Amerikanische Automobilarbeiter legen General Motors lahm

Die folgende Erklärung ist von der Amerikanischen SEP am ersten Tag des Streiks von 74, 000 General Motors Arbeitern verfasst worden. Am Mittwochmorgen hat die Führung der Auto-Gewerkschaft einen Deal ausgehandelt, der im Wesentlichen allen Forderungen des GM Managments entspricht. Wir werden in den nächsten Tagen einen zusätzlichen Artikel abdrucken, der ausführlich das Ergebnis dieses Ausverkaufs behandelt.

Dreiundsiebzigtausend Arbeiter von General Motors haben am Montag die größte Automobilfirma der USA bestreikt. Beim Kampf zur Verteidigung ihrer grundlegendsten Bedürfnisse - Gesundheitsfürsorge, Jobs und Löhne - legten sie alle 82 Niederlassungen still.

Als die Arbeiter nach der am Sonntagnacht von der Gewerkschaftsführung der United Auto Workers (UAW) auf 11 Uhr gesetzten Frist zum Streik aus den Fabriken strömten, waren sie in militanter, entschlossener Stimmung und voller Zorn über die jahrelangen Angriffe durch das GM- Management. Es war überdeutlich, dass die Arbeiter - ungeachtet ihres Misstrauens gegenüber der Gewerkschaftsführung - stolz darauf waren und Genugtuung darüber empfanden, die Solidarität und Macht der industriellen Arbeiterklasse zu zeigen.

Der Streik bei GM - der erste nationale Streik um Tarife in der Automobilindustrie seit 31 Jahren und der erste bei GM seit dem 67 Tage langen Streik von 1970 - ist bezeichnend für die wachsende Bereitschaft zum Widerstand nicht nur bei Arbeitern in der Automobilindustrie, sondern unter arbeitenden Menschen in den USA und in aller Welt.

Die Kämpfe der US-Automobilarbeiter waren in der Geschichte bahnbrechend für alle Arbeiter in den Vereinigten Staaten. In den 1950er und 1960er Jahren erstritten Automobilarbeiter die erste vollbezahlte Gesundheitsfürsorge für Arbeiter und Rentner in den USA. Allerdings haben die drei großen Automobilhersteller in Detroit in den letzten drei Jahrzehnten die Politik verfolgt, den Lebensstandard der Arbeiter drastisch zu senken und die Profite und Einkommen des reichsten obersten Prozentes in Amerika hochzutreiben.

Der Streik setzt allem Gerede über das Ende des Klassenkampfes in den USA ein Ende. Seine Wirksamkeit - die Produktion in allen heimischen GM-Fabriken stillzulegen und die Versorgung der GM-Fabriken in Mexiko und Kanada zu unterbrechen - ist ein Beweis für die fundamentale Wahrheit, dass Arbeiter den Reichtum der Gesellschaft hervorbringen, nicht die Topmanager der Konzerne und nicht die Investoren in Hedge-Fonds.

Trotzdem ist es notwendig, eine deutliche Warnung auszusprechen. Der Bürokratie in der Leitung der Automobilarbeitergewerkschaft (UAW) kann keinerlei Vertrauen geschenkt werden, dass sie die Art von Kampf führt, der notwendig ist, um die historischen Zugeständnisse zurückzuweisen, die GM von den Arbeitern fordert. Wenn die Streikführung in den Händen der Funktionäre der UAW bleibt, wird der Arbeitskampf mit einem weiteren Verrat enden.

Das darf nicht zugelassen werden. Die hart erkämpften Leistungen für Hunderttausende von Arbeitern im Ruhestand und der Lebensstandard der 180.000 aktiven Arbeiter in der UAW und der nächsten Generation von Arbeitern in den drei großen US-Automobilfirmen stehen auf dem Spiel. Man muss, die Lehren aus dem über drei Jahrzehnte dauernden Verrat durch die Bürokratie der UAW ziehen. Das beginnt mit der Notwendigkeit, dass einfache Arbeiter ihre eigenen Streikkomitees unabhängig von der Gewerkschaftsführung bilden.

Die kämpferische Stimmung der Arbeiter stand in schärfstem Kontrast zu der Feigheit und Unterwürfigkeit, von denen die Bemerkungen des UAW-Präsidenten Ron Gettelfinger auf einer Pressekonferenz durchdrungen waren, die kurz nach Beginn des Streiks stattfand.

Gettelfinger drückte seine Enttäuschung darüber aus, einen Streik ausrufen zu müssen, den "niemand wollte". Er sagte, die Gewerkschaft habe ihr Möglichstes getan, um GM zu helfen, und er las eine Liste der jüngsten Zugeständnissen vor. Die fing mit der Abschaffung der garantierten jährlichen Gehaltserhöhungen an und ging über die Milliarden von Dollar kostenden Zugeständnisse bei der Gesundheitsfürsorge der Rentner bis zur Zusammenarbeit mit GM bei den Restrukturierungsplänen, die 34.000 UAW-Jobs kosteten.

