Die Wahlen zur russischen Duma am 7. Dezember gaben der Unzufriedenheit, die von Dutzenden Millionen Bürgern angesichts der Bedingungen empfunden wird, die in den letzten zehn Jahren mit der Politik der "Marktreformen" geschaffen wurden, nur einen stark verzerrten Ausdruck. Das Abstimmungsergebnis zeigt, dass die Bevölkerung der fortlaufenden Zerstörung der sozialen Bedingungen, dem sinkenden Lebensstandard und der wachsenden sozialen Ungleichheit immer feindlicher gegenübersteht. Gleichzeitig verfügt sie einem politischen System, das von Ex-Stalinisten und der neuen Klasse krimineller Unternehmer aufs zynischste manipuliert wird, über keine reale politische Alternative.
Die Partei "Einiges Russland", eine prinzipienlose Vereinigung von Staatsbeamten und Vertretern des Großkapitals, die Präsident Wladimir Putin unterstützen, ging als wichtigster Sieger aus den Wahlen hervor. Sie konnte 37 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, womit sie mehr als 200 der 450 Abgeordnetensitze der neuen Duma innehaben wird. Sie wird damit de facto die Duma dominieren und gemeinsam mit den zwei weiteren Pro-Kreml-Parteien die Macht haben, die russische Verfassung bei Bedarf zu ändern.
Das zweite überraschende Ergebnis der Wahlen war das Scheitern der zwei führenden liberalen Parteien, der Union Rechter Kräfte (SPS) und Jabloko. Sie verfehlten die Fünfprozenthürde und konnten nicht ins Parlament einziehen, trotz der massiven finanziellen Unterstützung durch verschiedene Oligarchenclans, und ihrer Präsenz in den Massenmedien. Dieses vernichtende Votum hängt damit zusammen, dass hauptsächlich diese Partein mit der sozialen Katastrophe seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, mit der Politik der "Schocktherapie" und der kriminellen Privatisierungen unter der Ägide von Anatoli Tschubais assoziiert werden.
Der Erfolg der nationalistischen Kräfte zeigte sich vor allem im Stimmenzuwachs für die chauvinistische Liberaldemokratische Partei Russlands (LDPR) des ultrarechten Demagogen Wladimir Schirinowski. Die LDPR hatte ihren Wahlkampf unter der Losung "Für die Russen, für die Armen" geführt und erreichte ein Ergebnis von 12 Prozent. Schirinowskis Stimmenzuwachs kann mit der aktiven Unterstützung vonseiten des Staates und den wichtigsten Fernsehstationen erklärt werden, die seine Possen in den Wochen vor den Wahlen fast täglich dokumentierten.
Bedeutende Unterstützung erhielt ebenfalls der Block Rodina (Heimat), auf den 9 Prozent der Stimmen entfielen. Dieser Block war nur wenige Wochen vor den Wahlen gebildet worden und stellte die Forderung nach der Verstaatlichung der natürlichen Ressourcen ins Zentrum seiner Wahlkampagne. Er wird angeführt von Sergej Glasjew, Ökonom und früherer Minister in der Regierung Jegor Gaidar, die die Schocktherapie in Gang setzte, und Dmitri Rogosin, einem Nationalpopulisten und ehemaligen Partner General Alexander Lebeds in den Wahlen von 1996. Rogosin gelang es erst Anfang des Jahres in den Verhandlungen mit der EU zum Status der russischen Exklave Kaliningrad seine Autorität bei der Vertretung russischer Interessen im Ausland aufzuwerten.
Rodina gilt als Kremlpartei, mit der auf zynische Art und Weise versucht wurde, den Einfluss der Kommunistischen Partei (KPRF) zu schwächen, und mit deren Hilfe ein politischer "Deckmantel" für den Angriff Putins gegen eine Reihe Oligarchen geschaffen werden sollte.
Gennadi Sjuganows KPRF schließlich verlor gravierend an Einfluss und sank mit knapp 13 Prozent der Stimmen auf ein Rekordtief ab. Die KPRF war in den 90er Jahren das wichtigste Instrument, jede Äußerung sozialen Unmuts in ungefährliche Bahnen zu lenken.
