Die Proteste der „Gelbwesten“ in Frankreich haben die reaktionäre Rolle der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) entlarvt. Die NPA hat auf die erste massenhafte Opposition der Arbeiterklasse gegen Präsident Emmanuel Macron offen feindselig reagiert. Sie übernimmt die Linie der offiziellen Propaganda, die die Protestierenden als Rassisten, Faschisten und Gegner des Umweltschutzes darstellt, weil sie Macrons Erhöhung der Kraftstoffpreise ablehnen.
Schon vor den ersten geplanten Protestkundgebungen brachte die NPA folgende Erklärung heraus: „Soziale Gerechtigkeit: Am 17. November werden wir uns kein Gehör verschaffen können!“ Darin behauptet sie, „diese Mobilisierung ist problematisch. Vor allem deshalb, weil dieser Protest im Grunde eine alte Forderung aufgreift, die die Fuhrunternehmen aufgestellt hatten, noch lange bevor sie zum Ausdruck breiter Unzufriedenheit wurde“.
Mit dem Verweis auf Versuche neofaschistischer Parteien, auf Facebook-Seiten der Gelbwesten Einfluss auszuüben, schwor sie den Protestierenden unversöhnliche Feindschaft:
„Wir werden uns keine Illusionen machen. Wie die Gewerkschaften CGT und Solidaires werden wir unsere Wut nicht am 17. November mit den Manövern der Bosse vermischen, die von den Rechtsextremen ausgenutzt werden. Letztere sind keine zeitweiligen Verbündeten, sondern unser Todfeind. Ja, alles wird teurer, nur die Löhne steigen nicht, und die unteren Klassen haben zurecht die Nase voll von Benzinpreiserhöhungen und den Preissteigerungen insgesamt [...] Aber damit können wir uns am 17. November bei den Aktionen oder Kundgebungen sogenannter ‚Bürger‘, die eher wie ein rechtsextremer Mob aussehen, kein Gehör verschaffen. Sonst würden wir mit den Todfeinden der Arbeiterbewegung gemeinsame Sache machen.“
Es folgte die größte Mobilisierung politischer Opposition in der französischen Arbeiterklasse seit dem Generalstreik von 1968. Hunderttausende Arbeiter, Rentner, Arbeitslose, Selbständige und Kleinunternehmer trotzten der Gewalt der Bereitschaftspolizei, die mit gepanzerten Fahrzeugen anrückte. Die Proteste erschütterten Macrons Regierung bis ins Mark. Gleichzeitig breiteten sich Proteste gegen soziale Ungleichheit in ganz Europa aus, von Studenten in Albanien bis zu Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Portugal.
Während die NPA und ihr nahestehende Gewerkschaften den „Gelbwesten“ feindselig gegenüberstanden, verliehen die Proteste einer bisher nicht gekannten Wut der Massen gegen die wohlhabenden Mittelschichten in den pseudolinken Parteien und den Gewerkschaften eine Stimme. Im Gespräch mit der WSWS brachte ein Bauarbeiter aus der Region Picardy diese Ablehnung auf den Punkt: „Das sind Kriminelle. Du könntest mitten auf der Straße verrecken und sie würden keinen Finger rühren.“
Als die Popularität der Gelbwesten enorm stieg, sah sich die NPA zu einer Kehrtwende gezwungen.
Zwei Wochen nach den Protesten vom 17. November sprach NPA-Chef Alain Krivine, früher Studentenführer in der 1968er-Bewegung, auf einer öffentlichen Veranstaltung in Tours. Krivine verbarg seine Geringschätzung nur notdürftig. Zwar sprach er sich für die Protestierenden aus, die seine Partei zuvor als „rechtsextremen Mob“ verunglimpft hatte, verleumdete sie aber als rassistisch und sexistisch: „Ich glaube, wir sollten die ‚Gelbwesten‘ unterstützen, allerdings nicht unkritisch, denn wir müssen gegen alle rassistischen, homophoben und sexistischen Verhaltensweisen kämpfen, die uns zu Ohren gekommen sind. Doch eine vereinigte soziale Front muss aus dieser Revolte hervorgehen, damit es zu einem Generalstreik kommt, in dem alle Kämpfe zusammenkommen.“
Der Hinweis auf eine „vereinigte soziale Front“ war der Fingerzeig für die NPA, an den Gewerkschaftsdachverband CGT zu appellieren, damit dieser die Gelbwesten unter Kontrolle bringt und in eine Kampagne für einen zahnlosen eintägigen Proteststreik umlenkt.
