kandidaten - etwa für Provinz- und Regionalwahlen - stellt Berlusconi Headhunter und Berater aus großen Firmen an, die die Bewerber nach Produktivitätskriterien prüfen. Die Selektion übersteht nur, wer ein guter Verkäufer ist. Eine vorgängige politische Aktivität ist nicht erforderlich. Dann wird der Auserwählte den zehn Koordinatoren von Forza Italia vorgestellt, die dessen politische Eignung testen. Diese Etappe passiert, wer Loyalität verspricht. Bart- und Brillenträger haben beim Vorstellungsgespräch Nachteile. Das mag der Chef offenbar nicht.
Gehört man dazu, setzt die Arbeit der Zentrale ein, die der Demoskopen und Marketingstrategen am Römer Parteisitz. Sie bestimmen anhand von Meinungsumfragen die Wahlkampfthemen und verpassen den Kandidaten den richtigen Look. Der kann von Region zu Region verschieden variieren. Wer sich geschickt anstellt, sprich: viele Parteibüchlein unters Volk bringt und noch mehr Stimmen gewinnt, dem winken Prämien. Bei den letzten Regionalwahlen gehörten Studienreisen nach Berlin oder Madrid zu befreundeten Parteien dazu. Oder ein Saisonabonnement für die Heimspiele des AC Milan. Der Beste durfte einen Tag beim Cavaliere [Berlusconi] verbringen, in dessen Villa bei Mailand."
Um Berlusconi selbst wird ein Personenkult getrieben, der an die Praktiken totalitärer Regime erinnert. Er selbst hält sich für einzigartig. "Es gibt niemand auf der internationalen Szene", sagte er im vergangenen Sommer, "der sich anmaßen kann, sich mit mir zu vergleichen. Meine Größe steht außer Zweifel, meine humane Substanz, meine Geschichte - die anderen können davon nur träumen."
Im gegenwärtigen Wahlkampf dürfen nur Plakate mit seinem Konterfei geklebt werden, selbst wenn sie für lokale Kandidaten werben, und zu den zentralen Wahlkampfaktivitäten von Forza Italia gehört die Verbreitung einer Berlusconi-Biografie, die in einer Startauflage von zwölf Millionen Stück gedruckt und kostenlos an fast alle italienischen Haushalte versandt wird.
In dem 128 Seiten dicken Werk findet sich zwischen diversen Text-Häppchen 126 Mal das Bild seines Helden. Es trägt den Titel "Eine italienische Geschichte" und schildert in rührendem Stil den Aufstieg des netten und fleißigen Silvio zum erfolgreichen Unternehmer - eine italienische Version des amerikanischen Traums vom Aufstieg des Tellerwäschers zum Millionär. Originalton Berlusconi: "Als Sohn eines Bankangestellten musste ich hart arbeiten, arbeiten und nochmals arbeiten. Meine Mutter sagte immer: Es ist ein hartes Los für dich, nichts ist leicht für dich, du musst dir alles erobern mit enormer Mühe, mit vielen Opfern.‘ Und ich antwortete: Es ist wahr, Mama, so ist es: immer Blut, Schweiß und Tränen.‘"
Berlusconis "Freiheiten"
Diese Mischung aus Seifenoper, professioneller Werbung und schriller Demagogie dient dem Transport einer Botschaft, die alles, was in Italien vom Sozialstaat und der Tradition des gesellschaftlichen Interessenausgleichs noch übrig geblieben ist, radikal aus dem Weg räumt.
In Berlusconis Weltbild ist jeder "Kommunist", der die ungehemmte Vorherrschaft des Marktes in Frage stellt oder der es wagt, seine eigenen Geschäftspraktiken kritisch unter die Lupe zu nehmen. Er gibt sich als Held des freien Unternehmertums, dem von roten Richtern und kommunistischen Apparatschiks nachgestellt wird. Das Ausmaß an Demagogie, haltlosen Beschuldigungen, Verleumdungen, Lügen und Provokationen, mit denen er seine politischen Gegner überhäuft, übertrifft alles, was man von bisherigen Wahlkämpfen gewohnt ist. Dabei beschränkt er sich nicht auf die politische Konkurrenz. Auch der Staatspräsident, das Parlament und die Justiz sind vor seinen Attacken nicht sicher.
