Noch Mitte letzten Jahres erreichte die Partei "One Nation" von Pauline Hanson schwindelnde Wahlerfolge. Sie vereinigte fast 25 Prozent der Wählerstimmen auf sich und eroberte in den Landeswahlen von Queensland elf Abgeordnetensitze. Gerade neun Monate später steckt dieser rechtsextreme Haufen bis über beide Ohren in parteiinternen Querelen. Gegenseitige Beschuldigungen, Rücktritte, Entlassungen und Ausschlüsse sind an der Tagesordnung.
Vor zwei Wochen traten zwei der noch verbliebenen sieben Abgeordneten von Queensland aus One Nation aus - ob durch Ausschluß oder Rücktritt wurde nicht ganz klar -, so daß die Partei jetzt nur noch fünf Vertreter im Landesparlament hat. Bald wird sie sogar ihren offiziellen Parteienstatus und damit auch ihr Büro im Parlamentsgebäude, ihr Sekretariat, ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter und ihre Gelder verlieren.
Nur einen Monat nach den Wahlen in Queensland brachen in der Partei offene Konflikte aus. Im Juli 1998 trat Hansons Privatsekretär zurück; dieser beschuldigte David Oldfield, Hansons politischen Berater und bekennenden "Nationalsozialisten", sich selbst in Szene zu setzen. Darauf kam es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung, wobei enthüllt wurde, daß Parteifunktionäre entlassen sowie Gelder von der Führungsspitze gehortet worden waren und daß einige Ortsvereine gegen die undemokratischen Parteistrukturen aufbegehrt hatten.
Während der nationalen Parlamentswahlen im Oktober erhielt One Nation infolge des besonderen australischen Vorzugswahlrechts bundesweit etwa acht Prozent der Stimmen, die Partei gewann nur einen Sitz im Oberhaus und keinen im Unterhaus. Hanson selbst wurde als Abgeordnete nicht wiedergewählt. Diese Wahlergebnisse heizten die wachsenden internen Querelen noch an.
Im Dezember verlor One Nation in Queensland in einer Nachwahl, die durch den Rücktritt ihres Abgeordneten Charles Rappolt nötig geworden war, einen ihrer Sitze an die Labor Party. Rappolt war in eine schmutzige private Affäre verwickelt gewesen. Er beging einen Selbstmordversuch. Später, als er wieder genas, berichtete er, er sei stark unter Druck gesetzt worden, und warf One Nation vor, ihn nicht unterstützt zu haben.
Anfang Februar verließen drei weitere Abgeordnete von Queensland, darunter die stellvertretende Vorsitzende Dorothy Pratt, die Partei und beschuldigten die Führungs-"Troika" - Pauline Hanson, David Oldfield und den Marketing-Strategen David Ettridge - anti-demokratischen Verhaltens. Einer dieser drei erklärte der Presse, er sei schockiert darüber, daß Hanson die Demokratie verächtlich als "Herrschaft der Straße" bezeichne.
Gleichzeitig brach eine Revolte in der Parteiorganisation in Südaustralien aus, als deren Mitglieder ein Mißtrauensvotum gegen ihren Parteisekretär einbrachten, der von der nationalen Führung selbst eingesetzt worden war. Kurze Zeit später trat die südaustralische Parteiführung fast geschlossen zurück. Sie beschwerte sich, die Parteifinanzen seien nicht sauber überprüft worden, und griff den Entwurf für die Parteistatuten an.
Auch die beiden letzten Abgeordneten aus Queensland sind ausgetreten, weil sie wie viele Mitglieder mit dem Satzungsentwurf nicht einverstanden sind. Die Statuten statten den Vorstand mit absoluter Macht aus; er kann seine Mitglieder unabhängig vom Willen der Mitgliedschaft selbst ernennen. Sie sichern Hanson, Oldfield und Ettridge ihre jeweilige Position für vier, drei bzw. zwei Jahre.