Am 3. Dezember richtete die Website der NPA, Révolution permanente, einen Appell an die Bürokraten der CGT. Unter der Überschrift „Die CGT kann die Gelbwesten-Bewegung nicht länger ignorieren“ kritisierte die NPA jetzt die Angriffe der CGT auf die Gelbwesten, denen sie vor einigen Wochen noch ihren Segen erteilt hatte, als „spalterisch“. Sie warnte davor, dass eine noch viel größere Bewegung der Arbeiterklasse entstehen könnte:
„In dieser explosiven sozialen Situation fürchten Regierung und Arbeitgeber einen härteren Kampf und vor allem eine Ausdehnung der Bewegung. Mit den Protesten der Schüler hat sich diese Furcht verstärkt. Die Angst, dass der Funken auf die Arbeiterbewegung überspringt, ist allgegenwärtig. Daher dürfen Gewerkschaftsfunktionäre und Basisorganisationen nicht schweigen. Die Regierung ist isoliert, geschwächt und sitzt auf einem Pulverfass. Es ist die Pflicht eines jeden Aktivisten, von der CGT zu fordern, dass sie nicht nur zu einem eintägigen Generalstreik aufruft, sondern ihn auch mit aller Kraft organisiert.“
50 Jahre nach dem Generalstreik von 1968 sind Macron und die Europäische Union völlig diskreditiert, und tatsächlich denken Arbeiter in ganz Europa über einen Generalstreik nach. Doch eines ist klar: Zwischen der Bewegung der Arbeiterklasse und einem wirklichen Generalstreik einerseits und dem von CGT und NPA propagierten symbolischen Streik andererseits liegen Welten.
Die Aufforderung der NPA an die CGT, mit den Gelbwesten zusammenzuarbeiten, ist reine Show. Die Gewerkschaften haben keine Autorität bei den Gelbwesten, die diese Bürokraten vielmehr verachten. Wichtiger noch, die CGT steht ihnen feindselig gegenüber und möchte nicht, dass gegen Macron protestiert wird, besonders jetzt, da seine Regierung am seidenen Faden hängt. Mit ihrem Aufruf will die NPA nur Macron zur Hilfe kommen, indem sie die wenigen verbliebenen Illusionen befeuert, dass die CGT einen Kampf gegen ihn organisieren wird. So sollen Arbeiter dazu gebracht werden, die Tatenlosigkeit der Gewerkschaften zu akzeptieren.
Um auf die kommenden Kämpfe vorbereitet zu sein, muss die Bewegung unabhängig von den Gewerkschaften organisiert werden. Der Beschluss der Gelbwesten in Commercy und anderen Städten, Volksversammlungen zu wählen, ist ein wichtiges Beispiel: Arbeiter in ganz Europa brauchen Basisorganisationen, die unabhängig von den Gewerkschaften sind, um ihre Kämpfe zu führen. Die PES (Parti de l’égalité socialiste), die französische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), betont, dass die Arbeiterklasse in Europa im Zuge ihrer Kämpfe die politische Macht auf diese Organe übertragen muss.
Die Bewegung der Gelbwesten hat vor allem die Krise der revolutionären Führung offenbart. Die NPA, die 2009 von ehemaligen 68er-Studenten der Ligue communiste révolutionnaire (LCR) ins Leben gerufen wurde, ist keine trotzkistische Partei. Die pablistische LCR wurde von Kräften gegründet, die 1953 mit dem IKVI brachen, weil sie die nationalistische Perspektive vertraten, dass Stalinisten und bürgerliche Nationalisten – anstelle der trotzkistischen Bewegung – die revolutionäre Führung der Arbeiterklasse übernehmen könnten.
In Frankreich orientierten sich diese Kräfte unter anderem auf die Stalinisten der CGT, die ihren damaligen Masseneinfluss unter Arbeitern ausnutzten, um drei Generalstreiks auszuverkaufen: 1936, 1953 und 1968. Die LCR selbst war geprägt von der kleinbürgerlichen und antimarxistischen Politik der 1968er-Periode, die sich vor allem um Fragen des Lebensstils drehte. Die Partei orientierte sich auf die prokapitalistische Sozialistische Partei, die 1971 gegründet wurde. Heute, nachdem stalinistische und pablistische Gruppen in Europa die jahrzehntelangen Sparmaßnahmen seit der Wiedereinführung des Kapitalismus in der UdSSR 1991 unterstützt haben, ist der Gegensatz zwischen diesen kleinbürgerlichen Organisationen und den Arbeitern für jedermann deutlich zu sehen.
In einem kürzlich erschienenen Interview mit dem chinesischen Magazin Borderless, das auf der NPA-Website International Viewpoint erschien, behauptet Pierre Rousset, dass die Feindschaft der NPA gegen die Gelbwesten nur ein Fehler gewesen sei. Er beurteilt die Parteien, die sich positiv über die Gelbwesten geäußert hatten, und fügt hinzu: „Nach anfänglichem Zögern (bis wir verstanden hatten, was vor sich geht) reagierten die KPF, die NPA und andere linke Organisationen gleich. Die Arbeiterbewegung blieb größtenteils zumindest ‚distanziert‘“.
Auch das ist ein Betrug. Die Feindschaft der NPA gegen die Gelbwesten war kein Fehler aufgrund vorübergehender Verwirrung, sondern der Ausdruck von Klassenkräften. Wie ihre erste Erklärung deutlich machte, wusste die NPA, dass die Opposition der Gelbwesten gegen Macron aus den „unteren Klassen“ kommt. Deshalb war sie gegen die Gelbwesten.
Nur die PES kämpft in Frankreich für den Trotzkismus. Die NPA und ihre Verbündeten sind kleinbürgerliche Konterrevolutionäre.