"Wir waren sehr besorgt um diese Firma. Wir haben eine Menge für sie getan. Aber es kommt der Zeitpunkt, wo dich jemand vollständig fertigmachen will, und das geschieht hier." Er schoss damit, dass er klarmachte, dass die Gewerkschaft - zum Wohl der Wall Street - bereits einen Handel darüber abgeschlossen hatte, die Firma von ihrer tariflichen und gesetzlichen Verpflichtung zu entbinden, die Gesundheitsfürsorge von über 400.000 Arbeitern im Ruhestand und deren Angehörigen zu gewähr leisten.

"Dieser Streik betrifft nicht die VEBA", beharrte er, womit er den Aufbau einer freiwilligen Fürsorge-Versicherung von Beschäftigten meinte, die es den Automobilfirmen gestattet, ihre Verpflichtungen zur Gesundheitsfürsorge für Rentner loszuwerden, indem sie einen Multi-Milliarden schweren Fonds gründen, den die Gewerkschaft verwaltet. Er fügte hinzu, dass die Gewerkschaft Gespräche darüber sofort wieder aufnehmen würde, um "den Streik und diese Verhandlungen zu beenden".

Den Kern von Gettelfingers Bemerkungen bildete eine Bitte an die Firma, einer Arbeitsplatzgarantie zuzustimmen - als Gegenleistung für den in der Geschichte der Gewerkschaft einmaligen Ausverkauf der Gesundheitsfürsorge - welche die UAW benutzen könnte, um den Vertrag den zornigen und skeptischen Gewerkschaftsmitgliedern schmackhaft zu machen. Sogenannte "Arbeitsplatzgarantien" waren nahezu dreißig Jahre lang ein Kennzeichen der Verträge der Großen Drei (GM, Ford und Chrysler). Dadurch ist die Zahl der UAW-Jobs von 750.000 auf 180.000 gesunken, wobei 100.000 dieser Stellen allein in den letzten vier Jahren abgebaut wurden. Bei GM ist die Zahl der Stellen von rund einer halben Million im Jahr 1970 auf 73.000 heute gesunken.

Diejenigen, die ihren Job behalten haben, mussten erleben, dass sich ihre Arbeitsbedingungen verschlechtern und ihre Löhne stagnieren, insofern sie seit 1992 mit einer jährlichen Rate von nur 1,5 Prozent über dem Inflationsniveau angehoben wurden. Gleichzeitig haben sich die Vorstände der Automobilfirmen bereichert, wobei allein der Vorstandsvorsitzende von GM, Rick Wagoner letztes Jahr insgesamt 10,2 Millionen an Aufwendungen bezogen hat.

Die Ankündigung einer Frist für den Beginn des Streiks durch die Gewerkschaft, neun Tage nach dem Auslaufen des offiziellen Tarifvertrags, schien die Medien zu überraschen. Gewerkschaftsfunktionäre hatten wissen lassen - trotz der Nachrichtensperre über die Verhandlungen, die die Arbeiter im Dunkeln ließ - dass sie keine Absicht hätten, einen Streik auszurufen. Es scheint, dass die Gewerkschaft aus Verzweiflung ihren Kurs gewechselt hat, weil sie gefangen ist zwischen der skrupellosen Unnachgiebigkeit der Firma, die keine Absicht hat, den Stellenabbau und das Outsourcing zu stoppen und ein gespaltenes Lohnsystem einführen will und den Anzeichen wachsender Unruhe unter den Arbeitern.

Für die Arbeiter bedeutet der Streik den Beginn eines lange verschobenen Kampfes, um die Dezimierung von Jobs, Löhnen, Arbeitsbedingungen und Versicherungsleistungen zu stoppen und umzukehren. Für die UAW ist es ein Manöver, ihre Zusammenarbeit mit dem Management zu verheimlichen und ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit bei den Arbeitern zurückzugewinnen, indem sie etwas Dampf ablassen, bevor sie ein weiteres Mal kapitulieren.

Bei den gegenwärtigen Verhandlungen konspiriert die UAW erneut hinter dem Rücken ihrer Mitglieder, um die Interessen der kleinen Truppe von hochbezahlten Bürokraten zu verteidigen, welche die Gewerkschaft kontrollieren. Die Gewerkschaft und das Management haben sich bereits auf das VEBA-Modell geeinigt, womit über 10 Milliarden Dollar in einen von der Gewerkschaft kontrollierten Fonds überführt werden.

Dadurch wird die UAW von einem bürokratischen Verbündeten der Firmen zu einem profitmachenden Unternehmen in eigener Sache, dessen Interessen direkt denen der Arbeiter, die sie eigentlich vertreten soll, entgegen stehen. Wenn sie diesen Investmentfonds - einen der größten in den USA - in die Hände bekommt, wird sie mit den Worten des Wall Street Journal "zu einem bedeutenden Player in Finanzkreisen." Dann wird die UAW direkt dafür verantwortlich sein, alle neu entstehenden Defizite durch Kürzung der Leistungen für Rentner und weitere Konzessionen von den aktiven Arbeitern auszugleichen.

