Am Freitagabend legten etwa 4.000 Beschäftigte der öffentlichen Schulen in Jersey City die Arbeit nieder. Es ist der erste Streik in den Schulen der Stadt seit 1998. Unterstützung erhielten die Lehrer von Schulpersonal wie Krankenschwestern, Assistenzlehrern, psychologischen Beratungskräften und Verwaltungsangestellten. Jersey City ist der zweitgrößte Schulbezirk im Bundesstaat New Jersey.
Der Streik ist Teil einer wachsenden Widerstandswelle der Arbeiterklasse in den USA und weltweit. Er folgt auf den Lehrerstreik in West Virginia, den die Gewerkschaften Anfang des Monats mit einem faulen Kompromiss beendeten. An den steigenden Gesundheitskosten, gegen die sich die Lehrer in West Virginia wehrten, hat sich nichts geändert. Zudem werden die ausgehandelten mageren Gehaltserhöhungen durch die Kürzung von Sozialprogrammen finanziert.
Dennoch hat der Kampf in West Virginia kurzzeitig die Zwangsjacke der Gewerkschaften gesprengt und Lehrer im ganzen Land inspiriert. In den Staaten Oklahoma, Pennsylvania, Arizona, Kentucky, Tennessee, Colorado und im US-Territorium Puerto Rico planen die Lehrer Streiks oder drohen damit.
Wie bereits in West Virginia geht es in Jersey City hauptsächlich um die steigenden Kosten für die Gesundheitsversorgung. Die Krankenversicherungsbeiträge für öffentlich Beschäftigte in New Jersey sind auf bis zu 35 Prozent der Gehälter gestiegen, seit im Jahr 2011 eine drakonische „Reform“ der Kranken- und Rentenversicherung namens Chapter 78 eingeführt wurde.
Mit Chapter 78 wurden Kürzungen umgesetzt, die nach der Finanzkrise von 2008 den Hauptstädten aller Bundesstaaten verordnet wurden. Dabei spielte es keine Rolle, ob Demokraten oder Republikaner an der Macht waren. In New Jersey wurde die Neuregelung von dem republikanischen Gouverneur Chris Christie und dem von Demokraten dominierten Parlament durchgeführt.
Seither sinken im ganzen Land die ohnehin stagnierenden Reallöhne der Lehrer durch steigende Krankenversicherungsbeiträge, Abzüge und Zuzahlungen. Laut einem Bericht der Nachrichtenwebsite Vox zahlen die Lehrer im Durchschnitt inflationsbereinigt um fast 1.500 Dollar höhere Beiträge als noch vor zehn Jahren.
Der Streik in New Jersey zeigt, dass den Lehrern sowohl die Demokraten als auch die Republikaner als Feinde gegenüberstehen. Der Bürgermeister von Jersey City Steve Fulop gilt als neuer Star der Demokratischen Partei. Während einer Kundgebung vor der Schulbehörde am Freitagnachmittag reagierten die streikenden Lehrer und ihre Unterstützer mit Buhrufen, sobald sein Name erwähnt wurde.
Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen am Donnerstagabend hatte die Schulbehörde von Jersey City Vertretungslehrer als Streikbrecher angefordert und sofort versucht, die Streikenden durch eine einstweilige Verfügung zur Weiterarbeit zu zwingen. Am Freitagnachmittag erging eine entsprechende gerichtliche Verfügung. Der Antrag der Gewerkschaft, die Entscheidung aufzuschieben, wurde abgelehnt. Wenn die Lehrer die Arbeit am Montag nicht wieder aufnehmen, drohen ihnen Geldstrafen oder andere Maßnahmen.
Die Lehrer in Jersey City arbeiten seit Anfang des Schuljahres 2017/2018 ohne Tarifvertrag. Während des Streiks in West Virginia forderten auch sie einen Ausstand. Gleichzeitig versuchten die Gewerkschaften, einen gemeinsamen Kampf der Lehrer in unterschiedlichen Landesteilen zu verhindern. Als am Donnerstagabend die letzten Verhandlungsversuche zwischen der Schulbehörde und dem städtischen Lehrerverband JCEA scheiterten, konnte die JCEA den Streik nicht länger verhindern.
Der Bildungsetat von Jersey City verzeichnet für das nächste Schuljahr ein Defizit von 70 Millionen Dollar – selbst dann, wenn eine geplante zweiprozentige Steuererhöhung in Kraft tritt. Der Schulbezirk wurde von den Haushaltskürzungen auf Bundesstaats- und Bundesebene schwer in Mitleidenschaft gezogen. Im Jahr 2011 demonstrierten Schüler in Jersey City und Newark mit einem Bildungsstreik gegen Kürzungen bei akademischen und außerschulischen Programmen.
Die Schüler wurden zunächst angewiesen, in den Schulgebäuden zu bleiben, dann jedoch um 12:45 Uhr nach Hause geschickt. Viele Eltern und Schüler weigerten sich, die Streikposten zu überqueren. Im ganzen Schulbezirk unterstützten Schüler ihre Lehrer bei Kundgebungen außerhalb der Gebäude. Nur einen Tag zuvor hatten sie gegen Schusswaffen demonstriert.
