Gegen die Gleichschaltung der Unis! Stoppt das neue Hochschulgesetz!

Mitte Februar kündigte die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) an, der Senat werde das Hochschulgesetz verschärfen, um „die Möglichkeit zur Exmatrikulation von Studenten“ wieder einzuführen. Nun macht ein Leak des Gesetzesentwurfs das volle Ausmaß deutlich. Die Verschärfung des Hochschulgesetzes ist ein Versuch, die Universitäten gleichzuschalten und das Prinzip der Gesinnungsjustiz wieder einzuführen.

IYSSE-Kundgebung gegen den Genozid in Gaza am 13. Dezember 2023 vor der Humboldt-Universität Berlin

Während in den bisherigen öffentlichen Diskussionen „nur“ über eine mögliche Exmatrikulation nach dem Begehen einer Straftat diskutiert wurde, zeigt der geleakte Gesetzentwurf, den u.a. die Student Coalition Berlin veröffentlicht hat, dass der Senat hinter den Kulissen noch viel weitreichendere Pläne schmiedet.

Der Gesetzentwurf ermöglicht Ordnungsmaßnahmen wie eine Exmatrikulation bereits gegen Studenten, die „Einrichtungen der Hochschule zu strafbaren Handlungen nutzen oder zu nutzen versuchen“. Diese extrem unpräzise Formulierung kriminalisiert jede Form des Protests. Von Hörsaalbesetzungen bis hin zu „From the river to the sea“-Rufen kann jeder Protest als strafbar ausgelegt werden und zur Exmatrikulation führen.

Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass Ordnungsmaßnahmen wie Exmatrikulation und „Ausschluss von der Benutzung von Einrichtungen der Hochschule“ bereits verhängt werden können, wenn ein Student „ein Mitglied der Hochschule aus Gründen von rassistischen Zuschreibungen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität in seiner Würde verletzt“ und „nach Art dieser Würdeverletzung und dieses geschaffenen Umfelds eine Behinderung des Studiums oder der sonstigen Tätigkeit dieses Mitglieds droht“.

Diese Form der Gesinnungsjustiz bedeutet die Gleichschaltung der Universitäten. So wird praktisch jegliche Kritik am Vorgehen der israelischen Armee gegen die Palästinenser als antisemitisch diffamiert, könnte also als Anlass für Ordnungsmaßnahmen dienen. Das Gleiche gilt für die unter Studierenden weit verbreitete Opposition gegen rechte und militaristische Professoren.

Über die Verhängung der Ordnungsmaßnahmen, wie der Exmatrikulation, entscheidet ein Ordnungsausschuss, dessen Zusammensetzung die Universitäten in ihrer Satzung festlegen. Selbst die Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, erklärt dazu: „Es ist zu erwarten, dass in der aktuell gesellschaftlich aufgeheizten Stimmung eine Art Schöff*innen-Gericht wie der Ordnungsausschuss nicht in der Lage sein wird, objektive und juristisch valide Entscheidungen zu treffen.“ Sie warnt vor der Einführung einer „Universitäts-Justiz“, die „keine juristische Legitimität“ habe.

Das neue Hochschulgesetz verschärft die Zensur von Kriegsgegnern, die bereits seit Jahren stattfindet. Schon 2014 wurden die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) von der Leitung der Humboldt-Universität, von Medien und Politikern aller Parteien denunziert, weil sie den rechtsextremen Historiker Jörg Baberowski kritisierten. Dieser hatte im Spiegel erklärt, Hitler sei „nicht grausam“ und der Vernichtungskrieg der Nazis nur eine Reaktion auf die Kriegsführung der Roten Armee gewesen.

Auch studentische Initiativen wie der Blog „Münkler-Watch“, der die militaristischen Vorlesungen des Humboldt-Professors Herfried Münkler aufdeckte und dokumentierte, waren mit einer Hetzkampagne von Medien, Bundesregierung und Uni-Leitung konfrontiert.

Mit dem Völkermord in Gaza erreichen die aggressive deutsche Kriegspolitik und die Zensur ihrer Gegner einen neuen Höhepunkt. Im November 2023 verbot die Unileitung den IYSSE, an der HU eine Veranstaltung gegen den Völkermord in Gaza abzuhalten. Auch alle anderen studentischen Organisationen, die sich gegen den Genozid aussprechen, werden zensiert.