In allen innen- und außenpolitischen Fragen - beginnend mit der Auflösung der Sowjetunion, den Privatisierungen bis hin zum Krieg in Tschetschenien und der Zickzacklinie des Kreml in Bezug auf den US-Krieg im Irak - befand sich diese Partei auf der Seite der Regierung und demonstrierte immer wieder ihre "Verantwortung für den Staat" und ihre unauflösbare Verbindung mit den Interessen der neuen herrschenden Elite. Der wirkliche Charakter der KPRF zeigte sich besonders in der direkten Allianz mit den wichtigsten oligarchischen Klans. Mehrere Vertreter von ihnen fanden sich auf den Wahllisten der KPRF.
Keinerlei öffentliche Debatten
Der Wahlkampf war dadurch gekennzeichnet, dass buchstäblich alle wichtigeren Themen aus der Diskussion herausgehalten wurden. Die obsiegende Partei "Einiges Russland" hielt sich sogar demonstrativ von allen Fernsehdebatten fern. Einer der Kommentatoren der Njesawissimaja Gaseta schrieb am 5. Dezember: "Die Wahlkampferklärungen dieses Jahres bringen einen politischen Konsens zum Ausdruck. Es ist das erste Mal, dass die führenden Parteien fast in allem einer Meinung sind - beginnend mit der Bewertung der aktuellen Situation bis hin zur Rangliste unaufschiebbarer Maßnahmen."
Weiter schreibt er: "Den Russen steht eine nie gesehen schwierige Wahl bevor. Doch leider ist es keine Wahl zwischen Programmen, Ideologien und politischen Strategien, sondern eine Wahl zwischen wählen gehen' und nicht wählen gehen' oder gegen alle' zu stimmen. Dass die Parteien ihre Programme gegenseitig abschreiben, ist ein Zeichen der Nichtachtung gegenüber dem Wähler. Die Erwartung geht dahin, dass das Wahlvolk alles schluckt, ohne sich zu verschlucken. Wer würde auch verstehen, warum Parteien, die ein und dasselbe versprechen, getrennt marschieren und so tun, als seien sie unversöhnliche Gegner?"
Die Wahlbeteiligung fiel im Vergleich mit den Wahlen von 1996 und 1999 geringer aus. Die Zentrale Wahlkommission konnte nur unter Anwendung von Tricks melden, dass 60 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen seien. Selbst dieses Ergebnis bedeutet, dass die siegreiche Pro-Putin-Partei nur von gerade 20 Prozent der Bevölkerung unterstützt wird.
Bei diesen Wahlen war auffallend, dass jeglicher Ausdruck der Verteidigung der Interessen der breiten Mehrheit der russischen Bevölkerung fehlte. Alle Parteien und Organisationen, die auf dem Wahlzettel standen, sind Parteien des Großkapitals oder der Bürokratie, die sich nur darin unterscheiden, inwieweit sie "Markt-" oder "staatlichen" Werten anhängen und soziale Demagogie betreiben. Selbst der gegenüber dem Kreml höchst loyale Chefredakteur der Njesawissimaja Gaseta, Witali Tretjakow, der mittlerweile bei der regierungsfreundlichen Zeitung Rossiskaja Gaseta regelmäßig Kolumnen schreibt, sah sich veranlasst das zuzugeben. Am 20. November schrieb er: "Es gibt nicht eine Partei, die auch nur andeutungsweise auf die Ansprüche oder die ethischen und ästhetischen Maßstäbe eines normalen Menschen reagiert."
Die wachsende soziale Ungleichheit
Die Wahlen fanden vor dem Hintergrund sich verschlechternder Beziehungen zu den USA - in Bezug auf Georgien und Moldawien - als auch in einer Atmosphäre tiefer Instabilität wegen des andauernden Krieges in Tschetschenien statt. Zwei Tage vor den Wahlen, am 5. Dezember, explodierte im Nordkaukasus in einem vollbesetzten Vorortzug eine Bombe und riss 41 Menschen in den Tod. Über 150 wurden verletzt. Zwei Tage nach den Wahlen, am 9. Dezember, explodierte im Zentrum Moskaus vor dem Hotel "National" eine weitere Bombe und tötete 6 und verletzte 14 Menschen.
