Hans-Georg Maaßen wird trotz seiner Sympathien für die rechtsextreme Politik der AfD auch in Zukunft eine führende Rolle in der deutschen Innenpolitik spielen. Der bisherige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wird zum Sonderbeauftragten für europäische und internationale Fragen im Innenministerium ernannt und bezieht weiterhin sein bisheriges Gehalt.
Darauf haben sich die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD am Sonntag geeinigt, nachdem ihr ursprünglicher Beschluss, Maaßen auf die deutlich besser bezahlte Position eines Staatssekretärs zu befördern, eine Welle der Empörung ausgelöst hatte.
Vertreter aller drei Parteien beeilten sich, ihr Festhalten an Maaßen zu verteidigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, sie bedaure sehr, dass sie „zu wenig an das gedacht“ habe, „was die Menschen zu Recht bewegt, wenn sie von einer Beförderung hören“. Deshalb habe die Sache neu bewertet werden müssen. Das neue Ergebnis sei nun „sehr gerecht und auch vermittelbar“.
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles verkündete: „Wir haben eine Lösung gefunden. Es ist ein gutes Signal, dass die Koalition in der Lage ist, die öffentliche Kritik ernst zu nehmen und sich selbst zu korrigieren.“ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, es sei gut, dass die ursprüngliche Entscheidung revidiert worden sei. Wenn Innenminister Horst Seehofer (CSU) Maaßen im engen Beraterkreis behalten wolle, sei das seine Entscheidung.
Tatsächlich ist das Festhalten an Maßen ein klares Signal an die AfD und all ihre Sympathisanten und Mitglieder im Staatsapparat, dass sie die volle Rückendeckung der Großen Koalition haben.
Maaßen war in die öffentliche Kritik geraten, weil er in der Bild-Zeitung den Aufmarsch tausender Neonazis in Chemnitz verharmlost hatte. Obwohl diese den Hitlergruß zeigten, Migranten verfolgten und ein jüdisches Restaurant angriffen, bestritt Maaßen, dass es zu Hetzjagden gekommen sei, und bezweifelte die Authentizität eines Videos, das dies eindeutig nachwies.
Normalerweise wird ein Spitzenbeamter, der derart offen die eigene Regierung brüskiert – Bundeskanzlerin Merkel hatte zuvor selbst von Hetzjagden gesprochen – und sich dabei mit Rechtsextremen identifiziert, ohne weitere Umstände in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Dutzende Beamte haben dieses Schicksal erfahren, darunter auch mehrere Verfassungsschutzpräsidenten.
Doch die Große Koalition will sich unter keinen Umständen von Maaßen trennen. Je mehr sie in Umfragen an Unterstützung verliert, desto stärker stützt sie sich auf jene Elemente im Polizei- und Sicherheitsapparat, die Maaßen als Vorbild bewundern, wie er Sympathien für die autoritären und ausländerfeindlichen Standpunkte der AfD hegen und alles hassen, was sie als „links“ betrachten.
Ein typischer Vertreter dieser Kreise ist der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt, der Maaßen schon vor zwei Wochen gegen angebliche „linke Kräfte“ in Schutz genommen hatte. „Man muss sich das vorstellen, wir brauchen wirklich alle Kräfte, um gegen politisch oder religiös motivierten Extremismus jeglicher Art zu kämpfen und haben nichts Besseres zu tun, als die Spitze des BfV mit solchen Debatten zu schwächen, das ist an Absurdität kaum noch zu überbieten“, schrieb er.
Dann attackierte Wendt die politischen Parteien im typischen Jargon autoritärer Regime. Statt die Nachrichtendienste zu stärken, schrieb er, „kochen einige Parteien ihre politischen Süppchen und vernachlässigen eben diese Aufgaben, üben sich in symbolhaften Ersatzhandlungen und lautem Geschrei“.
Maaßen ist nur die Spitze des Eisbergs und seine rechten Positionen sind seit langem bekannt. So sorgte er bereits 2002 unter Innenminister Otto Schily (SPD) dafür, dass der in Bremen aufgewachsene Murat Kurnaz, der völlig unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo saß, nicht nach Deutschland zurückgeschickt und weitere vier Jahre ohne Anklage festgehalten wurde.
Als Beamter des Innenministeriums und ab 2012 als Verfassungsschutzpräsident war Maßen maßgeblich dafür verantwortlich, die Aktivitäten von V-Leuten im Umfeld der rechtsextremen Terrorzelle NSU zu verschleiern und den illegalen Datenaustausch mit dem US-Geheimdienst NSA zu organisieren.
Kurz vor den Ereignissen in Chemnitz erschien dann der „Verfassungsschutzbericht 2017“, für den Maßen die Verantwortung trägt. Darin werden die AfD und die rechtsextremen Figuren und Organisationen in ihrem Umfeld (Björn Höcke, Götz Kubitschek, Jürgen Elsässer, Pegida, usw.) mit keiner Silbe erwähnt. Kritik am Kapitalismus, am Nationalismus und an der AfD werden dagegen pauschal als „Linksextremismus“ diffamiert. Insbesondere die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) wird als „Beobachtungsobjekt“ und „linksextreme Partei“ aufgeführt, obwohl ihr der Verfassungsschutz weder Gesetzesverstöße noch gewaltsamen Aktivitäten vorwirft.
Obwohl dieser Bericht keinen Zweifel daran lässt, wo der Verfassungsschutz und Maaßen politisch stehen, hat nicht ein Vertreter der im Bundestag vertretenen Parteien dagegen protestiert. Aus demselben Grund feiern sie nun die Weiterbeschäftigung dieses AfD-Sympathisanten im Innenministerium als Erfolg.
Dabei handelt es sich nicht, wie SPD-Generalsekretär Klingbeil weismachen will, um eine persönliche Entscheidung von Innenminister Seehofer oder, wie viele Medien behaupten, um einen Racheakt des CSU-Vorsitzenden an Kanzlerin Merkel am Ende seiner politischen Laufbahn. Vielmehr stützt sich die gesamte Große Koalition zunehmend auf die autoritären Kräfte im Staatsapparat, die Maaßen verkörpert. Deshalb hatte die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles ursprünglich auch kein Problem, der Beförderung Maaßens zuzustimmen.
Unter den Bedingungen wachsender internationaler Spannungen, insbesondere mit den USA, eines eskalierenden internationalen Handelskriegs und des Auseinanderbrechens der EU bereitet die herrschende Klasse eine Eskalation des Militarismus und soziale Angriffe vor, die sie nicht mit demokratischen Mitteln durchsetzen kann. Wie am Ende der Weimarer Republik setzt sie daher vermehrt auf autoritäre Elemente im Staatsapparat und auf rechtsextreme Kräfte wie die AfD.
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat dies in einem Schreiben an die SPD-Mitgliedschaft unverhohlen ausgesprochen. Sie begründete das Festhalten an der Großen Koalition und an Maaßen mit den Worten: „Europa steht vor einer Zerreißprobe, es droht ein Handelskrieg mit den USA, die Situation um Syrien erfordert unser ganzes diplomatisches Geschick. Deswegen ist für die SPD wichtig, dass wir eine handlungsfähige Bundesregierung behalten.“
Nahles‘ „handlungsfähige Bundesregierung“, die nach der jüngsten INSA-Umfrage nur noch von 43 Prozent der Wähler unterstützt wird, 10 Prozent weniger als bei der letzten Wahl, ist – wie die Affäre Maaßen zeigt – ein Brutkasten für die rechtesten und reaktionärsten Kräfte. Die einzige Möglichkeit, die Rückkehr der Gespenster der Vergangenheit zu verhindern, ist die Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms.