Das Treffen der G7-Finanzminister in der vergangenen Woche zeigte, dass zwischen den USA und den anderen sechs großen Volkswirtschaften eine tiefe Spaltung existiert. Auf dem zweitägigen Gipfel der Staats- und Regierungschefs, der heute im kanadischen Quebec begonnen hat, werden sich die Differenzen noch vertiefen.
Die Europäische Union (EU) treibt Vergeltungszölle voran, nachdem die Trump-Regierung sich aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ geweigert hat, ihr eine dauerhafte Befreiung von Stahl- und Aluminiumzöllen zu gewähren.
Nach dem Treffen der Finanzminister bezeichnete der französische Finanzminister Bruno Le Maire die G7 als „G6 plus 1“. Es zeigt sich, dass diese Beschreibung mehr war als eine rhetorische Ausschmückung, da Kanada, die EU und Japan versuchen, ihre Reaktion auf die USA zu koordinieren.
Der japanische Handelsminister Hiroshige Seko sagte am Dienstag gegenüber Reportern: "Japan und die EU werden sich in dieser Frage zusammentun und andere Länder zu einer Zusammenarbeit aufrufen."
Die Europäische Kommission hat gestern angekündigt, dass sie ihre Pläne zur Einführung von Zöllen für Waren im Wert von 2,8 Mrd. Euro umsetzen werde. Als Grundlage dient dabei eine Liste von Waren, die bei der ersten Ankündigung der US-Zölle im März erstellt wurde. Die USA haben davor gewarnt, dass europäische Stahl- und Aluminiumzölle durch weitere Maßnahmen beantwortet würden.
Der für Handel zuständige Vizepräsident der EU-Kommission Jyrki Katainen erklärte, Brüssel habe „volle Unterstützung“ für Maßnahmen gegen die USA erhalten. „Wir wollen unsere Industrie und unsere legitimen Interessen verteidigen.“
Nach den EU-Vorschriften werden die Vergeltungspläne den Regierungen zur Überprüfung vorgelegt. Sofern nicht eine Mehrheit der Mitglieder dagegen ist, werden die Maßnahmen voraussichtlich im nächsten Monat in Kraft treten.
Der britische Handelsminister Liam Fox sagte dem Parlament Anfang dieser Woche, die EU hätte von den „ungerechtfertigten Maßnahmen gegen Stahl und Aluminium“ ausgenommen werden sollen. Großbritannien werde diese Position „in Abstimmung mit der EU“ weiterhin auf höchster Ebene vertreten.
Fox sagte, es sei „richtig, unsere heimischen Industrien vor den direkten und indirekten Auswirkungen dieser US-Zölle zu schützen“. Die Antwort müsse „wohl überlegt und verhältnismäßig“ sein. Es sei „wichtig, dass Großbritannien und die EU innerhalb der Grenzen des regelbasierten internationalen Handelssystems arbeiten“.
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau, der den Gipfel leitet, sagte einige „sehr direkte Gespräche“ voraus und nannte die US-Tarife „beleidigend“. Kanada und die EU haben bei der Welthandelsorganisation (WTO) formelle Schritte gegen die Maßnahmen der USA angekündigt.
Zusammen mit Kanada führt Mexiko Gespräche mit den USA über die Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA). Als Vergeltung für die Strafzölle der USA hat Mexiko Zölle auf US-Importe, vor allem auf Nahrungsmittel, eingeführt.
Dies führte zu einer Warnung von Eswar Prasad, einem Handelsexperten der Cornell University. Prasad erklärte gegenüber der Financial Times, dass ein „offener Handelskrieg“ im „Hinterhof der USA“ ausgebrochen sei mit „potenziell verheerenden Folgen für die Zukunft des NAFTA“.
Die USA versuchen, in den Verhandlungen einen Keil zwischen Kanada und Mexiko zu treiben. Einer von Trumps Wirtschaftsberatern, Larry Kudlow, erklärte, dass die Regierung eine solche „Verschiebung“ bevorzugen würde. Kanada und Mexiko seien „unterschiedliche Länder“, die unterschiedliche Abkommen bräuchten.
Der wichtigste Trick der EU in den Verhandlungen über Stahl war die Zusage eines gemeinsamen Vorgehens mit den USA gegen Überkapazitäten in China. Im vergangenen November einigten sich die Minister auf einem G20-Treffen darauf, Maßnahmen zur Lösung dieser Frage zu ergreifen. Laut einem Bericht des Wall Street Journal erklärte die Trump-Regierung jedoch, dass multilaterale Initiativen das Problem nicht lösen würden. Während die USA sich dieser Frage mit großem Einsatz widmen würden, schrecke die Trump-Regierung nicht vor einseitigen Maßnahmen zurück.
Die Perspektive der EU beruht auf der Überzeugung, dass die USA irgendwie zurückgedrängt werden können, indem man ihnen klar macht, dass ihr Verhalten der Welthandels- und Wirtschaftsordnung, die die USA in der Nachkriegszeit selbst aufgebaut haben, abträglich ist.
