1. Mai: Polizei und DGB gehen gegen Kriegsgegner vor

Zum Tag der Arbeit beteiligten sich am Mittwoch bundesweit rund 330.000 Menschen an über 450 Demonstrationen und Kundgebungen.

Auf den Demonstrationen verurteilten Mitglieder der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) das Massaker in Gaza und den Nato-Stellvertreterkrieg in der Ukraine. Sie traten dafür ein, die Arbeiterklasse weltweit gegen den imperialistischen Krieg zu vereinen. Sie warben für die Maikundgebung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale und riefen zur Befreiung des ukrainischen Sozialisten Bogdan Syrotjuk auf, der wegen seines Eintretens für die Einheit der russischen und ukrainischen Arbeiterklasse verhaftet und eingesperrt wurde.

In Stuttgart erklärte SGP-Europakandidat S. Ratnamaheson: „Das offizielle Motto des DGB – mehr Lohn, Freizeit, Gerechtigkeit – ist eine Lüge. Die Gewerkschaften organisieren systematisch Reallohnsenkungen und sind verantwortlich für die soziale Ungleichheit. Sie sind tief in die Kriegsvorbereitungen der deutschen Regierung verstrickt.“

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Während viele Demonstrationsteilnehmer gegen Kapitalismus und Krieg kämpfen wollten, bekräftigte die Gewerkschaftsbürokratie ihre Unterstützung für die deutsche Kriegspolitik und ging gemeinsam mit der Polizei gegen Kriegsgegner vor. So wurden in Berlin Gegner des Genozids in Gaza von DGB-Kundgebungen ausgeschlossen und polizeilich verfolgt, während die Polizei in Stuttgart Demonstranten gewaltsam angriff und 167 Personen festnahm.

Laut Tagesspiegel nahmen in Berlin rund 30.000 Menschen an über 20 friedlichen Demonstrationen teil. Eine Demonstration in Kreuzberg und Neukölln mit mehr als zehntausend Teilnehmern stand ganz im Zeichen der Opposition gegen den Genozid in Gaza. An einem Protestzug durch das Villenviertel in Grunewald im Westen Berlins beteiligten sich 4000 Menschen.

Vom Demonstrationsmarsch des Deutschen Gewerkschaftsbundes (rund 14.000 Teilnehmer) wurden rund 100 Gegner des Genozids in Gaza auf Initiative von DGB-Funktionären ausgeschlossen und mit Polizeigewalt abgetrennt. Obwohl es sich zu einem Großteil um Gewerkschaftsmitglieder handelte, seien deren „Free Palestine“-Rufe und die Bezeichnung des israelischen Vorgehens in Gaza als Genozid „nicht willkommen“, daher werde man sie „von der Demonstration ausschließen“, so ein DGB-Sprecher.

Als eine Person sich widersetzte, wurden ihre Personalien festgestellt. Anschließend stellten DGB-Funktionäre Strafanzeige wegen „Volksverhetzung“, woraufhin die Polizei gegen zwei Personen Ermittlungen aufnahm. Zuvor hatten Angehörige der DGB-Jugend versucht, Teilnehmern palästinensische Fahnen wegzunehmen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind für ihre offene Unterstützung der deutschen Kriegspolitik berüchtigt. So veröffentlichte die weltweit größte Gewerkschaft IG Metall im Februar ein gemeinsames Papier mit dem SPD-Wirtschaftsforum und der Rüstungslobby, das eine weitere Stärkung der Rüstungsindustrie fordert.

Obwohl die Polizei – die in Berlin mit 6.200 Beamten im Einsatz war – selbst zugab, dass alle Proteste einen „friedlichen Verlauf“ nahmen, wurden 30 Personen festgenommen. Von der Polizei in Umlauf gebrachte Meldungen über „Steindepots“, die angeblich auf Dächern gefunden worden seien, stellten sich später am Abend als Baustellen heraus.

DGB-Kundgebung auf dem Frankfurt Römerberg unter Israel-, Ukraine-, Deutschland-, EU- und DGB-Fahnen

In Frankfurt am Main feierte der DGB den Ersten Mai vor dem mit Ukraine- und Israel-Fahnen geschmückten „Römer“, dem Frankfurter Rathaus. Am Vorabend hatte der regionale DGB-Chef Philipp Jacks hier gemeinsam mit dem Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) die DGB-Fahne gehisst, und Mike Josef war auch als Sprecher auf der Maikundgebung eingeladen.