Den Begriff "Freiheiten", der seinem Wahlbündnis den Namen gab, interpretiert er dabei sehr eigenwillig: Unfrei ist alles, was seinen persönlichen Interessen im Wege steht.
Seit Jahren befindet sich Berlusconi wegen seiner Geschäftspraktiken im Konflikt mit der Justiz. Inzwischen ergibt sich aus den Akten der zahlreichen, gegen ihn geführten oder noch laufenden Gerichtsverfahren folgendes Bild, wie Die Zeit vom 26. April schreibt: "Berlusconi ist des Meineides schuldig; er hat Finanzbeamte bestochen; er hat Schmiergelder gezahlt und Steuern hinterzogen. Aber bisher ist er immer davongekommen."
Als Berlusconi 1994 erstmals zum Regierungschef gewählt wurde, wollte er eine Amnestie für Korruptionsvergehen erlassen. Dieser Plan scheiterte allerdings am öffentlichen Widerstand und der kurzen Lebensdauer seiner Regierung. Nun will er die Verfassung ändern und die Unabhängigkeit der Justiz aushebeln.
Insbesondere der Verfassungsartikel, der die Freiheit des privaten Unternehmertums mit dem Nachsatz einschränkt, "soweit es sich im Rahmen der geltenden Gesetze bewegt", ist ihm ein Dorn im Auge. Er hält ihn für "sowjetisch inspiriert" und will ihn abschaffen. Der Justiz will er durch eine vom Parlament jährlich zu beschließende Prioritätenliste vorschreiben, welche Gesetzesverstöße sie vorrangig zu verfolgen hat. Es versteht sich von selbst, dass Wirtschafts- und Korruptionsvergehen auf dieser Liste ganz unten stehen werden.
Ansonsten hält sich Berlusconi mit konkreten Wahlaussagen zurück. Er leitet seine Wahlparolen aus den jüngsten Meinungsumfragen ab und verspricht dabei jedem alles.
Einen Schwerpunkt in seinem Wahlprogramm bilden Steuersenkungen: "Weniger Steuern für alle" lautet eine im ganzen Land verbreitete Parole. Insbesondere die Steuern für Unternehmer sollen drastisch sinken und die Erbschaftssteuer ganz wegfallen. Gleichzeitig verspricht Berlusconi aber auch die Streichung aller Abgaben für Einkommen unter 22.000 Mark und eine Mindestrente von 1.000 Mark. Wie er beides finanzieren will, hat er bisher nicht erklärt.
Berlusconis autoritäres Gehabe, sein an Größenwahn grenzendes Selbstbewusstsein, seine Vermischung von privatem und politischem Interesse und seine Verachtung gegenüber Gewaltenteilung und Justiz stellen zweifellos einen Angriff auf die herkömmlichen Formen der Demokratie dar. Noch größer ist aber die Gefahr, die von der beispiellosen Medien- und Wirtschaftsmacht ausgeht, die der Regierungschef in seinen Händen hielte.
Berlusconi besitzt die drei größten privaten Fernsehkanäle Italiens, während die drei staatlichen Kanäle der RAI indirekt von der Regierung kontrolliert werden. Gewinnt Berlusconi die Wahl, so stehen sechs der insgesamt sieben nationalen Programme mit einer Einschaltquote von über neunzig Prozent unter seinem direkten oder indirekten Einfluss.
Hinzu kommen die Verlagshäuser Elemond, Einaudi, Sperling & Kupfer und Mondadori, die zu Berlusconis Medienholding Fininvest gehören. Über Mondadori kontrolliert Berlusconi auch Italiens größtes Nachrichtenmagazin Panorama. Fininvest, deren Wert auf umgerechnet 55 bis 60 Milliarden Mark geschätzt wird, besitzt außerdem Kaufhausketten und Finanzgesellschaften, Filmproduktionsfirmen, den Fußballverein AC Mailand und verschiedene Hockey-, Volleyball- und Rugby-Clubs sowie den Internet-Provider Jumpy.