Solche Vorstellungen ignorieren jedoch die grundlegenden Entwicklungstendenzen und die Geschwindigkeit, mit der sich diese entfalten.
Vor einem Jahr, bei den entsprechenden Treffen der G7 und anderer internationaler Wirtschaftsgremien, stritt man sich noch um Worte. Dies betraf insbesondere die Weigerung der USA, Verpflichtungen zum „Widerstand gegen Protektionismus“ in offizielle Erklärungen aufzunehmen.
Zwölf Monate später befinden sich die USA an mehreren Fronten in Handelskonflikten, sowohl gegen ihre „Verbündeten“ der Nachkriegszeit als auch gegen China, das sie als größte Bedrohung für den Fortbestand ihrer globalen wirtschaftlichen, geostrategischen und militärischen Dominanz ansehen.
Teile der herrschenden Elite in den USA erheben Einwände, dass sich die Stahl- und Aluminiumzölle, die aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ nach Abschnitt 232 des Trade Expansion Act von 1962 erhoben werden, nicht gegen amerikanische „Verbündete“ richten sollten. Dies hat nicht zu einem Rückzug der Trump-Regierung geführt. Vielmehr hat sie eine „Untersuchung“ in der Automobilindustrie nach Abschnitt 232 angeordnet - ein schwerer Schlag gegen Deutschland.
Ein weiteres zentrales Thema ist der einseitige Rückzug der USA aus dem Iran-Abkommen, das unter Beteiligung der europäischen Großmächte vermittelt wurde. Die USA haben damit gedroht, dass europäische Unternehmen mit wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen aus Washington rechnen müssen, wenn sie weiterhin mit dem Iran Handel treiben.
Sollte irgendeine Sanktion verhängt werden, würde dies europäische Handels- und Investitionsabkommen in Milliardenhöhe sowie die Tätigkeit der Society for Worldwide International Bank Telecommunication, bekannt als Swift, gefährden. Dieses Unternehmen, das sich im Besitz von 2.400 Banken und Finanzinstituten befindet, steht im Zentrum des globalen Netzwerks, das grenzüberschreitende Finanztransaktionen ermöglicht.
Die USA sind in der Lage, einen enormen Druck auszuüben, nicht nur wegen der Größe des US-Marktes, sondern auch wegen der Rolle des Dollars als wichtigste globale Währung.
Das Vorgehen gegen die europäischen Mächte wurde von Handelskriegsmaßnahmen gegen China gemäß Abschnitt 301 des Handelsgesetzes von 1974 begleitet. Es wird erwartet, dass die USA am 15. Juni Zölle auf chinesische Waren im Wert von 50 Milliarden Dollar erheben, gefolgt von einer Reihe von Beschränkungen am Ende des Monats.
China soll angeboten haben, seine Einfuhren von Agrar- und Energieerzeugnissen aus den USA um 70 Milliarden Dollar pro Jahr anzuheben, um die Forderung Washingtons, seinen Handelsüberschuss gegenüber den USA um 200 Milliarden Dollar zu reduzieren, teilweise zu erfüllen. Peking hat dieses Zugeständnis jedoch davon abhängig gemacht, dass die Androhungen von Strafzöllen gegen China aufgehoben wird. Quellen, die der Trump-Regierung nahe stehen, bezeichneten Pekings Zugeständnisse als „Blindgänger“.
Für Washington besteht das wesentliche Problem mit China nicht im Handelsdefizit. Die USA fordern, dass ihr aufstrebender Rivale die Förderung der High-Tech-Entwicklung im Rahmen des Plans „Made in China 2025“ einstellt und sich mit einem Dasein als wirtschaftliche Halbkolonie der USA begnügt.
Appelle an die USA, die Nachkriegsordnung nicht zu zerstören, werden auf taube Ohren stoßen. Der Grund dafür liegt nicht in den besonderen Neigungen der Trump-Regierung. In den herrschenden Kreisen der USA verbreitet sich die Ansicht, dass gerade das von den USA geschaffene System die Hauptursache für den wirtschaftlichen Niedergang des amerikanischen Kapitalismus gegenüber seinen historischen Konkurrenten in Europa und einem neuen Konkurrenten in China ist.
Der Prozess, in dem die USA ihre Orientierung verändert haben, begann nicht mit Trump. Er wurde von der Obama-Regierung in Gang gesetzt. Obamas Handelspolitik basierte nicht auf Multilateralismus, sondern zielte darauf ab, die amerikanische Dominanz dadurch zu erhalten, dass die USA in den Mittelpunkt der globalen Wirtschafts- und Finanznetzwerke gestellt werden.
Obwohl die USA einen starken wirtschaftlichen Niedergang erlitten haben, haben sie immer noch zwei entscheidende Waffen in der Hand: die Kontrolle über den Dollar als Fundament des globalen Finanzsystems und seine überwältigende militärische Macht. Die USA beabsichtigen, beide in den kommenden Schlachten zu nutzen, während sich die Spaltungen und Konflikte, die jetzt offen in den G7 zu sehen sind, weiter verschärfen.