Dieser Artikel wurde am Vorabend der Wahl in Iowa geschrieben.
Die Wahlversammlungen der Republikaner und Demokraten in Iowa sind die offizielle Eröffnung der Kampagne zur amerikanischen Präsidentschaftswahl im November 2008. In Wirklichkeit ist der Wahlkampf jedoch schon seit mehr als einem Jahr im Gang. Die große Aufmerksamkeit, die die Medien dem Wahlkampfauftakt in Iowa am 3. Januar und in New Hampshire am 8. Januar, sowie weiteren ersten Veranstaltungen schenken, soll eher von den grundlegenden sozialen und politischen Fragen ablenken, die bei der Kandidatenauswahl der zwei großen Parteien eine Rolle spielen.
Das Prozedere bei der Nominierung der Präsidentschaftskandidaten hat kaum etwas mit Demokratie zu tun. Das Zweiparteiensystem ist darauf ausgerichtet die Dominanz und das politische Monopol der Wirtschaftsinteressen zu garantieren. Die Kandidatenauswahl der beiden Parteien ist Ergebnis eines schwer durchschaubaren Kampfes innerhalb der herrschenden Eliten, wobei riesige Geldsummen und die von der Wirtschaft kontrollierten Medien eine viel wichtigere Rolle spielen als die Hoffnungen und Bedürfnisse der amerikanischen Bevölkerung.
Sowohl die Demokratische als auch die Republikanische Partei sind Instrumente der amerikanischen Finanzaristokratie. Diese Instrumentarien sind nicht deckungsgleich, da sie mit verschiedenen Methoden arbeiten, eine unterschiedliche Geschichte haben und in gewissem Grad für verschiedene Fraktionen der Wirtschafts- und Finanzelite stehen. Beide Wirtschaftsparteien haben jedoch im Grunde die gleiche gesellschaftliche Funktion: die Aufrechterhaltung der Herrschaft der Wirtschafts- und Finanzelite über die amerikanische Gesellschaft, und die Verteidigung der globalen Interessen des amerikanischen Imperialismus.
In jedem anderen hochindustrialisierten Land würde man diese beiden Parteien dem rechten Rand des politischen Spektrums zuordnen: die Republikanische Partei als halbfaschistische oder extrem rechte Partei, die Demokraten als konservative oder Mitte-Rechts-Partei. Beide Parteien halten den kapitalistischen Markt als höchstes Prinzip gesellschaftlicher Organisation hoch und unterscheiden sich nur unwesentlich in der Frage, wie weit staatliche Regulierung notwendig sei. Beide Parteien unterstreichen das "nationale Interesse" des amerikanischen Imperialismus - sozusagen sein "Recht" auf Weltherrschaft - unterscheiden sich jedoch im Zusammenspiel von Diplomatie, Militäreinsatz und politischer Subversion, das sie zur Erreichung dieses Ziels anwenden.
Die wichtigste politische Funktion des Zweiparteiensystems besteht wohl in der Aufrechterhaltung der Illusion, dass es möglich sei, die große Komplexität der amerikanischen Gesellschaft durch einen derart begrenzten politischen Mechanismus auszudrücken. Amerika ist ein sehr vielschichtiges Land mit wichtigen regionalen, kulturellen, sozialen und ethnischen Unterschieden. Dennoch kommt der Großteil des Führungspersonals der zwei Parteien, die das offizielle politische Leben beherrschen, aus einer einzigen, schmalen sozialen Schicht, die die obersten fünf oder zehn Prozent umfasst.
Das heiß aber nicht, dass es für die herrschende Elite einfach wäre, den Wahlprozess zu kontrollieren und den nächsten Präsidenten zu bestimmen. Es spielen viele Faktoren eine Rolle - soziale, politische, sogar persönliche - und sie wirken in einer komplexen und oftmals unvorhersehbaren Weise zusammen. Bei einigen Fragen gibt es innerhalb der herrschenden Klasse tiefe Risse.
Der am wenigsten vorhersehbare Faktor ist vielleicht das Zusammentreffen von wichtigen globalen Ereignissen - wie zum Beispiel dem Finanzkollaps, der von der amerikanischen Hypothekenkrise ausgelöst wurde, oder der Ermordung der früheren pakistanischen Premierministerin Benazir Bhutto - mit dem immer künstlicheren und immer unflexibleren amerikanischen Wahlmechanismus.
Möglicherweise ist bei der Wahlkampagne 2008 die Nominierung der republikanischen und demokratischen Präsidentschaftskandidaten mehr als sechs Monate vor dem festgesetzten Termin und neun Monate vor der Wahl abgeschlossen, also schon am 5. Februar. Sollten von Februar bis November wichtige Ereignisse die politischen Verhältnisse in den Vereinten Staaten auf den Kopf stellen, könnte die herrschende Elite nach einem ganz anderen als dem anfangs erkorenen politischen Repräsentanten verlangen.