Dass Berlusconi diesen Einfluss skrupellos zu nutzen versteht, hat der Wahlkampf deutlich gemacht.
Berlusconis Bündnispartner
Berlusconis wichtigste Verbündete in seinem Kreuzzug für die "Freiheit" sind die neofaschistische Nationale Allianz und die separatistische Lega Nord.
Die Nationale Allianz ist Anfang der neunziger Jahre aus dem MSI hervorgegangen, einer Partei, die jahrzehntelang das Andenken an das faschistische Italien Mussolinis pflegte. Unter ihrem jetzigen Führer, Gianfranco Fini, versucht sie sich zwar von ihrer braunen Vergangenheit zu distanzieren und als konservative, national orientierte Partei darzustellen. Fini hat zu diesem Zweck sogar die Holocaust-Gedenkstätte in Auschwitz besucht und bemüht sich seit Jahren um einen offiziellen Empfang in Israel. Trotzdem geben in der Partei nach wie vor die alten Kader aus dem MSI den Ton an.
Auch die Abgrenzung von der faschistischen Vergangenheit ist keineswegs so deutlich, wie dies nach außen dargestellt wird. So hat das "Haus der Freiheiten" Wahlabsprachen mit Pino Rauti getroffen, der die Umwandlung des MSI in die Nationale Allianz nicht mitgemacht hatte und seither eine eigene faschistische Splitterpartei führt. Rautis Faschisten erhalten so einen sicheren Parlamentssitz auf den Listen Berlusconis und kommen in den Genuss von Wahlkampfgeldern und anderen staatlichen Zuschüssen, während sie ihrerseits ihre Anhänger zur Stimmabgabe für das "Haus der Freiheiten" aufrufen.
Die Lega Nord entstand ursprünglich als Sammelbecken für all jene im wirtschaftlich prosperierenden Norditalien, die mit den hohen Steuerabgaben, der Regierungsbürokratie in Rom und den Subventionen für den verarmten Süden unzufrieden waren. Nachdem sie mit ihrer Forderung nach einem eigenständigen Staat Padanien immer mehr ins Abseits geraten war, hat die Lega Nord jetzt die Hetze gegen Ausländer auf ihre Fahnen geschrieben.
Dabei schreckt sie auch vor pogromartigen Kampagnen nicht zurück. Sie organisiert Sitzstreiks und Protestmärsche gegen den Bau von Moscheen und wird dabei von konservativen Teilen der katholischen Kirche unterstützt, die nur katholische aber keine muslimischen Einwanderer dulden wollen. Auf einen Doppelmord in Lodi südlich von Mailand reagierte die Lega, indem sie einen Fackelzug gegen die "Ausländerkriminalität" organisierte. Hinterher stellte sich allerdings heraus, dass der Mord von zwei italienischen Jugendlichen verübt worden war.
Auf lokaler Ebene arbeiten Lega und Nationale Allianz eng mit Nazi-Gruppen zusammen. So hat die Stadtverwaltung von Verona, einer Hochburg der Lega, Naziskinkonzerte, Vorträge gegen die "Auschwitz-Lüge" und eine Buchaustellung von Naziverlagen unterstützt. Verona geriet auch in die Schlagzeilen, weil die Anhänger des örtlichen Fußballclubs Sonntag für Sonntag afrikanische Spieler gegnerischer Clubs niederbrüllen. Veronas Team selbst beschäftigt keine farbigen Spieler, weil, so der Vereinspräsident, er dies seinem Fanblock einfach nicht zumuten könne.
Untermieter im "Haus der Freiheiten" sind außerdem die beiden christdemokratischen Parteien CCD und CDU. Letztere wird von Rocco Buttiglione geführt, der enge Beziehungen zum Vatikan und zur deutschen CDU unterhält.