Den Nährboden für diese Instabilität bildet eine tiefe soziale Kluft, die eine äußerst dünne Schicht "neuer russischer" Unternehmer von der absoluten Mehrheit der Gesellschaft trennt. Die Zahlen sprechen für sich.
· Entsprechend der Volkszählung von 2002 gibt es in Russland ca. eine Million Arbeitgeber, zwei Millionen private Unternehmer und noch etwa 600.000 Menschen, die von Einkommen aus Vermögen oder der Vermietung von Immobilien leben. Es gibt also etwa 3 Millionen Menschen, die "etwas zu verlieren haben". Auf der anderen Seite leben 140 Millionen Menschen von ihrem Arbeitslohn oder ihrer Rente und kommen auf ein durchschnittliches Monatseinkommen von 150 Dollar.
· Nach offiziellen Angaben betrug 1991 das Einkommen der reichsten 10 Prozent etwa das 4,5fache dessen, was die ärmsten 10 Prozent bekamen. Im Jahre 2000 ist dieses Verhältnis auf 14,3 angestiegen. Anderen Angaben zufolge fließen den reichsten 2 Prozent heute 33,5 Prozent des Geldeinkommens zu, während die ärmsten 10 Prozent nur 2,4 Prozent bekommen.
· Ende 2001 lag das Existenzminimum nach Angaben des Staatlichen Statistikamtes bei monatlich etwa 55 Dollar, und der Anteil der Bevölkerung, die unterhalb dieser Armutsgrenze leben musste, bei einem Drittel - also fast 50 Millionen Menschen.
· Eine Studie der Bank UBS Brunswick Warburg kam zu dem Ergebnis, dass 85 Prozent des Kapitals der größten russischen Unternehmen, die sich in privater Hand befinden, von gerade 8 Aktionärsgruppen kontrolliert werden.
· Dem amerikanischen Magazin Forbes zufolge befinden sich unter den reichsten Menschen der Welt 17 Russen, deren Vermögen jeweils eine Milliarde Dollar übersteigt.
Diese soziale Polarisierung und die politischen Konsequenzen dieser grandiosen Konzentration von Eigentum in den Händen einer dünnen Minderheit machen die Aufrechterhaltung jeglicher Form demokratischer Herrschaft unmöglich.
Die Schärfe dieses Problems wird sogar von den dominierenden Massenmedien zugegeben. Typisch ist ein Artikel aus der Rossiskaja Gaseta vom 2. Dezember unter der Überschrift "Zwei Russlands" vom Politologen Leonid Radsichowski:
"Breite Massen arme Wähler und Abgeordneten-Millionäre (mehr als die Hälfte der Kandidaten für die Parlamentswahlen sind laut ihren eigenen freiwilligen Angaben bei der Vermögenserklärung Dollar-Millionäre)... Es ist klar, dass es keine gemeinsamen Interessen geben kann. Die Kandidaten versuchen das Wahlvolk mit dünnen Fädchen Demagogie an sich zu binden, die am Wahltag ausleiern und reißen. Diese antagonistischen' Wahlen sind nur deshalb nicht der Vorbote einer gesellschaftlichen Explosion oder einer Revolution, weil der naive Glaube oder die Hoffnung fehlen, die für eine Revolution notwendig sind. Doch derartige Wahlen drohen die wählenden Unteren' von der Politik zu entfremden und die gewählten Oberen' mit enormem politischen Zynismus zu erfüllen."
Probleme werden mit "autoritären Mitteln" gelöst
Auf die wachsende Entfremdung der breiten Massen gegenüber der neuen herrschenden Elite reagiert diese mit immer undemokratischeren Maßnahmen. Diese Tendenz, die im Vergleich zur Jelzin-Periode unter Putin noch weiter vertieft wurde, wird von Politikexperten und den Massenmedien mit dem Begriff "gelenkte Demokratie" bezeichnet.
Was dieser Euphemismus tatsächlich bedeutet, wird in einem Interview deutlich, das einer der wichtigsten Verfechter dieses Kurses, der Politologe Sergej Markow, der Süddeutschen Zeitung gab, und das in der Ausgabe vom 2. Dezember veröffentlich wurde. Hier der bezeichnendste Auszug aus diesem Interview:
" SZ: Und wie funktioniert diese gelenkte Demokratie?
