Berliner Polizei eröffnet Ermittlungsverfahren, um Roger Waters zum Schweigen zu bringen

Die deutschen Behörden versuchen systematisch, den Musiker und Künstler Roger Waters zum Schweigen zu bringen. Jetzt haben reaktionäre politische Kräfte in Berlin eine neue Kampagne gegen den international renommierten Musiker und Mitbegründer von Pink Floyd gestartet.

Mehreren Medienberichten zufolge hat die Berliner Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen Waters wegen „Volksverhetzung“ eingeleitet, weil er bei zwei Auftritten in der Stadt ein Kostüm trug, das einer Naziuniform ähnelte.

Der Sender CNN berichtete am Freitag, er habe von der Abteilung Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes eine Erklärung erhalten, in der es heißt, sie habe „ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung (§130 Abs. 4 StGB) eingeleitet.“

Roger Waters bei seinem Konzert in Berlin (WSWS)

In der Erklärung gegenüber CNN heißt es weiter: „Der Kontext der getragenen Kleidung ist geeignet, die Gewalt- und Willkürherrschaft des NS-Regimes in einer Weise zu billigen, zu verherrlichen oder zu rechtfertigen, die die Würde der Opfer verletzt und dadurch den öffentlichen Frieden stört.' Die Berliner Polizei teilte mit, dass der Fall nach ihren Ermittlungen „zur rechtlichen Beurteilung an die Staatsanwaltschaft Berlin weitergeleitet wird“.

Die Ermittlungen der Berliner Polizei sind eine Reaktion auf eine Social-Media-Kampagne, die von politischen Akteuren in Gang gesetzt wurde. Zu den Verleumdungen, Waters sei ein Antisemit, fügten sie den verlogenen Vorwurf hinzu, dass er den Holocaust verharmlost und Sympathien mit dem Nationalsozialismus gezeigt habe, als er den Song „In the Flesh“ aus dem Pink-Floyd-Album „The Wall“ von 1979 spielte.

Am 23. Mai twitterte etwa Aviva Klompas, eine ehemalige Redenschreiberin der israelischen Vertretung bei den Vereinten Nationen, ein Foto von Waters auf der Bühne in Berlin mit folgendem Kommentar: „Bei einem Auftritt in Deutschland hat sich Roger Waters als SS-Soldat verkleidet und so getan, als würde er ein Gewehr abfeuern. Es ist mir unbegreiflich, wie eine Person, die über ein Gewissen verfügt, Geld dafür bezahlen kann, diesen abscheulichen Menschen zu sehen.“

Katharina von Schnurbein, Koordinatorin der Europäischen Kommission für die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung des jüdischen Lebens, schrieb auf Twitter: „Ich bin angewidert von Roger Waters’ Besessenheit, die Shoah zu verniedlichen und zu trivialisieren, und von der sarkastischen Art und Weise, in der er es genießt, auf den Opfern herumzutrampeln, die von den Nazis systematisch ermordet wurden. Und das in Deutschland. Genug ist genug. Holocaust-Verharmlosung wird EU-weit unter Strafe gestellt.“

Der letztgenannte Kommentar wurde dann von Botschafterin Deborah Lipstadt, der US-Sonderbeauftragten für die Überwachung und Bekämpfung von Antisemitismus, zusammen mit ihrer eigenen Bemerkung retweetet: „Ich stimme von ganzem Herzen mit der Verurteilung von Roger Waters und seiner verachtenswerten Holocaust-Verzerrung durch @EUAntisemitism überein.“

Am Mittwoch teilte der Europäische Jüdische Kongress (EJC) das von Klompas gepostete Foto erneut. Der EJC fügte außerdem ein Bild von dem Konzert hinzu, auf dem Waters den Namen von Anne Frank zusammen mit denen von vielen anderen Menschen zeigt, die von Faschisten und rechten Regierungen sowie durch Polizeigewalt getötet wurden. In dem Tweet des EJC hieß es: „Waters in Berlin. Gibt es etwas antisemitischeres, als Anne Frank als Requisite auf einer deutschen Bühne zu benutzen, während man in einer Naziuniform herumtänzelt und Juden attackiert?“

Die Hetze von Vertretern des Zionismus sowie des US-amerikanischen und europäischen Imperialismus mit dem Ziel, die Verleumdung von Waters als Antisemiten zu intensivieren, muss von all jenen verurteilt werden, die die grundlegenden demokratischen Rechte und die Meinungsfreiheit verteidigen. Diese jüngsten, verabscheuungswürdigen und durch und durch zynischen Anschuldigungen gegen den Künstler sind das sicherste Zeichen dafür, dass die politischen Botschaften seiner Welttournee unter dem Titel „This is Not a Drill“ („Das ist keine Übung“) auf eine breite öffentliche Resonanz stoßen. Ebenso wie Waters sind viele andere Menschen gegen imperialistische Kriege sowie die verbrecherischen Angriffe der israelischen Regierung auf die Palästinenser und gegen Polizeigewalt. Sie teilen Waters’ Kritik an der gesamten kapitalistischen Weltordnung.

Wenn Waters wegen dem Vorwurf, dass er den Nationalsozialismus verharmlose, indem er sich als Nazi verkleidet, nun strafrechtlich verfolgt wird – welches Schicksal mag dann den Film Der Große Diktator (1940) ereilen, in dem Charlie Chaplin Hitler persiflierte, indem er als Hynkel der Diktator auftrat und sich über den Nazigruß und das Hakenkreuz lustig machte? Was passiert dann mit dem neueren Film Er ist wieder da (2015), in dem Hitler im modernen Berlin wieder zum Leben erwacht?

