Die Trump-Regierung geriet diese Woche erneut unter Beschuss ihrer Gegner aus der Demokratischen Partei und eines Großteils der Medien. Zuvor war bekannt geworden, dass Trump mit seinem ukrainischen Amtskollegen über Ermittlungen gegen den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden und dessen Sohn Hunter wegen geschäftlicher Aktivitäten von Biden jr. in der Ukraine gesprochen hat.
Dieses Gespräch war Teil eines Telefonats mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 25. Juli. Trump hat offensichtlich versucht, die Unterstützung einer ausländischen Regierung in Anspruch zu nehmen, um belastende Informationen über einen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten zu sammeln, der im Weißen Haus als Trumps gefährlichster Gegner gilt.
Unabhängig davon, ob ein solches Vorgehen legal ist oder nicht, zeigt es die Bereitschaft Trumps, zu außergewöhnlichen Mitteln zu greifen, um seine Macht als Präsident gegen politische Gegner einzusetzen. Hinzu kommt der noch brisantere Vorwurf, Trump habe Selenskyj direkt mit einer Einstellung der US-Militärhilfe gedroht, wenn er in der Kampagne gegen Biden nicht kooperiert.
Laut Presseberichten auf der Grundlage der ersten Leaks über das Telefonat vom 25. Juli habe Trump die US-Militärhilfe während des Gesprächs nicht erwähnt. Allerdings blockierte das Weiße Haus die Militärhilfe, die letztes Jahr vom Kongress bewilligt wurde, bis zum 12. September, nur 18 Tage vor dem Ende des aktuellen Haushaltsjahres. Das Office of Management and Budget nannte keinen Grund für das Zurückhalten der Gelder, sondern berief sich auf verfahrenstechnische Probleme. Allerdings führte die Verzögerung zu Anfragen demokratischer und republikanischer Kongressabgeordneter und einem Gesetzentwurf, der die Freigabe der Gelder erzwingen sollte.
Der Kontakt zwischen Trump und der Ukraine kam erstmals ans Licht, als ein noch unbekannter Geheimdienstoffizier, der das Telefonat zwischen Trump und Selensky überwachte, eine „Whistleblower“-Beschwerde beim damaligen Direktor der nationalen Geheimdienste und ehemaligen Senator, Dan Coats, einreichte. Der Generalinspekteur der Geheimdienste, Michael Atkinson, betrachtete die Beschwerde als „glaubwürdig“ und „dringlich“ und hatte die Absicht, den Kongress zu informieren, wie es das Gesetz vorsieht. Daran wurde er jedoch von Geheimdienstdirektor Joseph Maguire gehindert, der am 16. August Coats Nachfolge angetreten hatte. Maguire sprach sich vor dieser Entscheidung mit dem Weißen Haus ab und wurde vom Justizministerium unterstützt.
Als die Beschwerde letzte Woche von einem Informanten an die Washington Post weitergereicht wurde, stürzten sich die restlichen Medien darauf. Weitere Berichte auf der Grundlage von Geheimdienstquellen verbanden die Forderung nach einer Untersuchung gegen Biden mit der Verzögerung der US-Militärhilfe. Am Sonntag war die Medienkampagne bereits in vollem Gange. Kolumnisten forderten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump und warfen ihm vor, er würde die Ukraine erpressen.
Das Weiße Haus und seine Verteidiger schossen zurück, hauptsächlich gegen Biden und seinen Sohn. Trump selbst bestätigte auf Twitter, dass er bei seinem Gespräch mit Selenskyj am 25. Juli über die Bidens diskutiert hat. Gleichzeitig erklärte er, dass alle Gespräche zwischen Präsidenten vertraulich sein sollten, d.h. sie sollten von US-Geheimdiensten in keiner Weise überwacht oder abgehört werden. Trump betrachtet die Geheimdienste aus gutem Grund als Hochburgen seiner politischen Gegner.
