Die sozialen Kosten der Krise am US-Hypothekenmarkt

Teil 2

Die Durchschnittspreise für Immobilien in den USA haben sich im Verlauf der letzten zehn Jahre fast verdoppelt, von 109.000 Dollar im Jahr 1995 auf 206.000 Dollar im Jahr 2005. Damit stiegen sie um mehr als 33 Prozent stärker als die Verbraucherpreise in dieser Periode. Da die Häuser der mittleren Preisklasse für Durchschnittsverdiener nicht mehr erschwinglich waren, haben Eigenheimkäufer versucht, die Lücke mit riskanteren Hypothekentiteln zu schließen.

Trotz der gestiegenen Preise stieg die Zahl der Hausbesitzer in den letzten 15 Jahren noch um fünf Prozent an. Bedenkt man, dass der Durchschnittsverdienst seit 1999 stagniert und die Einkommen der Niedriglohnbezieher seit Jahrzehnten sinken, dann folgt daraus, dass das nur durch eine wachsende Verschuldung möglich war.

Tatsächlich ist die Gesamtverschuldung der Haushalte während der Immobilienhausse drastisch gestiegen. Dem entsprechend machen die Hypothekenschulden einen größeren Anteil an der gesamten Verschuldung der Haushalte aus. Laut den Zahlen der US-Notenbank wuchsen die ausstehenden Schulden der Haushalte in Prozent des verfügbaren persönlichen Einkommens von 88 Prozent 1994 auf 117 Prozent 2004. Die Washington Post berichtete, dieser Wert habe im Jahr 2005 126 Prozent erreicht - ein 45-prozentiger Anstieg im Verlauf von elf Jahren. Laut einem Bericht in Harper’s Magazine haben fast die Hälfte der Erstkäufer von Häusern 2005 kein Geld für ihre Hypotheken in bar angezahlt.

Hypothekenschulden waren der Hauptgrund für den Gesamtanstieg der Schulden seit 2001 und in wachsendem Maße während der letzten Zeit der Immobilienblase. Ein Bericht des Woodstock Institute stellt fest: "Im Jahr 2000 machte die Nettozunahme der Hypothekenschulden außerhalb des landwirtschaftlichen Sektors 44 Prozent des Gesamtanstiegs der Netto-Schulden aus. Am Ende des dritten Quartals 2005 lag sie bei 79 Prozent."

Darüber hinaus ist im letzten Vierteljahrhundert das Eigenkapital der Hausbesitzer in Prozent des Werts ihrer Immobilien ständig gesunken. 1979 besaßen Familien durchschnittlich 67,3 Prozent ihres Hauses; dieser Prozentanteil fiel im Jahr 2004 auf 56,7 Prozent. Zu dieser Veränderung kam es trotz des jüngsten Anstiegs der Immobilienpreise, der erlaubt hätte, dass Hausbesitzer den höheren Wert ihres Eigentums durch Umfinanzierung in höheres Eigenkapital verwandeln. Tatsächlich passierte das Gegenteil: Ein Bericht der US-Notenbank stellte fest, dass fast die Hälfte der Hausbesitzer, die eine Umfinanzierung gemacht hatten, das Eigenkapital an ihrem Haus sogar reduzierten, indem sie es sich in Bargeld auszahlen ließen. Das führte für 80 Prozent derjenigen, die umfinanziert hatten, zu längerfristigen Darlehen und für 40 Prozent zu höheren monatlichen Zahlungen.

Der Anstieg der Hypothekenschulden hat sich jedoch nicht gleichmäßig auf die amerikanische Bevölkerung verteilt. Ein Bericht der Century Foundation von 2004 stellte fest, dass Hauskäufer mit niedrigem Einkommen einen Anstieg ihrer Hypothekenlast hinnehmen mussten, der in keinem Verhältnis zu ihrer Zahl steht. Der Bericht stellt in der niedrigsten Einkommensgruppe einen Anstieg der Hypothekenschulden von 191 Prozent fest, gegenüber 95 Prozent in der mittleren Einkommensgruppe und 35 Prozent in der höchsten.