Charlie Chaplin in Der große Diktator (1940)

Als Reaktion auf die Angriffe der Rechten auf seine Konzerte in Berlin veröffentlichte Waters die folgende Erklärung auf seinen Social-Media-Accounts:

Mein jüngster Auftritt in Berlin hat böswillige Angriffe von Leuten hervorgerufen, die mich verleumden und zum Schweigen bringen wollen, weil sie meine politischen Ansichten und moralischen Prinzipien ablehnen.

Die Elemente meines Auftritts, an denen diese Leute Anstoß genommen haben, sind ganz eindeutig ein Statement gegen Faschismus, Ungerechtigkeit und Bigotterie in all ihren Formen. Die Versuche, diese Elemente als etwas anderes darzustellen, sind unaufrichtig und politisch motiviert. Die Darstellung eines wahnsinnigen faschistischen Demagogen ist seit Pink Floyds „The Wall“ von 1980 ein Merkmal meiner Shows.

Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, mich gegen autoritäre Herrschaft und Unterdrückung auszusprechen, wo immer ich sie sehe. Als ich Kind war wurde in der Nachkriegszeit in unserem Haus oft der Name Anne Frank erwähnt. Sie wurde zu einer stetigen Erinnerung daran, was passiert, wenn man dem Faschismus nicht entgegentritt. Meine Eltern kämpften im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis und mein Vater zahlte in diesem Kampf den höchsten Preis.

Unabhängig davon, welche Folgen die Angriffe auf mich haben werden, werde ich weiterhin Ungerechtigkeit und all jene, die sie begehen, verurteilen.

Die gegenwärtige Kampagne gegen Waters' prinzipielle Anklage der Verbrechen des Imperialismus wurde von den Leitmedien unterstützt. Sie haben sich nicht nur geweigert, den Künstler zu verteidigen, sondern sich auch an der Verleumdung gegen ihn beteiligt.

Oliver Masucci in Er ist wieder da (2015)

Ein besonders abstoßendes Beispiel dafür ist ein Artikel, der am 19. Mai von Nicholas Potter, einem selbsternannten „Journalisten und Forscher, der über die extreme Rechte, Antisemitismus, Rassismus und Kultur in Englisch und Deutsch berichtet“, unter dem Titel „Ich bin kein Antisemit, aber…“ auf Belltower News veröffentlicht wurde.

In seinem Bericht über die erste der beiden Shows in Berlin greift Potter sowohl Waters als auch sein wachsendes Publikum an. Er schreibt, dass die 10.000 Fans in Berlin „trotz seiner antisemitischen Entgleisungen, seiner lautstarken Unterstützung der BDS-Bewegung, seiner Verbreitung russischer Kriegspropaganda, seiner Putinversteherei. Man könnte sagen: trotz Roger Waters. Oder sind sie eher deswegen gekommen?“

Potters Tirade zeigt, dass die Kräfte der politischen Reaktion vor Waters' Position zur Verteidigung der Rechte der Palästinenser ebenso Angst haben wie vor seiner Opposition gegen den von den USA und der Nato herbeigeführten Krieg gegen Russland in der Ukraine. Waters hat nie Sympathien für Putin geäußert oder „russische Kriegspropaganda“ unterstützt.

Vielmehr hat der Sänger und Musiker das Moskauer Regime immer wieder für seine Militäroperation in der Ukraine angeprangert und gleichzeitig unermüdlich auf die hegemonialen Ziele des US-Imperialismus hingewiesen. Letztere treiben den Konflikt an, der die Menschheit mit atomarer Vernichtung bedroht. Die Gefahr eines dritten Weltkriegs und die Forderung nach einem Ende der Herstellung und Verbreitung von Atomwaffen sind Themen, die in Waters' Musik und bei seinen Live-Auftritten in den letzten vier Jahrzehnten stets präsent waren.

Dieser erneuten Verleumdungskampagne gegen Waters gingen Versuche voran, seine Auftritte in München und Frankfurt zu unterbinden, was letztlich scheiterte. Auch dabei beriefen sich Kräfte des kapitalistischen politischen Establishments auf den falschen Vorwurf des Antisemitismus. Tatsächlich unterstützen dieselben politischen Kräfte, die den Musiker der Nazi-Propaganda beschuldigen, die Ausbreitung rechtsextremer Politik und faschistischer Kräfte im deutschen Staatsapparat.

Es ist kein Zufall, dass die von der Berliner Polizei ausgehenden Anklagen in den letzten beiden Tagen erhoben wurden. Am Donnerstagabend wurde Roger Waters’ zweites Konzert in Prag, der Hauptstadt der Tschechischen Republik, live in 1.500 Kinosäle in 50 Ländern der Welt übertragen.

Dieses bedeutende globale Kinoereignis, das von den Leitmedien kaum erwähnt wurde, machte seine Musik und seine scharfe politische Anklage gegen die herrschende Klasse für ein noch größeres Publikum auf der ganzen Welt zugänglich.

Wie in der Besprechung der WSWS zu seinen jüngsten Auftritten in Berlin hervorgehoben wurde, ist die „Methode, mit der Politik und Medien gegen Waters vorgehen, […] so schmutzig wie bekannt. Unter dem Vorwurf des Antisemitismus soll jede Opposition gegen die unterdrückerische, anti-demokratische und extrem kriegerische Politik der israelischen Regierung, in der rechtsextreme Kräfte den Ton angeben, mundtot gemacht werden.“

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