Markow: Die Idee ist simpel. Eine gelenkte Demokratie ist ein System, bei dem diejenigen Probleme demokratisch gelöst werden, die sich demokratisch lösen lassen. Diejenigen Probleme, die sich mit demokratischen Mitteln nicht entscheiden lassen, die werden mit anderen Mitteln entschieden.
SZ: Und welche sind das?
Markow: Autoritäre...
SZ: Und wer entscheidet, wann demokratische Methoden anzuwenden sind und wann autoritäre?
Markow: Darüber entscheiden der Präsident und seine Administration."
Die Stärkung der autoritären Tendenzen wird von einer Stärkung des Repressionsapparates begleitet, einer Stärkung der Rolle der Geheimdienste, allgemeinen Angriffen auf demokratische und zivile Rechte und einer aggressiveren Politik im Interesse der Reichen. Drei Jahre Putin haben sehr viel in diese Richtung bewirkt: es wurde eine Steuer in Höhe von 13 Prozent auf alle Einkommensarten eingeführt, die einheitliche Sozialabgabe wurde um 5 Prozent gesenkt, eine Rentenreform wurde durchgeführt (mit dem Ziel, die Rentenmittel unter die Kontrolle privater Fonds zu bringen), eine weitere Kürzung der Ausgaben für die wichtigsten Sozialprogramme und -hilfen wurde umgesetzt und die langfristig geplante Reform der Energiesystem und der Bereitstellung kommunaler Dienstleistungen wurde in die Wege geleitet.
Politische Entscheidungen werden hinter den Kulissen getroffen, während die Rolle des Parlaments nur noch rein dekorativer Art ist.
Das Schicksal des liberal-bürgerlichen Parlamentarismus in Russland sieht überhaupt sehr düster aus. Anfang des vergangenen Jahrhunderts berief der Zar nach eigenem Gutdünken die Duma ein und löste sie auch wieder auf. Als das Parlament kurzzeitig - zwischen Februar und Oktober 1917 - eine gewisse Eigenständigkeit bekam, wurde es von den Arbeiter- und Soldatenräten dominiert und konnte nur dank der kompromisslerischen Politik der Menschewiki und Sozialrevolutionäre in der Führung der Räte einen Anschein der Macht aufrechterhalten.
Als das Oberhaupt der provisorischen Regierung, Ministerpräsident Alexander Kerenski, den Versuch unternahm, die Macht zu konsolidieren, konnte er sich auf niemanden anderes als auf den extremen Rechten und eine Diktatur anstrebenden General Kornilow stützen. Damit diskreditierte Kerenski die Idee eines bürgerlichen Parlamentes in den Augen der Arbeiter- und Bauernmassen.
Im Januar 1918 lösten die Bolschewiki die Nationalversammlung auf. Sie stützten sich auf den Willen des Volkes, der in der Machtergreifung durch die revolutionäre Partei und der im Vergleich zum Parlamentarismus höheren Form der Rätedemokratie seinen Ausdruck fand. Zur Verteidigung der Nationalversammlung fand sich nur eine kleine Gruppe Menschen bereit.
Siebzig Jahre später, mit dem Zusammenbruch des Stalinismus, glaubten viele, dass der Parlamentarismus in Russland endlich seine Chance bekommen habe. Diese Hoffnungen erwiesen sich jedoch als nicht sehr langlebig. Nachdem Jelzin im Herbst 1993 das Parlamentsgebäude mit Panzern hatte beschießen lassen, wurde dem Land eine Verfassung aufgezwungen, in der der Duma eine ähnliche Rolle wie unter dem letzten Zaren zugewiesen wurde. Der Kreis der Geschichte hat sich geschlossen. Der Parlamentarismus ist wieder dahin zurückgekehrt, wo er ein Jahrhundert zuvor begann.
Das Ergebnis der letzten Wahlen bestätigt nur den völligen Zusammenbruch des Parlamentarismus in Russland. Russland hat nun ein sogenanntes "Anderthalb-Parteien-System" (die "Partei der Macht" plus andere Fraktionen, die ihr die Macht sichern). Das Parlament hat keinerlei Autorität in der Bevölkerung, und der Präsident betrachtet es als ein demokratisches Feigenblatt, das die von seiner Administration ausgearbeiteten Gesetze formal bestätigt.