Der Bericht der Century Foundation vermerkt außerdem, dass "eine Familie mit zwei Verdienenden heute tatsächlich weniger frei verfügbares Einkommen hat - nachdem die festen Kosten wie Krankenversicherung und Hypothekenzahlungen abgezogen sind - als eine Familie mit einem Geldverdiener in den 70er Jahren". (Siehe "Life and Debt: Why American Families are Borrowing to the Hilt")

Zudem hat eine Studie der US-Notenbank von 2004 herausgefunden, dass mehr als ein Viertel der Haushalte mit niedrigem Einkommen 40 Prozent oder mehr ihres Lohns für die Rückzahlung ihrer Schulden ausgeben.

Diese langfristigen Veränderungen schlagen sich in der Statistik der Zwangsvollstreckungen nieder. Laut den Zahlen des statistischen Bundesamts der USA stieg die Zahl der Zwangsvollstreckungen seit 1980, als es 114.000 Zwangsvollstreckungen gab, um 250 Prozent auf 555.000 im Jahr 2001. In dieser Periode vervierfachte sich auch die Zahl der privaten Konkurse.

Das Schicksal der Menschen

Nur ein Multimillionär wie George W. Bush, der meilenweit entfernt ist vom tagtäglichen amerikanischen Alltagsleben, kann die "jüngsten Störungen auf dem Gebiet der Subprime-Hypotheken" als "unbedeutend" bezeichnen. In Wirklichkeit werden durch die gegenwärtige Hypothekenkrise und die Welle von Zwangsvollstreckungen viele Menschen vollkommen aus der Bahn geworfen.

Die WSWS sprach mit Ryan einem 19-jährigen Teilzeit-Studenten am Delaware Technical and Community College, dessen Situation wahrscheinlich typisch ist. Ryan erklärte, seine Familie sei fünf Monate mit der Hypothekenzahlung im Rückstand, und das Haus werde bald zwangsversteigert. "Es ist ziemlich klar, dass wir das Haus verlieren werden."

Ryans Mutter, die allein erziehend ist, hatte bei der Bank of America gearbeitet, bevor sie vergangenen Monat ihren Arbeitsplatz verlor, da ihre Firma MBNA aufgekauft hatte. "Sie war eine gute Arbeitskraft, aber sie war zu teuer, um sie zu behalten."

"Die Situation begann sich zu verschlechtern, als meine Mutter vor fünf Monaten ihre Überstunden nicht mehr machen konnte; damals waren wir nicht mehr in der Lage, die Hypothek abzubezahlen." Nachdem Ryans Mutter ihren Arbeitsplatz verloren hatte, nahm er einen Vollzeit-Job bei dem in der Nähe gelegenen Amazon.com-Versand an, um seine jüngeren Geschwister zu unterstützen. "Diese Veränderung war wirklich schwierig. Ich musste die Entscheidung treffen, meine Zukunft zu opfern, um meinen Geschwistern zu helfen.

Meine Mutter war faktisch kreditunwürdig, aber sie konnte vermeiden, eine Hypothek mit beweglichen Sätzen zu bekommen, weil sie meinen älteren Bruder, der gerade vom Militär kam, dazu brachte, ihr Darlehen mit zu unterzeichnen. Aber jetzt, wo wir in die Zwangsversteigerung gehen, ist er auch nicht mehr kreditwürdig; er ist dabei eine Familie zu gründen, und es wird jetzt schwieriger für ihn, eine vernünftige Hypothek zu bekommen.

Das ist eine furchtbare Situation; es hat alle verändert. Ich sollte eigentlich zur Universität gehen - frei leben und meine Jugend genießen. Aber stattdessen muss ich mir Sorgen darüber machen, ob meine Geschwister ein Dach über dem Kopf haben und was zu essen auf dem Tisch. Sie werden in eine andere Schule gehen müssen, was schwierig wird. Wir haben versucht, dafür zu sorgen, dass sie nicht zu schnell erwachsen werden müssen, aber manchmal können wir das nicht wirklich bestimmen. Armut bedeutet nicht nur, kein Geld in der Tasche zu haben, sie verändert jeden Aspekt des Lebens der Menschen."