In jüngster Zeit hat sich auch die Italienische Sozialistische Partei, die von Bobo Craxi und Ex-Außenminister Gianni de Michelis geführt wird, dem Berlusconi-Block angeschlossen. Das Zusammengehen der Sozialisten mit den Rechten ist kein Zufall, galt doch Bobos Vater Bettino Craxi, der wegen Korruption verurteilte ehemalige Regierungschef und Vorsitzende der Sozialistischen Partei, als eigentlicher Drahtzieher und Hintermann Berlusconis. Berlusconi hatte den Grundstein zu seinem sagenhaften Vermögen als Immobilienspekulant in den siebziger Jahren im sozialistisch dominierten Mailand gelegt.
Auswirkungen auf Europa
Hatten die europäischen Regierungen auf den Einzug der rechtslastigen Freiheitlichen in die österreichische Regierung noch mit Sanktionen reagiert, die auch von vielen konservativen und christdemokratischen Parteien mitgetragen wurden, so verfolgen letztere den Aufstieg Berlusconis nun mit offensichtlichem Wohlwollen.
Vor allem die deutsche CDU/CSU leistet massive Wahlkampfhilfe für den Berlusconi-Block. Forza Italia war 1999 auf Drängen von Altbundeskanzler Helmut Kohl in die Fraktion der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament aufgenommen worden und gilt seither als Schwesterpartei der Christdemokraten. Inzwischen wird sie von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung beraten, während führende CDU-Politiker auf ihren Wahlkampveranstaltungen auftreten. So sprach Karl Lamers, der Europaexperte der CDU, Mitte März auf einer Großkundgebung in Rom, die, wie deutsche Christdemokraten nicht ohne Stolz versichern, ohne Hilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung kaum zustande gekommen wäre.
Nachdem seit Mitte der neunziger Jahre die meisten europäischen Länder sozialdemokratisch regiert werden, betrachten die europäischen konservativen und christdemokratischen Parteien Italien als Dominostein, der ihre Rückkehr an die Macht auch in anderen Ländern einleiten könnte.
Die meisten dieser Parteien stecken seit nunmehr zehn Jahren in einer tiefen Krise. Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung und des Zusammenbruchs der Sowjetunion haben ihnen den herkömmlichen Boden entzogen: Die Öffnung der nationalen Märkte für die globale Konkurrenz hatte tiefgreifende Auswirkungen auf den Mittelstand, ihre traditionelle soziale Basis; der Untergang der Sowjetunion nahm ihnen ihre wirksamste ideologische Waffe, den Antikommunismus.
Am deutlichsten zeigte sich diese Krise in Italien, wo von der Democrazia Cristiana, die fast fünfzig Jahre lang die italienische Politik dominiert hatte, außer einem halben Dutzend kleiner Splitterparteien kaum etwas übrig geblieben ist. In Frankreich befinden sich Gaullisten und Liberale in einem permanenten inneren Kriegszustand, geprägt durch Skandale, erbitterte Fraktionskämpfe und Spaltungen. In Großbritannien wurden die über die Europafrage heillos zerstrittenen Tories bei der letzten Wahl regelrecht dezimiert. Und auch in Deutschland ist die Union seit dem Weggang Helmut Kohls durch innere Richtungskämpfe geschwächt.
Zahlreiche ultrarechte Parteien haben sich bemüht, die von den Konservativen hinterlassene Lücke zu füllen, und dabei zum Teil aufsehenerregende Erfolge erzielt. Doch auch sie erwiesen sich als höchst instabil. Der französische Front National ist inzwischen auseinandergebrochen, unter den österreichischen Freiheitlichen toben erbitterte Fraktionskämpfe. Sie wurden außerdem von der traditionellen bürgerlichen Rechten gemieden und ausgegrenzt.
Berlusconi ist es nun erstmals gelungen, maßgebliche Teile der Wirtschaft und der Medien - die er als reichster Mann Italiens und Besitzer des größten privaten Medienkonzerns in Personalunion verkörpert - mit Teilen des alten politischen Establishments und den wichtigsten ultrarechten Organisationen zu einem schlagkräftigen Bündnis zu vereinen.