Die scheinbare Allmacht des Putin-Regimes hat jedoch ziemlich klare Grenzen. Es kann einen bestimmten Oligarchen kaltstellen und oder einen Gouverneur wählen lassen, es kann aber keinen verlässlich funktionierenden Staatsapparat errichten, die Gesetze praktisch durchsetzen, die Korruption bekämpfen oder den regionalen Separatismus verhindern usw.
In Wirklichkeit ist die scheinbare Macht des Präsidenten nur die Kehrseite der allgemeinen Impotenz des Regimes. Das gehorsame Parlament ist nicht in der Lage, Stabilität und "Demokratie" zu sichern. Es verschärft im Gegenteil die allgemeine Verwundbarkeit der Regierung bei jeder innen- oder außenpolitischen Krise. Das ist die Logik eines bonapartistischen Regimes: je mehr es versucht, seine Stellung "über den Klassen" zu stärken, desto weniger ist es in der Lage, auf soziale Impulse zu reagieren, und desto schwächer ist es angesichts jeder sozialen Erschütterung.
Keine Zukunft für das russische Parlament
Die Ereignisse seit 1991 haben deutlich gezeigt, dass der bürgerlich-liberale Parlamentarismus keine unabhängige oder fortschrittliche Rolle in Russland spielen kann. Diese Tatsache ist nur ein Ausdruck der technischen und wirtschaftlichen Rückständigkeit des Landes unter einem kapitalistischen Regime.
Weil die Autorität des Parlaments kontinuierlich herabgesetzt wurde, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sich dieser Trend umkehrt. Doch die Regierung und ihre westlichen Gönner interpretieren das Wahlergebnis in dieser Weise. Nach der Abstimmung erklärte Putin, das Ergebnis signalisiere eine "Bewegung in Richtung Demokratie". Gleichzeitig bestätigte er, dass die "Reformen" zugunsten der neuen Eigentümer und transnationalen Konzerne fortgesetzt würden.
Im Westen wurden die Wahlen einer gewissen, dosierten Kritik unterzogen, ihr Ergebnis aber unterstützt. Eine typische Reaktion war die Überschrift des Leitartikels der New York Times vom 8. Dezember: "Russland ist ein kleines Stück weiter Richtung Demokratie gekommen".
Trotz der Lehrsätze der modernen liberalen Mythologie bietet der kapitalistische Westen nicht die geringste Garantie für eine demokratische Entwicklung in Russland. Das internationale Kapital ist unabdingbar auf die Fortsetzung der kapitalistischen Reformen angewiesen. Dieses Ziel ist "zur Zeit" wichtiger als die westlichen Beschwörungen der "heiligen Grundlagen" der Demokratie. Für die europäischen und amerikanischen Regierungen ist der Putinsche Autoritarismus das "kleinere Übel", das akzeptiert und sogar ausgenutzt werden muss.
Diese Wahlen geben der russischen Arbeiterklasse nichts. Die Politik, das soziale und wirtschaftliche Erbe der Sowjetunion zu zerstören, wird fortgesetzt. Selbst wenn einige der natürlichen Ressourcen verstaatlicht werden sollten, würde das nur im Interesse des internationalen Kapitals und unter rigider Kontrolle der Bürokratie geschehen, um die sozialen Spannungen etwas zu entschärfen.
Die Herrschaft der "Pro-Präsidenten-Mehrheit" in der Duma wird die Grenzen der neuen sozialen Spaltung schärfer definieren: die organisierte herrschende Klasse steht im diametralen Gegensatz zu den breiten Massen der Bevölkerung. Sie wird immer deutlicher zeigen, dass die Probleme des Landes keine Lösung auf der Grundlage kapitalistischer Reformen finden können. Der Ausweg aus dieser sozialen und politischen Sackgasse besteht in der Schaffung einer neuen Partei der Arbeiterklasse, die sich auf die besten sozialistischen und internationalistischen Traditionen des Bolschewismus und der Russischen Oktoberrevolution von 1917 beruft.