Perspektive

UPS zahlt 700 Millionen Dollar an Aktionäre aus: Eine Lehrstunde des Kapitalismus

Am Donnerstag gab das US-amerikanische Logistik- und Zustellunternehmen UPS eine vierteljährliche Dividendenausschüttung an die Aktionäre in Höhe von mehr als 700 Millionen US-Dollar für die drei Monate bis August 2018 bekannt. Die Ankündigung kam am selben Tag, als die Gewerkschaft Teamsters in Chicago zusammenkam, um neue Verträge für die UPS-Mitarbeiter zu verabschieden, die Löhne auf Armutsniveau durchsetzen und weitreichende Zugeständnisse einführen.

Die Dividendenausschüttung von UPS ist eine Lehrstunde über die grundlegende Funktionsweise des Kapitalismus. Woher kommen diese 700 Millionen Dollar? Sie sind ja nicht aus dem Nichts entstanden. Sie werden aus der Arbeit von Hunderttausenden von Arbeitern in den USA und international herausgezogen. Sie sind Teil des von diesen Arbeitern erwirtschafteten Mehrwertes – der Differenz zwischen den Löhnen, die sie durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft verdienen, kaum genug, um zu überleben, und dem Wert, den sie im Produktions- und Verteilungsprozess hinzufügen.

Die Nutznießer dieses Ausbeutungsprozesses sind nicht nur die Unternehmensleiter, die UPS betreiben, sondern auch die großen Investoren und Superreiche, die Aktien von UPS besitzen. Zu den größten Anteilseignern von UPS gehören die Hedgefonds Vanguard Group (die 46 Millionen Dollar erhalten werden), Blackrock (36 Millionen Dollar) und State Street Corporation (24 Millionen Dollar). Diese Hedgefonds verteilen dann ihre „Erträge“ an die Finanzparasiten und Milliardäre, die sie verwalten und in sie investieren.

Seinerseits wird UPS-Chef David Abney, der über 200.000 Aktien kontrolliert, weitere 180.000 Dollar zusätzlich zu seiner Vergütung von mehr als 14 Millionen Dollar im Jahr 2017 einnehmen.

Nimmt man einmal an, dass ähnliche Zahlungen an Investoren auch für den Rest des Jahres anstehen, dann würde die Dividendenausschüttung von 2,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 ausreichen, um jedem der Viertelmillion Beschäftigten bei UPS eine sofortige Auszahlung von mehr als 11.000 US-Dollar zu ermöglichen. Das wäre fast eine Verdoppelung des Jahresgehalts eines Teilzeit-Lagerarbeiters bei 10 US-Dollar pro Stunde und 25 Stunden Arbeitszeit pro Woche. Es würde für einen solchen Arbeiter 1.000 Jahre dauern, um das einzunehmen, was UPS-Chef Abney im Jahr 2017 ausgezahlt wurde.

UPS hat seine Dividendenauszahlungsrate pro Aktie seit vier Jahrzehnten jedes Jahr erhöht oder zumindest beibehalten. Seit dem Jahr 2000, dem Jahr nach dem Börsengang, hat sich die Auszahlungsrate vervierfacht. Allein in den letzten sieben Jahren hat UPS mehr als 18 Milliarden Dollar an Dividenden (das wären 72.000 Dollar für jeden Mitarbeiter) ausgezahlt, zusätzlich zu den Milliarden Dollar an direkten Aktienrückkäufen, die darauf abzielen, das Vermögen der derzeitigen Aktionäre aufzublasen.

Die Dividendenausschüttung von UPS ist nur ein Fall von Aktienrückkäufen, Unternehmensübernahmen und Dividenden, die dazu verwendet werden, Billionen von Dollar von der Arbeiterklasse an die wirtschaftliche Elite zu übertragen.

Laut einer Analyse von Goldman Sachs, die letzte Woche veröffentlicht wurde, sollen US-Unternehmen in diesem Jahr mehr als eine Billion Dollar ihrer eigenen Aktien zurückkaufen. Zehn Jahre nach dem globalen Finanzcrash von 2008 schwimmen Unternehmen in Billionen von Dollar und machen Rekordgewinne. Bei den Unternehmen, die im New Yorker Aktienindex S&P 500 notiert sind, stieg der Gewinn pro Aktie im zweiten Quartal 2018 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 24 Prozent.

Dieser Reichtum wird nicht in neue Produktion oder Infrastruktur investiert, geschweige denn in Lohnerhöhungen oder die Einstellung neuer Arbeitskräfte. Stattdessen wird er in Richtung künstlich aufgeblähter Aktienkurse und der Aktienportfolios der Reichen umgelenkt.

Das gesamte kapitalistische System ist vom Anstieg der Börsenkurse abhängig. Nach dem Finanzcrash von 2008 reagierten die herrschenden Klassen auf der ganzen Welt, angeführt von der Obama-Regierung in den USA, mit einer Infusion von Billionen Dollar in den Markt, um die Banken zu retten. Dieser Prozess wurde unter Trump fortgesetzt, wobei die massiven Steuererleichterungen für Unternehmen und Reiche in erster Linie zum Aufblähen der Aktienblase genutzt wurden.

Zentrale Voraussetzung für den weiteren Anstieg der Aktienwerte ist die Niedrighaltung der Löhne und die Vernichtung von Sozialleistungen. Wie Marx erklärte: „Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Verkommenheit auf dem Gegenpol“.

Ein am Freitag veröffentlichter Bericht des amerikanischen Arbeitsministeriums zeigte, dass der durchschnittliche Stundenverdienst, einmal inflationsbereinigt, im vergangenen Jahr zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren fiel. Dies geschah unter Bedingungen, bei denen die offizielle Arbeitslosenquote bei historisch niedrigen 3,9 Prozent liegt.