Zweifellos hat Hunter Biden versucht, während der Amtszeit der Regierung Obama-Biden von der politischen Prominenz seines Vaters zu profitieren, indem er als Vermittler für Geschäfte in China, der Ukraine und weiteren Ländern diente. Diese Art von Korruption ist gängige Praxis in der kapitalistischen Politik. Trump betreibt sie in noch größerem Ausmaß, da seine Familie durch ein Netzwerk von Hotels und Ferienressorts der Trump Organization überall auf der Welt Millionen durch ausländische Regierungen und das US-Militär einnimmt.
In der Ukraine stand Hunter Biden an der Seite der gleichen Kräfte wie Trumps künftiger Wahlkampfmanager Paul Manafort: den Oligarchen, die dem pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch nahestanden, der Anfang 2014 durch einen von der CIA unterstützten rechtsextremen Putsch gestürzt wurde. Danach suchten die milliardenschweren Oligarchen nach amerikanischen Mittelsmännern, die ihnen Geschäfte mit der neuen, von den USA unterstützten Regierung von Petro Poroschenko ermöglichen sollten.
Hunter Biden wurde von dem Gasmogul Mykola Slotschewski unter Vertrag genommen, der Minister in Janukowitschs Kabinett war. Im April 2014 nahm Slotschewski Bidens Sohn in den Vorstand seiner Firma Burisma Holdings auf, offensichtlich um seine Stellung in Washington und Kiew zu verbessern. Dennoch begann die neue Regierung Korruptionsermittlungen gegen Burisma. Das geschah im Rahmen zahlreicher Untersuchungen gegen Oligarchen, die nun in Ungnade gefallen waren.
Im Jahr 2016 war Joe Biden in die Ukraine gereist und hatte mit der Einstellung der US-Hilfsgelder in Höhe von einer Milliarde Dollar gedroht, um die ukrainische Regierung dazu zu zwingen, ihren obersten Korruptionsermittler zu entlassen. Der angebliche Grund war Washingtons Unzufriedenheit darüber, dass die Ermittlungen gegen die Gruppe der pro-russischen Oligarchen schleppend voran gingen. Biden verschwieg, dass von einer dieser Untersuchungen sein Sohn betroffen sein könnte.
Die lautstarke Kampagne jenes Teils der Medien, der den Demokraten nahesteht, um das Telefonat vom Juli ignoriert weitgehend diesen Aspekt das Konflikts: dass Hunter Biden mit seinem politischen Einfluss auf unverfrorene Weise hausieren ging. Gleichzeitig attackieren sie Trump, weil dieser die präsidialen Vollmachten benutzt, um eine ausländische Regierung zu verpflichten, einem gefürchteten politischen Rivalen zu schaden. Bidens Mitbewerber in der Vorwahl verurteilten Trump lautstark, hielten sich aber mit der Verteidigung des ehemaligen Vizepräsidenten merklich zurück.
Die Kampagne um Biden ist geprägt von offensichtlicher Nervosität wegen der möglichen Folgen, die die erneute Aufmerksamkeit der Medien gegenüber Bidens Sohn haben könnte. Biden jr. Galt lange als eine der wichtigsten Schwachstellen des Kandidaten. Bidens Wahlkampfteam gab am Samstag eine Presseerklärung heraus, in der es in fetter Schrift warnte: „Jeder Artikel, jeder Beitrag, jede Analyse und jeder Kommentar, der nicht von Anfang an nachweislich erklärt, dass es keine faktische Basis für Trumps Behauptungen gibt und dass sie gänzlich diskreditiert sind, führt Leser und Zuschauer in die Irre.“
Die vorherrschende Argumentationslinie von Biden und seinen demokratischen Parteikollegen sowie deren Medienpropagandisten besteht darin, dass Trump durch den Versuch, eine ausländische Regierung für seine politische Drecksarbeit einzuspannen, einer beispiellosen Tat schuldig ist. Biden erklärte in Iowa: „Das scheint mir ein ungeheurer Machtmissbrauch zu sein. Wir haben so etwas noch nie von einem Präsidenten erlebt.“
Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die bisher ein offenes Amtsenthebungsverfahren des Justizausschusses verhindert hatte, erklärte: „Wenn der Präsident getan hat, was ihm vorgeworfen wird, bewegt er sich in einem gefährlichen Minenfeld mit schweren Folgen für seine Regierung und unsere Demokratie.“
Viele Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat gingen noch weiter und beriefen sich vor allem auf das behauptete Quid-pro-quo, d.h. Militärhilfe als Gegenleistung für eine Zusammenarbeit gegen Biden. Senator Brian Schatz (Demokraten, Hawaii) schrieb auf Twitter: „All das sind Gründe für ein Amtsenthebungsverfahren. Das war nicht nur nahe dran. Wir brauchen mehr Fakten, aber wir würden unsere Pflichten vernachlässigen, wenn wir nicht prüfen, wohin die Fakten führen.“
George Conway, der Gatte von Kellyanne Conway, einer von Trumps engsten Beraterinnen, und der ehemalige Generalstaatsanwalt Neal Katyal riefen am Sonntag in einer Kolumne in der Washington Post gemeinsam zu einem Amtsenthebungsverfahren auf. In der Sprache des Watergate-Skandals bezeichneten sie Trump als ein „Krebsgeschwür auf dem Präsidentenamt“.