Alleinverdienende sind keinesfalls die einzigen Betroffenen. John and Maria Buma, die ein Haus in La Jolla, in der Nähe von San Diego, Kalifornien, besitzen, sind ebenfalls von dem Platzen der Immobilienblase betroffen. Maria, 28, ist Maschinenbauingenieurin bei einer Softwarefirma im Ort. John, 30, arbeitet als Laborant bei Johnson & Johnson. Sie haben zwei Kinder.

Als die Bumas 2005 ihre Hypothek aufnahmen, lag der durchschnittliche Preis für ein Haus in San Diego über 600.000 Dollar. Ihr Haus, das sie mit einem Nur-Zins-Kredit mit variablen Raten für 500.000 Dollar gekauft haben, ist im Wert um 10 Prozent auf 450.000 Dollar gesunken. Obwohl sie seit zwei Jahren ihre Hypothek zurückzahlen, besitzen sie bis jetzt nichts von ihrem Haus.

John Buma erklärte gegenüber der WSWS: "Wir waren wenigstens so klug, einen Kredit aufzunehmen, der erst nach fünf und nicht nach drei Jahren angepasst wird. Wenn wir jetzt schon höhere Raten bezahlen müssten, dann würden wir wirklich in der Klemme sitzen. Nachdem die Hypothek, das Auto, die Anleihe für das Studium und die Kindertagesstätte bezahlt sind, haben wir noch 100 Dollar in der Woche zur freien Verfügung. Wir sparen nicht soviel, wie wir sollten; wenn einer von uns den Arbeitsplatz verliert oder krank wird, dann überstehen wir das nur ein paar Monate."

Die WSWS sprach auch mit Carol Trowell, einer Börsenmaklerin bei Century 21 DuPont Realtors in Detroit. "Die meisten Leute, bei denen jetzt zwangsvollstreckt wird, wussten nicht, worauf sie sich einließen. Hausbesitzer zu sein, ist der amerikanische Traum, aber die Menschen haben nicht verstanden, was sie da beantragt haben - sie haben nur auf die Anfangsraten geschaut und unterschrieben. Jetzt können viele von denen, die Subprime-Hypotheken bekommen haben, das nicht mehr finanzieren.

Die Leute haben flexible Hypothekensätze bekommen, die für zwei bis drei Jahre niedrig geblieben sind. Aber jetzt gehen die Sätze hoch, und die Leute können ihre monatlichen Raten nicht mehr bezahlen. Was soll man machen, wenn die Rate ursprünglich 700 Dollar betrug und jetzt - mit allen zusätzlichen Steuern - auf 1.700 Dollar steigt, wenn man einfach nicht das Geld hat, das zu bezahlen?"

Detroit, das durch den anhaltenden Abbau in der Autoindustrie schwer gezeichnet ist, weist unter allen Großstadtregionen die höchste Zahl an Zwangsvollstreckungen in den USA auf. "Ich denke, dass der Verlust des Arbeitsplatzes der Hauptgrund dafür ist, dass Menschen in die Zwangsvollstreckung getrieben werden", fährt Trowell fort, und fügt hinzu: "Wie soll man seine Hypothek zurückzahlen, wenn man nicht einmal einen Job hat?"

In der Stadt ist innerhalb eines Monats von Juni auf Juli die Zahl der Zwangsvollstreckungen um 70 Prozent gestiegen. "Die negativen Auswirkungen machen sich bemerkbar, und sie werden mindestens noch das nächste Jahr anhalten, wenn nicht länger", erklärt Ms. Trowell. "Wenn Sie durch Detroit gehen, dann sehen sie in jeder Straße mindestens zwei Häuser, die zwangsvollstreckt wurden." In der Tat meldete Detroit im Juli eine Zahl von insgesamt 8.683 Anträgen auf Zwangsvollstreckung. Wie viel menschliches Elend verbirgt sich hinter dieser alarmierenden Zahl?

Siehe auch:
Die sozialen Kosten der Krise am US-Hypothekenmarkt - Teil 1
(12. September 2007)
Heftige Schwankungen an den Weltmärkten
( 19. August 2007)
Verunsicherung im Kreditwesen löst Absturz des Aktienmarktes aus
( 16. August 2007)
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