Abweichler beklagten sich, daß sie auf der kürzlichen jährlichen Generalversammlung der Partei niedergeschrien und hinausgetrieben worden seien. Einer berichtete Reportern außerhalb der Versammlung, er habe einen Karateschlag auf den Hinterkopf erhalten. Andere beschuldigten die Führung der Wahlfälschung durch die Übertragung von Tausenden von Stimmen. Die Diskussion über die Statuten wurde auf 35 Minuten beschränkt und jedem Redner nur drei Minuten gegeben. Die Abstimmung über die Statuten wurde um mindestens sechs Monate verschoben.
Nach dem Parteitag traten nochmals mehrere Mitglieder in Queensland aus.
Der gesellschaftliche Hintergrund von One Nation
Ähnlich wie die Entwicklung rechtsradikaler Tendenzen in Europa und in den USA war der kometenhafte Aufstieg von One Nation mit der wachsenden Entfremdung großer Teile der Bevölkerung vom offiziellen politischen System verbunden. Das Versagen der großen Parteien, irgend eine Lösung für Massenarbeitslosigkeit, wachsende Armut und die soziale Verarmung auf dem Land zu bieten, hat die alten politischen Bindungen zerstört.
Die populistischen und fremdenfeindlichen Parolen von One Nation - ihr Wettern gegen die Globalisierung, ihre Forderungen nach neuen Schutzzöllen, ihre Angriffe auf Regierungen und Politiker und ihre Appelle an die "einfachen Australier" - zogen anfangs ganz unterschiedliche gesellschaftliche Schichten an. Von rechtsradikalen Neofaschisten bis hin zu enttäuschten ehemaligen Labor-Party-Mitgliedern schlossen sich viele der Organisation an, die sich mit simplen Antworten zufrieden gaben.
Aber die Achillesferse von One Nation - wie von verwandten Organisationen in aller Welt - ist die soziale Frage. Die Partei hat kein Programm, das den Interessen und Bedürfnissen der einfachen Bevölkerung entspricht. Sie hat sich vollkommen der Verteidigung des Profitsystems verschrieben, das doch die Ursache der sozialen Krise ist. Ihre nationalistische und arbeiterfeindliche Orientierung ist mit demokratischen Grundrechten unvereinbar. Daher das diktatorische Regime. Wirkliche Diskussionen über politische Fragen können nicht zugelassen werden, weil sie bei einer derart heterogenen Mitgliedschaft sofort die Einheit der Partei untergraben würden. Die Politik wird den Parteiorganisationen von oben aufoktroyiert. Jede Meinungsverschiedenheit wird von der führenden Troika, die alles im eisernen Griff hält, im Keim erstickt.
Aber das ist nicht der einzige Grund für die interne Revolte. Auch die Medien tragen ein gut Teil Verantwortung für die Vorgänge in dieser Partei. Ihre Rolle in der gegenwärtigen Krise von One Nation ist es wert, untersucht zu werden.
Pauline Hanson trat zum erstenmal in Erscheinung, als sie bei den nationalen Parlamentswahlen von 1996 von der Liberalen Partei nicht mehr aufgestellt worden war, weil sie ihre Unzufriedenheit mit der Zahlung von Sozialunterstützung an die Aborigines - die Ureinwohner Australiens - geäußert hatte. Sie kandidierte daraufhin als Unabhängige und gewann den bis dahin sicheren Labor-Wahlkreis von Ipswich in Queensland. In ihrer Jungfernrede vor dem Parlament griff sie die Aborigines und Einwanderer an und machte so die Opfer selbst für die soziale Krise verantwortlich.
Die Medien hängten sich sofort an Hanson und verschafften ihren rückständigen und bigotten Vorstellungen beinahe täglich eine Plattform. Mit ihrer Parlamentsrede kam der Durchbruch. Dadurch wurde sie zu einem echten Medienstar - sie dominierte alle Medien, von der Talkshow bis zu den Nachrichten und vom Frauenmagazin bis zur Tageszeitung.
