Paris: Parti de l’égalité socialiste fordert Freiheit für Julian Assange

Am Sonntag hielt die Parti de l'égalité socialiste (PES), die französische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), eine öffentliche Versammlung in Paris ab, auf der sie dazu aufrief, den verfolgten Journalisten Julian Assange und die Whistleblowerin Chelsea Manning zu verteidigen.

Vor der Versammlung hatte die Internationale Redaktion der World Socialist Web Site eine Erklärung veröffentlicht, in der sie die Gründung eines Globalen Verteidigungskomitees für Julian Assange bekannt gibt.

An der Pariser Versammlung nahmen rund hundert Personen teil. Die PES verteilte die Erklärung an alle Besucher. Viele der anwesenden Arbeiter und Studierenden hatten als „Gelbwesten“ seit Monaten gegen soziale Ungleichheit und Sparpolitik demonstriert und sich am Kampf für die Freiheit Assanges beteiligt. Einige der Gelbwesten, die teilnahmen, waren im Mai nach London gereist und hatten dort gegen seine Verhaftung in der ecuadorianischen Botschaft demonstriert.

Die Versammlung war eine internationale Veranstaltung, an der führende Mitglieder der Sektionen des IKVI in Großbritannien, Deutschland und Frankreich als Sprecher auftraten. Auf dem Podium saßen Chris Marsden, der nationale Sekretär der britischen Socialist Equality Party (SEP), und Alex Lantier, der nationale Sekretär der PES. Christoph Vandreier, der stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), richtete sich per Videolink aus Berlin an die Versammlung.

Den Eröffnungsbericht hielt Marsden, der eine führende Rolle in der WSWS-Kampagne gegen die Verfolgung Assanges durch die britische und amerikanische Regierung spielt. Er erläuterte die Perspektive, die der Forderung des IKVI nach einem Globalen Verteidigungskomitee zugrunde liegt.

Marsden schilderte, wie die britische Polizei Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London verschleppt hatte, und erklärte, dass die US-Anklage gegen Assange mindestens ein Strafmaß von 175 Jahren Gefängnis mit sich bringe. Damit überantworten die britischen Behörden den Journalisten der Gnade derselben Kriegsverbrecher, die er maßgeblich entlarvt hat.

Seine Inhaftierung unter schrecklichen Bedingungen im Gefängnis von Belmarsh und die Tatsache, dass ihm bei einer Auslieferung in die Vereinigten Staaten möglicherweise die Todesstrafe droht, sind symptomatisch für eine neue Situation, in der sich die Regierungen weltweit autoritären Herrschaftsformen zuwenden. Marsden verwies auf die brutale polizeiliche Repression gegen die Gelbwesten in Frankreich und die Brandmarkung der SGP als „linksextremistisch“ durch den deutschen Verfassungsschutz.

So wie der Angriff der Herrschenden auf Assange im Mittelpunkt eines Angriffs auf alle demokratischen Grundrechte stehe, fügte Marsden hinzu, „so muss auch die internationale Arbeiterklasse ihre Verteidigung zum Mittelpunkt einer Gegenoffensive machen“. Er erinnerte an die Arbeiterkämpfe von 1972 in Großbritannien, als eine Massenmobilisierung die Klassenkriegsgefangenen der damaligen Ära, die „Pentonville Five“, befreien konnte. (Die „Pentonville Five“ waren Vertrauensleute, die wegen Streikposten-Stehens eingesperrt worden waren.)

Wie Marsden betonte, ist das IKVI bereit, außer den Rechten mit allen zusammenzuarbeiten, die sich für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte und den Aufbau einer Massenbewegung zur Befreiung von Assange und Manning einsetzen. Marsden verwies auf Kundgebungen für Assange, die das IKVI bereits in Australien, Großbritannien, Deutschland und Sri Lanka abgehalten hatte. Er verglich diejenigen, die jetzt den Kampf für die Befreiung Assanges in Frankreich aufnehmen, mit denen, die für die Freilassung von Alfred Dreyfus kämpften. Der jüdische französische Hauptmann Dreyfus wurde 1894 zu Unrecht wegen Spionage für Deutschland entehrt und inhaftiert.

Christoph Vandreier sprach über den Kampf der SGP gegen die Rehabilitierung des deutschen Militarismus und Neofaschismus und des Hitler-Regimes durch rechtsextreme Professoren wie Jörg Baberowski. Die Tatsache, dass der Verfassungsschutz die SGP auf die Schwarze Liste linksextremistischer Organisationen gesetzt hat, und die rechtsextreme Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübke, deuten beide auf eine eskalierende Hinwendung zu faschistischen Herrschaftsformen. Nur die internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse für ein sozialistisches Programm kann diese Entwicklung stoppen.

