Opel verlangt Gehaltskürzungen

Am Mittwoch berichtete die Wirtschaftswoche, der Opel-Konzern wolle die im April fällige Lohnerhöhung von 4,3 Prozent nicht auszahlen. Die Erhöhung ist Teil der Vereinbarung, mit der die IG Metall Anfang Februar den Streik in der Metall- und Elektroindustrie abgewürgt hatte.

Das Geld steht den rund 19.000 Opel-Beschäftigten in Deutschland erstmals mit der Lohnzahlung Ende April zu. Die tarifvertraglich für März vereinbarte Einmalzahlung von 100 Euro soll überwiesen worden sein.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug bestätigte die Forderung des Vorstands, wies sie aber zunächst zurück. Man zahle nicht zwei Mal für einen bereits ausgehandelten Vertrag, behauptete er. Die Beschäftigten hätten bereits in vorangegangenen Tarifrunden Abstriche hingenommen.

In der Tat, Ende Januar berichtete ein älterer Arbeiter der WSWS: „Wir sind es ja hier bei Opel gewohnt, dass man uns am Ende immer was abzieht. Das müssen mittlerweile schon mindestens 20 Prozent sein, die wir weniger kriegen als normal. Denn jedes Mal müssen wir was abgeben, nach jeder Tarifeinigung sind es mindestens ein oder anderthalb Prozent, worauf wir verzichten müssen. Das summiert sich in all den Jahren.“

Daher ist dies ein leicht durchschaubares Spiel. Wie in der Vergangenheit werden die IG Metall und ihre Betriebsräte bei Opel auch in Zukunft die Arbeiter zur Kasse bitten. Seitdem der französische Konzern Peugeot-Citroën (PSA Group) im letzten Jahr Opel von General Motors gekauft hat, handeln IG Metall und Gesamtbetriebsrat einen Angriff nach dem anderen aus.

Der Sanierungsplan „Pace“, den sie gemeinsam mit dem Vorstand entwickelt haben, ist Teil eines massiven Umstrukturierungsplans der neuen Konzernmutter PSA. Erst vor einem Monat hatte Schäfer-Klug erklärt, der IGM-Betriebsrat habe Einsparungen von 270 Millionen Euro zugestimmt.

Dies kann nicht nur durch Lohnsenkungen und eine Erhöhung der Arbeitshetze („Produktivität“) gelingen. Notwendig ist auch ein massiver Arbeitsplatzabbau. Dementsprechend kündigten Betriebsrat und Konzernspitze am Dienstag am Stammsitz in Rüsselsheim an, dass Opel nun auch ein neues Abfindungsprogramm auflegen wolle, um Arbeiter los zu werden. Es richte sich an diejenigen, die sich noch nicht für die seit November letzten Jahres laufenden Programme zu Altersteilzeit und Frühverrentung gemeldet haben.

Von wie vielen Beschäftigten sich Opel auf diese Weise trennen will, wurde nicht gesagt. Auch wie viele Arbeiter sich bislang für Vorruhestand und Altersteilzeit gemeldet haben, wurde nicht mitgeteilt. Ein Opel-Sprecher erklärte nur, beides werde sehr gut angenommen.

Die in den Medien verbreiteten Abfindungen von bis zu 275.000 Euro pro Beschäftigten sollen das vom Betriebsrat ausgearbeitete Abschiebeprogramm schmackhaft machen. Ähnliche Summen waren 2005 auch bei den Abfindungssummen für Opel-Arbeiter in Bochum genannt worden. Tatsächlich erhielten nur sehr wenige Arbeiter Summen in dieser Höhe. Dafür leitete das Abfindungsprogramm den langjährigen Abstieg des Werks ein, bis es im Jahre 2014 endgültig stillgelegt wurde.

Bei den jetzigen Abfindungsregelungen soll wieder das sogenannte „Prinzip der doppelten Freiwilligkeit“ gelten. Opel kann dem Abfindungswunsch von Beschäftigten genauso widersprechen wie der Betriebsrat. Dieses Veto-Recht des Betriebsrates ist ein Druckmittel mehr, um Opposition seitens der Belegschaft schon im Keim zu ersticken. Denn zumindest jeder, der dafür in Frage kommt, wird sich zweimal überlegen, den Mund aufzumachen und die geheimen Verhandlungen und die Kürzungsmaßnahmen zu kritisieren.

Gleichzeitig können Betriebsräte Kritikern nahelegen, eine Abfindung anzunehmen. Denn Teil des Sanierungsplans „Pace“ ist, betriebsbedingte Kündigungen nur bis Ende dieses Jahres auszuschließen. Wer betriebsbedingt gekündigt wird, bestimmt der Betriebsrat. außerdem sind dann Abfindungen nicht mehr zwingend Pflicht. Es wird daher nicht wenige Arbeiter geben, die einen „sozialverträglichen“ Abschied erwägen, solange es noch geht.