In seinem Artikel, der die stagnierenden Löhne beschreibt, stellte das Wall Street Journal mit offensichtlicher Verwirrung die Kombination aus niedriger Arbeitslosigkeit und dem Fortbestehen niedriger Löhne in der gesamten Wirtschaft fest.

Das Journal und die großen Medien ignorieren, oder besser gesagt, verschweigen den entscheidenden Faktor: die Unterdrückung der Arbeiterklasse durch die Gewerkschaften in den letzten 30 Jahren und die Sabotage jeglichen Kampfes für Verbesserungen ihrer Löhne.

In Bezug auf UPS befinden sich die Teamsters derzeit in einer Verschwörung mit dem Management, um den neuen Fünfjahresvertrag zur Kostensenkung durchzusetzen. Die Vereinbarung, die von den Teamsters am 10. Juli veröffentlicht wurde, führt eine neue zweite Stufe von schlechter bezahlten „hybriden“ Arbeitern ein. Sie können sowohl in den Lagern als auch beim Ausfahren von Lieferungen eingesetzt werden und erhalten sechs Dollar pro Stunde weniger als die derzeitigen Fahrer. Dieses neue Konstrukt zielt darauf ab, die Teilzeitarbeit von den Lagern auf die Fahrer auszudehnen und den letzten gutbezahlten Arbeitsplatz im Unternehmen zu vernichten.

Der Vertrag hält auch die Löhne für Teilzeit-Lagerarbeiter aufrecht, die mehr als 70 Prozent der Belegschaft ausmachen, nur zehn Dollar pro Stunde verdienen und von UPS und der Gewerkschaft Teamsters gleichermaßen wie menschlicher Müll behandelt werden.

Während die Funktionäre der Teamsters versuchen, den faulen Ausverkauf als großen Sieg zu präsentieren, gab das Unternehmen eine Erklärung heraus, in der es die Unterstützung der Teamsters-Führung begrüßte und sich darüber freute, dass die Vereinbarung „Bestimmungen enthält, die UPS mehr Flexibilität bieten“, auch für „erweiterte Wochenenddienste für Privatkunden, sowie hinsichtlich der Herausforderungen anderer Wettbewerber“. Die Wall Street feierte das, indem sie den Aktienkurs für UPS nach oben schickte – unter der leichtsinnigen Annahme, dass es den Teamsters gelingen wird, sie durchzusetzen.

Unter Mitwirkung der Teamsters haben sich die Arbeitsbedingungen der UPS-Arbeiter in den letzten 30 Jahren vollständig gewandelt. Im Jahr 1979 verdiente ein Teilzeit-Lagerarbeiter das Äquivalent von 27 Dollar pro Stunde in der heutigen Zeit. Der World Socialist Web Site UPS Workers Newsletter hat Dutzende von UPS-Arbeitern befragt, die die menschlichen Kosten des endlosen Profitstrebens des Unternehmens beschrieben haben.

Lilly, eine Lagerarbeiterin in Rockford, Illinois, die 13 Dollar pro Stunde verdient und mit ihrem Mann drei Kinder großzieht, sprach von einem Mitarbeiter, dessen Finger am Fließband abgerissen wurde. Sean, ein Paketlader in Tennessee, war mehrfach gezwungen, sein Blutplasma zu spenden, um mit seinem drei Monate alten Baby und seiner Frau über die Runden zu kommen.

Generell haben sich die korporatistischen, arbeiterfeindlichen Gewerkschaften dafür eingesetzt, jede Form der Opposition gegen die Umverteilung des Reichtums von den Arbeitern zu den Reichen zu isolieren und zu unterdrücken. Große Streiks sind praktisch verschwunden, auch wenn die soziale Ungleichheit zugenommen hat. Die Gewerkschaften haben sich selbst in Billiglohnfirmen verwandelt.

Diejenigen, die den organisatorischen Würgegriff dieser Institutionen gegenüber der Arbeiterklasse aufrecht erhalten – einschließlich der zahlreichen pseudolinken Organisationen rund um die Demokratische Partei –, tun dies, weil sie für privilegierte Teile der oberen Mittelschicht sprechen, die von dem Prozess profitiert haben, den die Gewerkschaften ermöglicht haben, vor allem vom endlosen Anstieg der Aktienkurse.

Um für ihre Interessen zu kämpfen, braucht die Arbeiterklasse neue Organisationen, Fabrik-, Arbeits- und Nachbarschaftskomitees. Diese Organisationen müssen dafür kämpfen, die Arbeiter bei UPS mit Autoarbeitern, Lehrern, Amazon-Beschäftigten und allen Teilen der Arbeiterklasse in den USA und international in einem gemeinsamen Kampf gegen die Unternehmens- und Finanzelite zu vereinen.

Es gibt keine Möglichkeit, das anhaltende Wachstum der sozialen Ungleichheit und der Verarmung von Millionen von Arbeitern auf der ganzen Welt im Rahmen des Kapitalismus anzugehen. UPS-Mitarbeiter sind nicht nur mit einem Unternehmen oder einem korrupten Gewerkschaftsfunktionär konfrontiert, sondern mit einem ganzen Wirtschaftssystem, das auf der Ausbeutung der Arbeiterklasse basiert.

Die gigantischen Logistikkonzerne wie UPS, Amazon und FedEx, die in sich die objektive Grundlage für ein fortschrittliches, rational organisiertes und wissenschaftliches System des internationalen Güterverkehrs enthalten, müssen enteignet und der Finanzoligarchie als Teil einer geplanten sozialistischen Reorganisation der Weltwirtschaft durch die Arbeiterklasse entzogen werden.

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