Seine politische Orientierung unterscheidet sich dabei grundlegend von jener der traditionellen Christdemokraten. An die Stelle der konservativen, oft katholisch geprägten Vorstellungen von Familie und Gesellschaft hat er einen aggressiven Nationalismus und Rassismus gesetzt, an die Stelle von staatlicher Wirtschaftssteuerung und Klientelwirtschaft einen rücksichtslosen Wirtschaftsliberalismus.
Am nächsten steht ihm vielleicht Margaret Thatcher, die konservative britische Premierministerin der achtziger Jahre, die er bewundert. Thatcher hatte sich bei der Verwirklichung ihres Programms allerdings noch auf die traditionelle Tory-Partei gestützt, während Berlusconi ein offenes Bündnis mit Faschisten und Rassisten eingegangen ist. Hat er am 13. Mai Erfolg, würde dies zweifellos jene rechten Tendenzen unter den europäischen Christdemokraten stärken, die - wie der Flügel um Roland Koch in der CDU - einen ähnlichen Kurswechsel anstreben.
Berlusconis Erfolg
Über das Geheimnis von Berlusconis Erfolg gibt es zahlreiche Spekulationen. Seine Dominanz in den Medien, seine Beherrschung der Techniken der Werbebranche, seine nahezu unerschöpflichen finanziellen Mittel mögen alle eine Rolle spielen - letztlich muss aber das Phänomen Berlusconi aus politischen Ursachen erklärt werden.
Hier ist die Krise der Arbeiterbewegung der entscheidende Faktor. Die traditionellen Arbeiterorganisationen - in Italien die Kommunistische Partei und die Gewerkschaften - haben sich seit zwei Jahrzehnten kontinuierlich nach rechts entwickelt und aufgehört, selbst die elementarsten sozialen Errungenschaften und Rechte zu verteidigen.
Als Berlusconi 1994 im Strudel der Korruptionsaffäre, die das alte politische System erschütterte, erstmals Regierungschef wurde, lösten seine Angriffe auf die Renten massenhafte Proteste aus. Seine Regierungskoalition brach auseinander und nach einer Reihe von Übergangsregierungen gewann 1996 das "Olivenbaum"-Bündnis die Wahl, deren Rückgrat die ehemalige Kommunistische Partei bildet.
Fünf Jahre Mitte-Links-Regierung haben den Olivenbaum derart diskreditiert, dass Berlusconi nun ernsthafte Aussichten auf eine Rückkehr an die Macht hat. Er stützt sich dabei weniger auf eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit als auf die politische Passivität und die Entfremdung von der offiziellen Politik, die breite Bevölkerungsschichten erfasst hat.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in demoskopischen Untersuchungen wieder. Das renommierte Ispo-Institut hat ermittelt, dass nur 15 Prozent der Italiener eine positive Einstellung zur Politik und zu Politikern haben. 50 Prozent empfinden "Abscheu", "Misstrauen" oder "Wut", 25 Prozent "Gleichgültigkeit" und "Langeweile".
Italien, wo die etablierten Parteien einst mehrere Millionen Mitglieder zählten, ist zu einem der entpolitisiertesten Länder Westeuropas geworden. Wahlenthaltung und Wählerprotest sind enorm gewachsen. Bei den letzten Wahlen bildete die Gruppe der Nichtwähler die größte Formation.
In diesem Vakuum haben Berlusconis ebenso plumpen wie reaktionären Methoden Erfolg. Ein Aufschwung der Arbeiterbewegung würde ihn schnell als König ohne Kleider entlarven. Eine entsprechende Offensive ist vom Olivenbaum-Bündnis und seinen Bestandteilen allerdings nicht zu erwarten. Selbst wenn es ihm noch gelingen sollte, die Wahl für sich zu entscheiden, würde es den Rechten nur weiter den Boden ebnen.
Eine Antwort auf Berlusconi und die politischen Gefahren, die er verkörpert, erfordert den Aufbau einer neuen Partei in der Arbeiterklasse auf sozialistischer Grundlage.