Hintergrund all der Programme zum Arbeitsplatzabbau wie auch der Forderung nach Lohnsenkungen sind die Sparvorgaben des neuen Mutterkonzerns PSA. Die Kosten pro hergestelltem Auto sollen um 700 Euro gesenkt, die gesamte Produktionspalette „verschlankt“ und Synergien in Milliardenhöhe genutzt werden. Die ersten Leidtragenden sind die Leiharbeiter in Rüsselsheim, die ihren Arbeitsplatz bereits verloren haben. Den dortigen Technikern und Ingenieuren wurde wie den Arbeitern im Werk Eisenach Kurzarbeit verordnet.

Ab 2020 soll Opel Gewinne einfahren. Um dies durchzudrücken, setzt PSA-Konzernchef Carlos Tavares bewusst auf eine enge Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Betriebsräten an allen Standorten Europas. Tavares hatte erklärt, er werde nur dort investieren, „wo es sich lohnt“. Die gewerkschaftlichen Vertreter spielen nun in einem konzerninternen Wettbewerb die Arbeiter der verschiedenen Länder und Standorte gegeneinander aus.

Wie dies aussieht, zeigte vor etwa einem Monat das Beispiel Spanien. Die Beschäftigten des Opel-Werks in Saragossa wurden vor die „Wahl“ gestellt: Entweder sie akzeptieren massive Lohnsenkungen oder die neue Version des Kleinwagen-Modells „Corsa“ wird an einem anderen Standort gebaut.

Trotz Protesten der Arbeiter handelten die spanischen Gewerkschaften Lohnsenkungen und eine Erhöhung der Arbeitszeit aus. Der Standort Eisenach, an dem die derzeit noch laufende Corsa-Produktion eingestellt wird, gilt seitdem als akut gefährdet.

Die vage Absichtserklärung des Opel-Vorstands, im thüringischen Werk einen Geländewagen auf einer PSA-Plattform produzieren zu wollen, dürfte für ein Überleben nicht reichen. Die Auslastung von Produktionsanlagen mit nur einem Modell gilt als ineffizient. „Nach meiner Einschätzung ist das Werk dem Tode geweiht“, urteilte der Autoexperte der Uni Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer in diesem Zusammenhang.

Opel-Vorstand Lohscheller betonte nach der Zusage an das Werk in Saragossa, dass diese Art der Erpressung nur der Anfang sei: „Wir versuchen jetzt, Werk für Werk, Standort für Standort, die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen, so dass wir dann entsprechend investieren können.“

Während die Gewerkschaften dafür sorgen, dass sich kein werks- und länderübergreifender Kampf gegen die Angriffe entwickelt, setzen sie diese „Werk für Werk, Standort für Standort“ durch.

Mitte letzter Woche verkündete PSA in Paris, dass die Produktion in Europa neu aufgeteilt werde, schreibt Reuters. Der Drei-Zylinder-Benzinmotor werde künftig nicht nur in Frankreich, sondern auch in den Opel-Werken Tychy in Polen und Szentgotthard in Ungarn gebaut. Das Motorenwerk Aspern in Österreich habe die Zusage für eine künftige Getriebeproduktion bekommen.

Die französischen PSA-Komponentenwerke in Tremery und Valenciennes sollen laut Reuters ab 2019 Elektromotoren, beziehungsweise bisher in Asien gefertigte Automatikgetriebe produzieren. Die Komponentenwerke Kaiserslautern und Rüsselsheim sind in diesem internen Wettbewerb der vergangenen Wochen leer ausgegangen.

Die Verhandlungen über weitere Einsparungen in Deutschland stocken derzeit. Gewerkschaft, Betriebsrat und Konzern haben noch keinen Mechanismus entwickelt, wie sie die neuen Angriffe, wie die jetzt bekannt gewordene Forderung nach Lohnsenkung, durchsetzen können. IG Metall, Gesamtbetriebsrat und Konzernspitze wollen in den kommen Wochen einen solchen Mechanismus gemeinsam ausarbeiten.

In die Verhandlungen um einen langfristig angelegten „Opel-Zukunftsplan“ über den bisherigen Tarifvertrag hinaus schaltet sich laut dpa auch der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber ein. Er solle „eng eingebunden“ werden.

Das sollten Opel-Arbeiter als Warnung verstehen. Huber übernahm vor fast drei Jahren als erster Gewerkschafter überhaupt den Posten eines Aufsichtsratsvorsitzenden, und zwar nicht bei irgendeiner Firma, sondern beim größten Automobilhersteller der Welt: Volkswagen. Er übernahm den Posten vom langjährigen Vorsitzenden Ferdinand Karl Piëch kurz vor dem sich abzeichnenden Wirbel um den Abgas-Betrug.

Nur ein halbes Jahr später – der Skandal über den Abgas-Betrug war da bereits in vollem Gange – schrieben Betriebsrat und IG Metall in einer Erklärung, sie würden ein Konzept entwickeln, in dem der notwendige Wandel beschrieben werde. Dazu wolle man auch „das Management einbeziehen“.

Das Ergebnis davon ist der so genannte VW-Zukunftspakt, in dem der Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen als Erfolg gepriesen wird. Bei der Vorstellung des „Pakts“ auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärten Konzernspitze und VW-Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh: „Der Wandel wird radikaler als alles andere, was wir bislang erlebt haben.“

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