Alex Lantier erklärte, dass der Aufruf für einen internationalen Kampf zu Assanges Befreiung angesichts der weltweiten Zunahme von Streiks und Protesten wie beispielsweise der Gelbwesten eine starke Resonanz auslösen könne. Er erinnerte daran, dass Assange im Jahr 2015 Asyl in Frankreich beantragt hatte, was der damalige Präsidenten François Hollande abgelehnt hatte. Lantier fügte hinzu, dass es für Assanges Verteidiger in Frankreich von entscheidender Bedeutung sei, dem Globalen Verteidigungskomitee beizutreten. Sie könnten nicht darauf warten, dass angeblich „linke“ Kräfte wie Jean-Luc Mélenchon oder die Neue Antikapitalistische Partei Assange verteidigen würden. Obwohl diese Parteien Millionen von Stimmen erhalten haben, wollen und können sie keine Massenbewegung von Protesten und Streiks für Assanges Befreiung aufbauen.

Auf die Beiträge folgte eine lebhafte Diskussion. Ein Besucher aus Polen wies auf die verheerenden Auswirkungen hin, die eine Auslieferung von Assange aus Großbritannien allein aufgrund der Veröffentlichung von Material, das der US-Regierung missfällt, auf alle Kriegsgegner haben würde. Betroffen wäre besonders der Kampf gegen die US-Militärstützpunkte in Osteuropa und gegen die Kriegsvorbereitungen der USA gegen Russland. Der Fall Assange schafft rechtliche Voraussetzungen für die Massenabschiebung von Journalisten oder Regierungsgegnern auf der ganzen Welt und ihre Überstellung in US-Gefängnisse.

Weitere Fragen betrafen Politiker wie Mélenchon, und ob sie eine Kampagne zur Befreiung Assanges führen könnten. Marsden antwortete mit dem Hinweis auf Jeremy Corbyn, der sich wie Mélenchon anfangs kritisch über Assanges Verfolgung geäußert hatte, aber sobald er zum Führer der britischen Labour Party aufgestiegen war, jeden Versuch, tatsächlich eine Aktion zu organisieren, rasch aufgab.

Viele Teilnehmer blieben auch nach dem offiziellen Ende der Versammlung noch da, um mit den PES-Mitgliedern zu diskutieren. Josette, eine ehemalige Informatikerin im Ruhestand, berichtete, sie sei durch die Angriffe auf Whistleblowers politisiert worden. „Ich habe anfangs nicht verstanden, warum mich dieses Thema faszinierte“, sagte sie. „Ich hatte davon aus der Ferne gehört, aber weil ich alleinerziehend bin und zwei Kinder habe, hatte ich nie Zeit für Politik. Jetzt, da die Kinder ausgezogen sind und ich nicht mehr arbeite, habe ich die Gelegenheit, mich umzuschauen, was in der Welt passiert. Das Thema hat mich sofort angesprochen.

Im Jahr 2015 habe ich durch Zufall von dem Aktivisten Aaron Swartz erfahren“, fuhr sie fort, „als ich einen Film über ihn sah. Ich konnte nicht verstehen, warum das, was ihm widerfuhr, so wenig bekannt war. Ich hatte das in meinem Kopf, und dann erfuhr ich erst vor sechs Monaten von Julian Assange, als er noch in der Botschaft war. Ich begann zu lesen, um die verlorene Zeit aufzuholen. Aber auch hier bin ich schockiert, dass viele Menschen nichts davon wissen.“

Sie fügte hinzu: „Ich finde richtig, was die Redner über die Verantwortung derjenigen Politiker sagten, die ein sehr großes Publikum haben, wie zum Beispiel von Jean-Luc Mélenchon.“

Es war das erste Mal, dass Josette an einem Treffen der Parti de l'égalité socialiste teilnahm, die sie vorher nicht gekannt hatte. „Es ist jetzt klar, dass heute wenige Strukturen existieren, die einen internationalen Rahmen zur Verteidigung von Assange entwickeln können. Wenn die PES das leisten kann, dann bin ich dabei. Danach werden wir sehen.“

Auch für Alexeï war es die erste PES-Versammlung. „Mein Ziel war es nie, politisch zu sein“, sagte er nach dem Treffen. „Aber wenn man erkennt, dass es Menschen gibt, Whistleblower, die sich in dieser Situation befinden, in der sie nicht sein sollten, wird die Sache ganz von alleine politisch. Wir müssen diejenigen verteidigen, die uns über die Gesellschaft aufklären.“

Assange habe keine Möglichkeit, für sich selbst zu sprechen und sich zu verteidigen, fuhr er fort. „Das ist kein echter Prozess. Wir wissen, dass er psychologisch gefoltert wurde. Ich stimme zu, dass wir dies auf internationaler Ebene zurückweisen müssen. Es ist wichtig, dass man seine Vorstellungen ausdrücken kann, deshalb war ich schon immer auf der Seite von Assange.“

„An der Kampagne zur Verteidigung Assanges habe ich mich von Anfang an beteiligt“, sagte eine Rentnerin namens Frédérique. „Ich habe an zwei Demonstrationen mit verschiedenen Gruppen teilgenommen. Aber heute sehe ich nichts, was noch weiter organisiert wird. Die Opposition ist sehr fragmentiert, und ich sehe keine politische Einschätzung oder Perspektive. Deshalb bin ich zu dem heutigen Treffen gekommen. Die Redner hatten einen klaren Standpunkt, und ihre Analyse war sehr konkret.“

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