Es ist schier unmöglich die Bedeutung des Großen Geldes bei den Nominierungskampagnen der zwei Parteien zu überschätzen. Die ganzen Rahmenbedingungen der Präsidentschaftswahl 2008 wurden durch die Spendensammlungen der Kandidaten im Jahr zuvor bestimmt, und das wirkte sich auf die Erwartungen der Medien und ihre Berichterstattung aus und beeinflusste so letztendlich auch die Umfragen maßgeblich.
Bei den Demokraten wurde Senator Obama nicht deswegen zum aussichtsreichen Bewerber für die Nominierung, weil er für eine bestimmte politische Position stehen würde. Man kann ihn mit vollem Recht als den farblosesten aller wichtigen Kandidaten bezeichnen. Er war jedoch schon im ersten Quartal 2007 und auch danach in der Lage, mit Hillary Clintons Spendenaufkommen Dollar um Dollar mitzuhalten.
Zwei andere Senatoren, Joseph Biden aus Delaware und Christopher Dodd aus Connecticut, die schon länger in Washington bekannt sind, spielten Nebenrollen, weil ihre relativ geringen Spendenaufkommen nur schwache Medienpräsenz und Umfrageergebnisse erbrachten.
Bei den Republikanern verdankte der frühere Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, seinen anfänglichen Vorsprung einer aggressiven Spendenkampagne und der Bereitschaft, auf sein riesiges persönliches Vermögen von schätzungsweise einer halben Milliarde Dollar zurückzugreifen. Einige republikanische Hoffnungsträger, wie Senator Sam Brownback und der ehemalige Gouverneur von Virginia, James Gilmore, schieden schon Monate vor der ersten Stimmabgabe aus, weil sie Probleme hatten, Geld aufzutreiben.
Trotz seines späten, aber kometenhaften Aufstiegs in den Meinungsumfragen wird der frühere Gouverneur von Arkansas, Mike Huckabee, heute als Geheimtipp angesehen. Er hat in seiner Spendenkampagne nur einen Bruchteil des Geldes seiner Hauptrivalen wie Romney, des früheren New Yorker Bürgermeisters Guiliani, des ehemaligen Senators Fred Thompson und des Senators John McCain aufgebracht.
Die Parteikonferenzen von Iowa erinnern mehr an Auktionen als an Wahlparteitage. Höchstens 80.000 Menschen werden an den Versammlungen der Republikaner in Iowa teilnehmen, während es bei den Demokraten bis zu 150.000 Teilnehmer - eine Rekordbeteiligung -sein werden.
Wenn sich die Konferenzteilnehmer am Abend des 3. Januar versammeln, werden die Kandidaten der Demokraten bestimmt schon über 25 Millionen Dollar ausgegeben haben, das sind gut 100 Dollar pro Konferenzteilnehmer. Bei den Republikanern ist die Zahl pro Kopf kaum geringer.
Obama und Clinton haben beide mehr als 500 Vollzeitkräfte für die Wahlwerbung im ganzen Land eingestellt. Fast genauso viele haben Edwards und Romney. Nach einem kürzlich erschienenen Bericht wurden die Teilnehmer der Parteikonferenzen im Schnitt ein halbes Dutzend Mal von der einen oder anderen Wahlkampfmannschaft kontaktiert.
Die wenigen Einwohner von Iowa, die ihre Stimme abgeben werden, sowie die geringe Größe des ersten Vorwahlstaates, New Hampshire, erleichtert dem politischen Establishment beider Parteien und den Mediengrößen die Manipulation der Ergebnisse der Nominierungskampagne. Es sei hier an die Sabotage der Kampagne Howard Deans im Jahr 2004 erinnert, als in letzter Minute ein Sperrfeuer der Medien die Wahlversammlungen entscheidend zu Gunsten von Senator John Kerry beeinflusste. Damals wurden Deans Bemerkungen auf einer Nach-Wahlveranstaltung zu einem psychologischen Zusammenbruch hochstilisiert, der nicht nur seine Befähigung zu einer Kandidatur, sondern auch noch seinen Geisteszustand in Frage stellte. Dean hat sich davon politisch nie mehr erholt.
Es fällt auf, wie wenige politische Fragen in den Kampagnen der wichtigsten Kandidaten thematisiert wurden. Bei den Demokraten dreht sich der Wettbewerb zwischen Obama, Clinton und Edwards weniger um wirkliche politische Meinungsverschiedenheiten als um Unterschiede in Stil, Tonlage und Attitüde. Auch eine Reihe unbedeutender Zwischenfälle der einen oder anderen Art während der Wahlkampagne spielen eine Rolle.
Bei den Republikanern steht jeder Kandidat für eine der unversöhnlichen Fraktionen dieser Partei, die anscheinend am Rand des Zusammenbruchs steht: Romney steht für die Wall Street, Huckabee für die christliche Rechte, McCain für die Anhänger von Militär und Irakkrieg, Guiliani für die Verfechter des "Kriegs gegen den Terror" und Thompson für das Parteiestablishment der Südstaaten.