Die Washington Post selbst schrieb in ihrem Leitartikel: „Wenn die Schilderungen, die wir gehört haben, der Wahrheit entsprechen, hat sich Trump eines krassen Amtsmissbrauchs schuldig gemacht ... Dass der Präsident vom Kongress bewilligte Militärhilfe als Druckmittel benutzt, um eine andere Regierung dazu zu bringen, gegen einen seiner potenziellen Gegner in der Wahl 2020 zu ermitteln, ist ein offener Machtmissbrauch.“
Für alle diese Trump-Gegner innerhalb der herrschenden Klasse ist die Ukraine-Affäre eine Gelegenheit, die Behauptungen wieder aufzuwärmen, die sie in der Kampagne gegen Russland gemacht hatten und die eine langwierige Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller zur Folge hatten. Der Hinweis auf Trumps Versuche, die Unterstützung der ukrainischen Regierung im Wahlkampf 2020 zu bekommen, soll dazu dienen, die betrügerischen Behauptungen glaubwürdiger erscheinen zu lassen, dass Trump die Wahl 2016 aufgrund angeblicher Unterstützung durch die russische Regierung gewonnen habe.
Wie die WSWS mehrfach erklärt hat, bringt die anti-russische Kampagne einen Konflikt zwischen zwei gleichermaßen reaktionären Fraktionen der amerikanischen herrschenden Elite zum Ausdruck, bei dem es größtenteils um außenpolitische Differenzen geht. Die Demokraten und ein Großteil des Militär- und Geheimdienstapparats sowie die Presse lehnen jedes Nachlassen im Konfrontationskurs gegen Russland ab, der während Obamas zweiter Amtszeit begann und sich auf besonders reaktionäre Weise in der Ukraine, im syrischen Bürgerkrieg und im Nato-Aufmarsch überall in Osteuropa manifestierte.
Dass Trump zunehmend autoritäre Herrschaftsmethoden einsetzt, zeigt die Ukraine-Affäre, aber noch bedrohlicher sind seine Angriffe auf demokratische Rechte, vor allem auf diejenigen von Immigranten und Flüchtlingen. Doch die Demokraten haben die anti-russische Kampagne benutzt, um die Unterdrückung von abweichenden Meinungen im Internet zu verschärfen. Sie behaupten, die sozialen Spaltungen in Amerika gingen nicht auf die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit zurück, die in den USA von allen großen kapitalistischen Ländern am stärksten ausgeprägt ist, sondern auf russische Bots und Trolle.
Mit den Enthüllungen über die Ukraine hat ein neues Stadium der politischen Krise begonnen, die noch weitere Überraschungen bergen könnte. Die Demokraten im Kongress fordern die Veröffentlichung der Whistleblower-Beschwerde, die das Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten ans Licht gebracht hat, sowie eine Abschrift des Gesprächs. Trump wird sich am Mittwoch am Rande der UN-Vollversammlung erstmals mit Selenskyj treffen.