Verdi vereinbart Abbau von 6.000 Arbeitsplätzen und mehr als 200 Standortschließungen bei T-Systems in Deutschland

Der von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) geführte Betriebsrat der Telekom-Tochter T-Systems hat den größten Personalabbau seit der Privatisierung der Deutschen Telekom vor zwei Jahrzehnten ausgearbeitet. Jede Dritte Stelle soll bei T-Systems allein in Deutschland in den nächsten dreieinhalb Jahren wegfallen.

T-Systems-Chef Adel Al-Saleh übernahm Anfang des Jahres seinen Posten. Der US-Amerikaner war ausdrücklich als Sanierer verpflichtet worden. Am Mutterkonzern Telekom ist der Staat noch mit knapp 32 Prozent beteiligt. Im Juni kündigte dann Al-Saleh weltweit 10.000 Entlassungen an, davon 6.000 in Deutschland. T-Systems beschäftigt rund 37.000 Menschen in aller Welt, etwa 18.000 hierzulande.

In den vergangenen Monaten haben Betriebsräte und Verdi-Funktionäre den Mechanismus ausgearbeitet, wie die von Al-Saleh angekündigten Entlassungen durchzusetzen sind.

Die jetzige Einigung sieht einen Abbau von etwa 5.600 statt 6.000 Arbeitsplätzen vor. Mehrere Hundert Beschäftigte hätten bereits das Unternehmen „freiwillig“ in diesem Jahr verlassen, berichtete Thomas Schneegans, Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied der T-Systems International GmbH. Nun habe man vereinbart, „dass bis Ende 2020 insgesamt 3.765 Stellen abgebaut werden“. Gehe es „T-Systems bis dahin nicht wirtschaftlich besser, könnten im Jahr 2021 weitere 1.200 Stellen gestrichen werden“.

Seine ursprüngliche Forderung, von etwa 230 Standorten in über 100 Städten nur noch acht Standorte aufrecht zu erhalten, hat Al-Saleh ebenfalls beinahe vollständig durchsetzen können. Man habe sich auf 25 Städte geeinigt, d.h., rund 90% aller deutschen Standorte werden geschlossen.

Als Al-Saleh im Juni diesen Kahlschlag angekündigte, droschen Verdi und ihre Betriebsräte ihre altbekannten Phrasen und heuchelten Empörung. „Das neue T-Systems-Management ist offensichtlich nicht in der Lage oder nicht willens, tragfähige und ausgewogene Lösungen zu präsentieren“, sagte damals Verdi-Fachgruppenleiter Michael Jäkel.

Anfang Juli fanden dann – in den Mittagspausen – Aktionen an vielen Standorten statt. „So nicht, Herr Al Saleh!“ hieß es in einer Resolution gegen den Kahlschlag. Der Sanierer wurde gefragt, ob er „die Firma profitabel machen oder kaputt sanieren“ wolle.

Aber schon zu diesem Zeitpunkt erklärten die Betriebsräte ihre Bereitschaft, gemeinsam den Konzern „profitabel“ machen zu wollen: „Wir die Beschäftigten der T-Systems wollen gerne dazu beitragen das Unternehmen zu stärken und somit unsere Arbeitsplätze zu sichern. […] Arbeiten sie mit uns an einer zukunftsfesten Transformation. Umbau ja, aber: kein Standortkahlschlag, zukunftsfähige Arbeitsplätze und Verzicht auf Beendigungskündigungen!“

Nun wird alles, was sich Al-Saleh und die Gesellschafter, darunter die Bundesregierung, vorgenommen haben, umgesetzt. In den Sommerferien arbeiteten die Konzernvertreter mit denen von Verdi und Betriebsrat die Einzelheiten aus. „Wir haben drei Wochen lang ununterbrochen mit den Arbeitgebern in einem Hotel verhandelt – teilweise in sieben Teams parallel. Jetzt steht ein Kompromiss, der für beide Seiten nicht einfach war“, berichtete Betriebsratschef Schneegans.