Trotz der Aussage von UAW-Präsident Gettelfinger, dass "die Rentner nichts zu befürchten haben", hatte die UAW zugestimmt, dass die VEBA, als der Maschinenhersteller Caterpillar in Insolvenz geriet - die Rentner dazu zwang, durch Zuzahlungen und Prämien ihre Gesundheitsfürsorge mitzufinanzieren. Die Gewerkschaft half dann dabei, eine 50-prozentige Lohnkürzung für Neuangestellte durchzusetzen, um den angeschlagenen Fonds wieder aufzufüllen.

Die endlos von GM heruntergebeteten Behauptungen, die von "Industrieexperten" wiederholt und von den Medien hinausposaunt werden, wonach die Mittel für ordentliche Löhne, Jobsicherheit, Gesundheitsfürsorge und Renten nicht vorhanden seien, sollten die Arbeiter energisch zurückweisen. Der gewaltige Zuwachs an Produktivität - angetrieben durch Fortschritte in Wissenschaft und Technologie, wie Roboter, Computerisierung und Kommunikation über Satelliten - und die globale Vernetzung bei der Herstellung von Automobilen haben den von Arbeitern produzierten Wohlstand massiv vergrößert.

Das wirkliche Problem ist dieses: Wird der durch Arbeit produzierte Wohlstand verwendet, um der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Bevölkerung und der Gesellschaft als Ganzes zu Gute zu kommen oder wird er weiterhin das Monopol geldgieriger großer Investoren, Spekulanten und Vorstandsvorsitzender sein, deren Gier nur noch von ihrer Inkompetenz übertroffen wird? Die Krise der Automobilfirmen in den USA ist in einem hohen Maß durch die gesellschaftlich zerstörerische und manische Selbstbereicherung der Bosse verschlimmert worden.

Die Arbeiter bei GM sollten das VEBA-Modell und alle von der UAW gemachten Zugeständnisse ablehnen. Die Verhandlungen müssen der UAW-Bürokratie aus der Hand genommen werden, indem unabhängige Komitees gewählt werden, die für die demokratisch entschiedenen Forderungen der Basis kämpfen.

Außerdem sollten Komitees aus Angestellten und Stundenlohnempfängern organisiert werden - unabhängig von der UAW - um den Streik auf Ford, Chrysler und die Zulieferer auszudehnen. Massenversammlungen und Demonstrationen als Teil einer breiten Kampagne sollten abgehalten werden, um Unterstützung für die GM Arbeiter zu gewinnen. Dies sollte in eine Kampagne münden, in der die arbeitende Bevölkerung, jung und alt, die von Fabrikschließungen und Entlassungen bedroht ist, sich in den Kommunen mit der Arbeiterklasse in ganz Nordamerika und weltweit vereinigt.

Die Arbeiter von GM sollten an solidarische Aktionen ihrer Brüder und Schwestern in Kanada, Mexico, Asien und Europa appellieren. Die Antwort auf die Strategie der Spaltung und Unterwerfung, welche die Arbeitgeber verfolgen, ist nicht der Nationalismus und fremdenfeindliche Chauvinismus, mit dem die UAW hausieren geht, sondern vielmehr die internationale Einheit und Solidarität von Arbeitern in allen Ländern.

Der Kampf zur Verteidigung von Jobs und Lebensstandard ist nicht allein ein Kampf gegen einen Arbeitgeber, sondern vielmehr ein politischer Kampf gegen die gesamte wirtschaftliche und politische Ordnung in den USA, in der die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen der Bereicherung einiger Leute an der Spitze geopfert werden.

Die Demokratische Partei, die vorgibt, eine Partei der arbeitenden Menschen zu sein, steht vollständig hinter den Angriffen der großen drei Automobilhersteller. Obwohl die Bewerber für die Nominierung als Präsidentschaftskandidaten im Jahr 2008 bei den führenden Demokraten - Hilary Clinton, Barack Obama, John Edwards - oberflächliche Aussagen zur Unterstützung der GM-Arbeiter machten, setzen sich alle dafür ein, das Profitsystem zu verteidigen, das für die Angriffe auf die Jobs und den Lebensunterhalt der Arbeiter und ihrer Angehörigen verantwortlich ist.

Die einzige Antwort auf den Abbau von Jobs und Lebensstandards ist die Überführung von GM und der gesamten Automobilindustrie in öffentliche Unternehmen, die demokratisch von Automobilarbeitern und der ganzen arbeitenden Bevölkerung kontrolliert werden. Arbeiter haben ein umfassendes Wissen über den Betrieb in der Industrie und sie können, mit der Hilfe von geschulten Ingenieuren und anderen Fachleuten, die sich dem gemeinen Wohl verschrieben haben, die Industrie deutlich effizienter gestalten als ihre Bosse.

Ein erfolgreicher Kampf der Arbeiterklasse bedarf des vollständigen Bruchs mit den Demokraten und dem Zwei-Parteiensystem. Er erfordert den Aufbau einer sozialistischen Partei, die der Arbeit und den Lebensstandards aller Arbeiter in der Welt Vorrang vor den persönlichen Vermögen der finanziellen Eliten einräumt.

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