Jetzt wird diese Kriminalisierung in Gesetzesform gegossen, um alle von der Universität werfen zu können, die sich gegen die Militarisierung der Hochschulen und gegen Israels Völkermord und seine Unterstützung durch Deutschland aussprechen. Wie bereits vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sollen die Universitäten gleichgeschaltet und in Kaderschmieden des deutschen Imperialismus verwandelt werden.

Tatsächlich existiert unter Studierenden eine massive Opposition gegen die Rückkehr des deutschen Militarismus. An Kundgebungen gegen den Genozid in Gaza, die die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) zusammen mit anderen an der Ruhr-Universität-Bochum und der Humboldt-Universität-Berlin organisiert haben, nahmen Hunderte Studierende teil. Die Student Coalition Berlin und zahlreiche studentische Organisationen haben in den letzten Monaten etliche Proteste gegen den Völkermord abgehalten.

Um Proteste gegen dieses autoritäre Gesetz möglichst zu unterbinden, versucht der Berliner Senat es noch während der Semesterferien durchzuboxen. Auch der Landesastenkonferenz wurden in der Prüfungsphase nur vier Werktage eingeräumt, um Stellung zu dem Gesetzentwurf zu beziehen. Trotzdem haben bereits zahlreiche Studentenvertretungen Stellungnahmen gegen die Pläne des Senats veröffentlicht.

Der RefRat der Humboldt-Universität (gesetzlich AStA) kritisierte bereits in einer früheren Stellungnahme, dass mit der Verschärfung des Ordnungsrechts der „notwendige Schutz jüdischer Studierender vor Antisemitismus“ als „Vorwand für das Durchsetzen repressiver und autoritärer Politiken“ missbraucht werde. In seinem jüngsten Newsletter bezeichnete er sie als „Kampfansage an politische Organisation an den Berliner Hochschulen und an jegliche Politisierung an den Universitäten“. Auch die Asten der Freien Universität und der Technischen Universität Berlin haben entsprechende Statements veröffentlicht.

Die Landesastenkonferenz spricht in ihrem Pressestatement vom „schwerwiegendsten und repressivsten Eingriff in die politische Teilhabe der Studierenden seit über 50 Jahren“ und einem „Einfallstor für ein Gesinnungsordnungsrecht“. Sie erklärt weiter:

Ordnungsrechtliche Maßnahmen – insbesondere Zwangsexmatrikulationen – stellen einen schweren (Grundrechts-)Eingriff dar. Das ist insbesondere der Fall, da die vorgelegten Tatbestände so weit sind, dass jegliche politische Aktionen von Studierenden betroffen sein können – von Veranstaltungsstörungen, über das Aufhängen von Plakaten bis zu öffentlichen Äußerungen über Dozierende könnte alles erfasst sein.

Eine von der Gruppe Students for Palestine an der FU gestartete Petition, die bereits über 3800 mal unterschrieben wurde, erklärt:

Wenn an den Universitäten härter durchgegriffen werden kann als anderswo, dann ist das ein Angriff auf Andersdenkende und damit auf die akademische Freiheit. Und wenn an den Universitäten Maßnahmen zulässig sind, die internationale Studierende besonders treffen, ist das ein Angriff auf marginalisierte Gruppen und die Diversität der Einrichtungen. …

Bedenkt man die unrühmliche Geschichte von Exmatrikulationen als Ordnungsmaßnahme als Werkzeug reaktionärer Kräfte gegen Andersdenkende, überrascht es wenig, dass die AfD dieses Instrumentarium wieder ausgegraben hat, und nun insbesondere aus dem konservativen Lager auf eine Wiedereinführung gedrängt wird.

Die IYSSE begrüßen diese Opposition. Der Kampf gegen Diktatur bedeutet einen Kampf gegen Krieg und seine Wurzel, den Kapitalismus. Millionen von Arbeitern auf der ganzen Welt sind empört über die Kriegspolitik Israels und der deutschen Bundesregierung und sind selbst mit Lohnkürzungen und der Unterdrückung demokratischer Rechte konfrontiert. In den letzten Monaten haben Arbeiter im Verkehrssektor mehrfach das Land lahmgelegt. Auf diese gewaltige Kraft muss sich der Kampf gegen Krieg, Völkermord und Faschismus stützen.

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