Ende August wurde der „Interessenausgleich und Sozialplan“ mit dem dazugehörigen Kahlschlag unterschrieben. Die Telekom hat erneut ein Abfindungsprogramm aufgelegt, ältere T-Systems-Beschäftigte könnten auch in Altersteilzeit wechseln, sagte ein Unternehmenssprecher. Der Sozialplan, der der Lehre nach ältere, langjährige Beschäftigte schützt und auch die familiäre Situation der Beschäftigten berücksichtigt, wird durch eine besondere Art der Bestenauslese konterkariert. In den nächsten Wochen müssen sich etwa 3.000 Mitarbeiter der Konzerntochter T-Systems, vorwiegend in der Verwaltung, neu bei ihrem Arbeitgeber bewerben. Die Bewerber konkurrieren um nur etwa 1.200 verbleibende Stellen.

Die 1.800, die nicht zum Zuge kommen, werden in Fortbildungen gesteckt und erhalten ihr Gehalt solange, „bis sie eine neue Stelle gefunden haben“, sagt Schneegans.

Ob der Abbau tatsächlich gänzlich ohne „Beendigungskündigungen“ bzw. betriebsbedingte Kündigungen auskommt, ist aber alles andere als gesichert. Für gewöhnlich wird der Verzicht der Konzerne auf „betriebsbedingte Kündigungen“ von den Gewerkschaften immer als großer Erfolg dargestellt – selbst wenn 80 Prozent aller Arbeitsplätze über die Jahre wegfallen.

Ende dieses Jahres läuft bei T-Systems der tariflich vereinbarte Kündigungsschutz aus. Über einen entsprechenden neuen Tarifvertrag gibt es aber noch keine Einigung. Die seit April laufenden Tarifverhandlungen für die deutschlandweit rund 11.000 tarifgebunden Beschäftigten sind Anfang September nach der fünften Verhandlungsrunde ohne Ergebnis beendet worden.

Verdi-Verhandlungsführer Michael Jäkel sagte, der Konzern fordere deutliche Reallohnverluste und „der angebotene Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen sei wertlos, da er an nicht erfüllbare Bedingungen geknüpft“ sei.

Verdi und T-Systems haben über die Löhne und die Arbeitsplatzsicherheit in sechs Monaten kein Ergebnis abschließen wollen, weil sie zunächst den Abbau von rund einem Drittel der Belegschaft unter Dach und Fach bringen wollten. Dies gelang hinter verschlossenen Türen innerhalb von nur drei Monaten.

Dieser Kahlschlag sei jedoch „nur Al-Salehs erster Aufschlag für den Umbau“ berichtet das Handelsblatt. Vergangene Woche seien die Führungsteams unterhalb der Geschäftsführung neu besetzt worden – mit einem Viertel weniger Stellen als bisher. Derzeit werde über die Kandidaten für die Geschäftsführung entschieden. Am Ende sollen zwischen 30 und 40 Prozent weniger Management-Positionen bestehen. Von acht Hierarchieebenen sollen noch drei bis fünf, von 1.500 Organisationseinheiten lediglich 500 übrig bleiben.

Das Geschäft solle in elf Bereiche aufgegliedert werden, neben klassischen IT-Diensten und den Kernbereichen Festnetz und Mobilfunk soll es acht „Wachstumseinheiten“ geben, darunter IT-Sicherheit, SAP-Dienste, das Cloudgeschäft, aber auch Gesundheitsdienste.

T-Systems will mit diesem Rundumschlag die Profite steigern und der wachsenden internationalen Konkurrenz entgegentreten. Die letzten Jahre konzentrierte sich der Konzern auf die Übernahme ausgelagerter IT-Abteilungen von Großkonzernen, schreibt das Handelsblatt. „Das Geschäft wirft aber kaum Gewinne ab.“ Daher waren schon zwischen 2014 und 2015 bei T-Systems fast 5.000 Stellen abgebaut worden.

Nun wolle sich die Telekom-Tochter aus diesem Geschäft ganz zurückziehen. Diese Leistungen können durch die internationale Digitalisierung in Ländern mit weitaus geringeren Löhnen erledigt werden. Auch T-Systems plant in den kommenden zwei Jahren 2.000 Arbeitsplätze nach Indien oder Ungarn auszulagern.

„Die Digitalisierung wird nahezu alle Branchen nachhaltig verändern“, prophezeit das Handelsblatt und fordert Al-Saleh auf T-Systems zu einem spezialisierten Partner der Wirtschaft aufbauen. „Sonst droht sein aktuelles Sparprogramm nur Vorstufe zur nächsten Sparrunde zu werden.“

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