Die Funktionäre versuchten, sich mit streikenden Lieferando-Fahrern zu umgeben, die bei dem milliardenschweren Lieferdienst mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen konfrontiert sind. Die DGB-Gewerkschaft NGG strebt einen Tarifvertrag und einen Euro mehr Lohn an.

Mit der Kundgebung unter Israel- und Ukraine-Fahnen machte der DGB jedoch auch hier deutlich, wie entschieden er auf Seiten des Staats und der Kapitalisten steht, und dass er insbesondere die Waffen- und Finanzhilfe der Bundesregierung für die Ukraine im Krieg gegen Russland und für den israelischen Genozid im Gaza unterstützt.

In Stuttgart kam es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit der Polizei, in deren Verlauf 167 Demonstrationsteilnehmer festgenommen wurden; ihr Marsch wurde aufgelöst. Mehrere hundert Teilnehmer trugen unter anderem Transparente gegen den Gaza-Krieg und Palästinafahnen, sowie allgemein gehaltene Slogans gegen soziale Ungleichheit und Krieg. Ein sehr großes Polizeiaufgebot, darunter berittene Polizei und Hundestaffel, begleitete den Zug.

Nach kurzer Zeit nahm die Polizeiführung offenbar mehrere nicht-genehmigte Seitentransparente zum Anlass für ein gewaltsames Einschreiten. Rund 150 Teilnehmer an der Spitze wurden vom Rest der Demonstration abgetrennt und eingekesselt, und weil sich die übrigen etwa 400 Teilnehmer nicht abdrängen ließen, sondern stehen blieben und ihre Solidarität mit den Eingekesselten erkennen ließen, wurde der ganze, zuvor genehmigte Demonstrationszug für beendet erklärt und aufgelöst.

Die Polizei behauptete, in dieser Lage „unvermittelt“ mit Pfefferspray, sowie „Dachlatten mit Schrauben“ und anderen „Schlagwerkzeugen“ angegriffen worden zu sein. Eine Polizeimeldung, die in den Medien umgehend unkritisch verbreitet wurde, sprach von 25 verletzten Polizisten und drei verletzten Polizeipferden.

Doch eine Sprecherin des Organisationsbündnisses wies dies zurück und erklärte am späten Mittwochabend laut Spiegel, wenn Einsatzkräfte durch Pfefferspray verletzt worden seien, dann sei dies „durch den massiven Einsatz von Reizgas aus den eigenen Reihen“ geschehen. Zudem interpretiere die Polizei „beschlagnahmtes Material – etwa Halterungen von Hoch-Transparenten und Schildern an Holzlatten – zu Angriffswerkzeug um“.

Die Videos, die von der Auseinandersetzung zirkulieren, zeigen Pfefferspray-Einsatz ausschließlich vonseiten der Polizeibeamten, nebst mehreren berittenen Polizisten, die ihre Pferde in die Demonstrationsspitze hineintreiben. Auf Seiten der Demonstranten wisse man bisher von „95 Verletzten durch Angriffe der Polizei“. Die Rede ist von Verletzungen durch den Einsatz von Schlagstöcken sowie Augen- und Hautreizungen durch Pfefferspray.

Obwohl diese Klarstellungen ein völlig anderes Bild der Ereignisse zeichnen, sprach Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) von „Randalierern und Gewalttätern“, die „das Demonstrationsrecht missbraucht“ und „uns alle“ angegriffen hätten.

An einer DGB-Veranstaltung mit Bratwurst und Musik, die zuvor am Marktplatz stattgefunden hatte, beteiligten sich lediglich 2000 Demonstranten, darunter viele Gewerkschaftsfunktionäre, sowie SPD-, Linkspartei- und MLPD-Aktivisten.

In Leipzig übernahm die DGB-Führung selbst die Polizeifunktion. Die Regionalgeschäftsführerin des DGB, Manuela Grimm, legte persönlich Hand an, um Palästinafahnen herunterzureißen. Als dies nicht gelang, schritten andere Gewerkschaftsfunktionäre ein und verboten schlicht das Mittragen von Palästina-Fahnen. „Ihr habt eine Minute Zeit, die Demo zu verlassen. Es wird nicht diskutiert: Die Minute läuft.“

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