Das Ergebnis von Iowa ist nicht vorhersehbar, geschweige denn das des gesamten Nominierungsprozesses beider Parteien. Es wird von den Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Fraktionen der herrschenden Elite abhängen. Stimmungen in der Bevölkerung werden dabei eine sekundäre Rolle spielen. Bestimmte durchgängige Grundzüge der Kampagne springen jedoch schon jetzt ins Auge.
Zwei zentrale Probleme spielen bei dieser Wahl eine Rolle: Da ist einmal die zunehmende soziale Polarisierung, die sich in den Vereinten Staaten noch durch die eskalierende Finanzkrise verschärft, und zum andern das Anwachsen des amerikanischen Militarismus. Der Afghanistankrieg geht ins siebte, der Irakkrieg ins fünfte Jahr, und es drohen schon neue Interventionen in den Iran, in Pakistan und wer weiß wo.
Wenn überhaupt innenpolitische Fragen behandelt werden, sind alle Präsidentschaftskandidaten mit einem Phänomen konfrontiert, das die amerikanische Gesellschaft beherrscht: Es handelt sich um die immer tiefere Kluft zwischen den Superreichen und dem Rest der Gesellschaft. Die zwei Parteien befassen sich mit diesem Problem auf unterschiedliche Art und Weise, je nach der Rolle, die sie bei der Verteidigung der herrschenden Klasse spielen.
Die Taktik der Republikaner besteht im Leugnen und Ablenken, indem sie mittels organisierter rechter Provokationen rückständigere und schlichtere Bevölkerungsteile an der Nase herumführen: Sie schlagen auf Immigranten oder Homosexuelle ein, schüren Terrorängste und appellieren an religiöse Vorurteile. Damit einher geht eine unverfrorene Verteidigung von Eigentum und Privilegien, (der "freie" Markt), während jegliche Erwähnung der sozioökonomischen Spaltung als "Schüren des Klassenkampfs" verunglimpft wird.
Die Demokraten anerkennen taktisch die wachsende soziale Kluft und schlagen verschiedene kosmetische Maßnahmen dagegen vor, die jedoch die gegebene soziale Struktur und die Verteilung des Reichtums im Grundsatz unangetastet lassen. Clinton, Obama und Edwards nennen die Anhäufung des enormen Reichtums an der Wall Street beim Namen und stellen ihr den zunehmend schwierigeren Überlebenskampf breiter Bevölkerungsschichten gegenüber.
Aber nicht einer von ihnen macht Vorschläge zu einer gründlichen Generalüberholung des Wirtschaftssystems, das eine derartige Ungleichheit überhaupt hervorbringt. Alle drei gehören dem obersten einen Bevölkerungsprozent an, das sich den Löwenanteil des Reichtums aneignet, den die Arbeiterklasse geschaffen hat. Der größte Unterschied zwischen ihnen liegt im Grad quasi-populistischer Demagogie, die bei Clinton am schwächsten und bei Edwards am stärksten ausgeprägt ist. Da Edwards das Anwachsen sozialer und wirtschaftlicher Verzweiflung der Wähler deutlich wahrnimmt, hat er seine (rhetorischen) Angriffe auf die Wirtschaftsinteressen in letzter Zeit auf ein im Rahmen der offiziellen US-Politik ungewöhnliches Niveau gesteigert.
Als einziger Republikaner reagiert Huckabee, der Prediger, auf einer ähnlichen Tonlage. Er liegt in den Meinungsumfragen in Iowa in Führung, weil ihn die christlichen Fundamentalisten unterstützen. Mit einer Kombination aus christlich fundamentalistischer Bigotterie und scharfer Kritik an der Wall Street wagt er die risikoreiche Verknüpfung von rechter und populistischer Demagogie. Deswegen gerät er zunehmend unter den Beschuss tonangebender Republikaner.
In der Außenpolitik setzen sich alle Kandidaten für eine unbegrenzte Fortführung des Irakkriegs ein, auch wenn die Demokraten vorgeblich "den Krieg beenden" wollen. Hier ist bemerkenswert, wie weit sich beide Parteien von der öffentlichen Meinung entfernt haben.
So sind nach einer aktuellen Meinungsumfrage in New Hampshire 98 Prozent aller Demokraten und 74 Prozent der Parteilosen für einen Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak noch in diesem Jahr. Keiner der drei Favoriten bei den Demokraten ist bereit, sich auf einen solchen Kurs zu verpflichten oder ihn im Fall seiner Amtsübernahme politisch umzusetzen.
Die Demokratische Partei versucht heute, ein Jahr, nachdem die Demokraten im Kongress aufgrund der Antikriegsstimmung der Wähler die Mehrheit gewannen, so zu tun, als ob die Kriegsfrage im Präsidentschaftswahlkampf kein wichtiges Thema sei. Sie verhält sich genau wie 2004. Sie beraubt die Millionen, die auf den Ausbruch des amerikanischen Militarismus mit Entsetzen und Empörung reagieren, jeder politischen Einflussnahme.