Isaiah, ein Schüler in Jersey City, erklärte der WSWS, warum er den Streik unterstützt: „Sie streiken für einen besseren Tarifvertrag, bessere Bezahlung. Die Schüler sind der Ansicht, dass die Lehrer mehr verdienen sollten. Sie arbeiten hart, um uns eine gute Ausbildung zu geben.“
Der Achtklässler Isaac erklärte: „Die Schüler sollten versuchen, den Lehrern zu helfen, damit sie mehr Einfluss bekommen. Viele Schüler haben über den Streik gesprochen, z.B. warum einige ihn für schlecht halten, weil wir heute keinen Unterricht hatten. Wir hatten aber Schule. Die Lehrer haben nur keinen Unterricht gehalten, sondern draußen demonstriert.“
In anderen Teilen des Landes sind weitere Streiks und Demonstrationen geplant:
* Lehrer im Schulbezirk South Butler in Pennsylvania außerhalb von Pittsburgh sind am Donnerstag letzter Woche in den Streik getreten, da sich die Tarifverhandlungen seit viereinhalb Jahren hinziehen. Die Lehrer protestieren gegen stagnierende Löhne und steigende Gesundheitskosten. Obwohl sich eine Mehrheit dafür ausgesprochen hatte, hatten die Gewerkschaften Ende Februar einen Lehrerstreik in Pittsburgh verhindert, um einen gemeinsamen Kampf der Lehrer in Pittsburgh und dem nahegelegenen West Virginia zu unterbinden.
* In Nashville (Tennessee) lehnen die Lehrer Etatkürzungen bei wichtigen Programmen ab und fordern eine fünfprozentige Gehaltserhöhung. Dabei werden sie von vielen Eltern unterstützt. Vor kurzem drangen sie in ein Treffen der Schulbehörde ein, um sich über geplante Kürzungen bei Leseförderprogrammen zu beschweren. Außerdem protestierten sie gegen Umverteilungspläne im Rahmen des Programms „Title 1“, unter dem Schulen mit einem besonders hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler Fördergelder erhalten. In Nashville sollen Mittel von 49 Schulen, an denen weniger als 75 Prozent der Schüler als arm gelten, abgezogen und künftig an 87 Schulen verteilt werden, an denen die Armutsquote unter Schülern 75 bis 100 Prozent beträgt.
Vermutlich werden die Lehrer auch in die nächste Sitzung am 22. März eindringen, bei der die Diskussionen über den Etat weitergehen sollen. Ein Grundschullehrer erklärte gegenüber der WSWS, der Streik in West Virginia habe „großen Eindruck auf uns gemacht. Viele Menschen freuten sich darüber, und es könnte jetzt Zeit sein, aktiver zu werden.“
* In Denver (Colorado) legten die Lehrer am Montag und Dienstag die Arbeit nieder, um eine Gehaltserhöhung zu fordern. Rachel Barnes erklärte vor der Presse: „Ich verdiene heute genauso viel wie 2007.“ Kevlyn Walsh, die Fotografie und Grafikdesign unterrichtet und nebenbei als Kellnerin arbeitet, erklärte, sie müsse wieder zu ihren Eltern ziehen, um ihre Studiendarlehen abzubezahlen. Berichten zufolge ist es in Denver nicht unüblich, dass Lehrer zwei oder sogar drei Stellen haben.
Anfang vergangener Woche stimmte der Lehrerverband in Denver für einen Streik, falls die derzeitigen Verhandlungen über den Tarifvertrag scheitern, der eine Bezahlung der Lehrer nach Leistung vorsieht und die Gehälter teilweise von Testergebnissen und Bewertungen abhängig macht. Ende der Woche stimmte die Gewerkschaft jedoch zu, den ergänzenden Tarifvertrag bis Januar nächsten Jahres zu verlängern.
* In Puerto Rico werden die Lehrer am Montag mit einem eintägigen Streik gegen die Privatisierung öffentlicher Schulen nach dem Hurrikan Maria protestieren.
In Oklahoma planen die Lehrer und staatlichen Beschäftigten einen Ausstand am 2. April. In Kentucky protestierten die Lehrer am Freitag erneut in der Hauptstadt Frankfort gegen ein geplantes Gesetz, das die Renten aushöhlen würde. In Arizona planen die Lehrer für den 28. März eine Reihe von Protestveranstaltungen gegen niedrige Bezahlung.
Die wachsende Kampfbereitschaft bringt die Lehrer in direkten Konflikt mit ihren Gewerkschaften, der National Education Association (NEA) und der American Federation of Teachers (AFT), sowie dem ganzen Apparat des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO. Diese arbeiterfeindlichen, korporatistischen Organisationen sind seit vier Jahrzehnten für eine endlose Kette von Verrätereien und Niederlagen verantwortlich und haben alles getan, um den Widerstand gegen wachsende soziale Ungleichheit zu unterdrücken.
Letzten Monat hatte ein Gewerkschaftsanwalt vor dem Obersten Gerichtshof das Grundprinzip der Gewerkschaften offen ausgesprochen: „Die Absicherung der Gewerkschaften ist die Gegenleistung dafür, dass es keine Streiks gibt.“ Gegenstand des Verfahrens war, ob die öffentlichen Arbeitgeber das Recht haben, auch von Nichtgewerkschaftsmitgliedern eine Gebühr für die Gewerkschaftsbeiträge einzuziehen. Der Gewerkschaftsanwalt David Frederick warnte das Gericht: „Ohne die Gewerkschaften drohen dem Land „Arbeitskämpfe von noch nie dagewesenem Ausmaß.“
Angesichts der wachsenden Unruhe unter den Beschäftigten versuchen die Gewerkschaften, die Kämpfe zu isolieren und zu unterdrücken. In West Virginia beendeten die Gewerkschaften den Streik genau in dem Moment, in dem er sich zu einer breiteren Bewegung der ganzen Arbeiterklasse zu entwickeln begann. Dann stellten sie gemeinsam mit der Demokratischen Partei den Ausverkauf als „Sieg“ dar.
Die Lehrer müssen dringend Basiskomitees bilden, um der AFT und der NEA die Kontrolle über diese Kämpfe zu entreißen. Diese beiden Organisationen agieren ausschließlich als Handlanger des kapitalistischen Profitsystems.