Für die herrschende Schicht und die Medienzaren wurde Hansons One-Nation-Partei, die im Frühjahr 1997 gegründet worden war, zum willkommenen und zeitgemäßen Instrument, um das ganze Spektrum der offiziellen Politik nach rechts zu drücken. Die allgemeine Ernüchterung über die alten Parteien und wachsende Opposition gegen die Auswirkungen des "freien Marktes" auf das tägliche Leben wurde besonders in ländlichen Gebieten in ihre Richtung gelenkt.
Weil alle großen Parteien fürchten mußten, ihre Unterstützung in der Bevölkerung zu verlieren - ihre Erststimmen bewegten sich auf einem absoluten Tiefpunkt - begannen die Politiker der Labor Party, der Liberalen und der Nationalen Partei, die Themen von One Nation zu übernehmen. Viele versuchten ihre eigene schwindende Wählerbasis zusammenzuhalten, indem sie mit Hanson um deren Publikum wetteiferten. Sie traten für geringere Einwanderung ein, für erzwungene Niedriglohnarbeit für Sozialhilfeempfänger und für erweiterte Polizeibefugnisse.
Nachdem sie Hanson und ihre Partei derart ins Rampenlicht gehoben hatten, wurde es Teilen der Bourgeoisie angesichts der drohenden politischen Konsequenzen doch etwas mulmig. Nach dem Wahlergebnis von Queensland, wo One Nation beinahe ein Viertel der Stimmen gewonnen hatte, setzte sich die Einsicht durch, daß ein ähnliches Ergebnis bei den bevorstehenden australischen Parlamentswahlen die parlamentarische Stabilität auf nationaler Ebene erheblich gefährden würde. Man kam zur Ansicht, daß One Nation dem "nationalen Interesse" gefährlich zu werden drohte.
Entsprechend wurde von allen Medien gleichzeitig wie auf Kommando eine taktische Wende vollzogen. Die Journalisten begannen die unangenehmeren Seiten von One Nation zu untersuchen und zu enthüllen: ihre Verbindungen mit rechtsradikalen und neofaschistischen Gruppen, ihre Organisationsstruktur, ihre Finanzen, ihre Führungsmethoden. Sie machten Parteidissidenten ausfindig und verbreiteten deren Klagen und Kritiken auf den Titelseiten. Hanson selbst wurde lächerlich gemacht.
Das war aber nur eine taktische Wende. Die Medien und die großen Parteien haben die reaktionären gesellschaftlichen Ziele von One Nation nicht aufgegeben.
In den drei Jahren, seit sie zur Abgeordneten im nationalen Parlament gewählt wurde, sind die meisten ihrer Vorschläge zur Sozialpolitik umgesetzt worden. Die Einwanderung ist drastisch eingeschränkt und die Sozialhilfe gekürzt worden, außerdem wurden repressive Maßnahmen gegen Jugendliche und gegen demokratische Grundrechte im allgemeinen ergriffen.
Den herrschenden Medien zufolge ist von One Nation kaum mehr als eine unbedeutende Randgruppe übrig, und sie befindet sich angeblich in der Todeskrise. Die jüngsten Umfragen geben ihr noch zwei Prozent Unterstützung. Aber die sozialen Prozesse, die zu ihrem Aufstieg geführt haben, sind keineswegs aus der Welt geschafft, sondern haben sich noch verschärft. Alle Statistiken weisen auf eine zunehmende soziale Ungleichheit hin. Auf dem Land und in kleineren Städten ist die Lage mittlerweile verzweifelt, und in der ganzen Arbeiterklasse breitet sich Armut aus.
Die Gefahr ist allgegenwärtig, daß extrem rechte Bewegungen, ob nun One Nation oder irgend eine andere Partei, die soziale Krise für ihre eigenen Ziele ausnutzen, solange die Arbeiterklasse nicht beginnt, bewußt für ihre eigene progressive Alternative zur heutigen Gesellschaftsordnung einzutreten.