Demokraten und Gewerkschaften wollen Lehrerstreik in West Virginia abwürgen

Der mächtige Streik von mehr als 30.000 Lehrern und Schulbeschäftigten in West Virginia dauert nun schon mehr als eine Woche an. Die Gewerkschaften und die Demokraten versuchen mit aller Macht, den Arbeitskampf zu beenden und die Lehrer am Montag mit einem Tarifvertrag, den die Mitgliederbasis bereits abgelehnt hat, an die Arbeit zurückzuschicken.

Am Dienstag letzter Woche gaben die Gewerkschaften bekannt, sie hätten mit dem milliardenschweren Gouverneur des Bundesstaats Jim Justice eine Tarifeinigung erzielt. Die Streikenden wurden aufgefordert, am Donnerstagmorgen die Arbeit wieder aufzunehmen. (Die beteiligten Gewerkschaften sind die West Virginia Education Association (WVEA), die American Federation of Teachers-West Virginia (AFT-WV) und die West Virginia School Service Personnel Association (WVSSPA)).

Die Tarifeinigung sah eine einmalige und nicht garantierte fünfprozentige Gehaltserhöhung vor, außerdem versprach der Gouverneur die Einrichtung einer weiteren Taskforce für die Krankenversicherung des öffentlichen Dienstes, die Public Employee Insurance Agency (PEIA). Diese ist seit langem unterfinanziert, sodass Lehrer und andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst eine unzumutbar hohe Eigenbeteiligung für Gesundheitskosten zahlen müssen.

Der Deal wurde von den Beschäftigten abgelehnt. Am Freitag gingen Tausende von Schülern und Studenten in Charleston, der Hauptstadt von West Virginia, zur Unterstützung der Lehrer auf die Straße. Die Kundgebung war über die sozialen Netzwerke unabhängig von den Gewerkschaften und Demokraten organisiert worden. Die Forderung eines Sprechers der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), die ganze Arbeiterklasse zur Unterstützung der Lehrer zu mobilisieren und für den Fall einer einstweiligen Verfügung gegen den Streik einen Generalstreik zu organisieren, wurde begeistert aufgenommen.

WSWS-Reporter Zac Corrigan spricht zur Demonstration von Schülern und Studenten in West Virginia

Die Schüler schlossen sich den etwa 1.000 Lehrern und Schulbeschäftigten an, die ihren Protest innerhalb des Regierungssitzes fortsetzten. Das Abgeordnetenhaus, das von den Republikanern kontrolliert wird, billigte am Mittwoch die Gehaltserhöhung um 5 % mit einer Mehrheit von 98 zu 1 Stimmen, um dem Streik ein Ende zu machen. Der Präsident des Senats, Mitch Carmichael, blockierte jedoch eine Abstimmung im Senat mit dem Argument, er lasse sich nicht von „Protestierern“ „in die Ecke drängen“.

Zeitgleich mit den Schülerprotesten wuchs auch unter staatlichen Beschäftigten außerhalb des Bildungswesens die Streikbereitschaft. Für sie sähe der Vorschlag, den die Gewerkschaften akzeptiert haben, eine noch erbärmlichere Gehaltserhöhung von nur 3 % vor. Einer von ihnen erklärte gegenüber der WSWS, die „überwiegende Ansicht ist, dass wir die Lehrer unterstützen und alle demonstrieren sollten“.

Am Freitagabend versuchten die Gewerkschaften und die Vertreter der Demokratischen Partei, die Situation zu entschärfen. Der Forderung nach einer Besetzung des Kapitols (Regierungssitzes) setzten sie den Vorschlag einer Veranstaltung während der Senatssitzung am Sonntag entgegen.

Senatspräsident Carmichael weiß genau, dass er sich auf die Gewerkschaften verlassen kann. Vielleicht will er sogar eine Konfrontation provozieren, um mit einstweiligen Verfügungen, womöglich Massenentlassungen oder sogar Verhaftungen gegen die Streikenden vorgehen zu können. Das Ziel wäre, die Streikenden einzuschüchtern und ein Exempel an ihnen zu statuieren, wie es Reagan 1981 mit der Entlassung von 13.000 streikenden Fluglotsen vorgemacht hat.

Der Gouverneur, die Demokraten und die Gewerkschaften befürchten, dass eine solche Konfrontation zu einer sozialen Explosion führen könnte und dass jeder Versuch, den Streik zu brechen, massiven Widerstand und Solidaritätsaktionen zur Verteidigung der bedrängten Lehrer auslösen könnte.

Die Charleston Gazette-Mail zitierte Gouverneur Justice mit den Worten: „Wenn sie es [am Sonntag] nicht schaffen, geraten wir ins Niemandsland. Ehrlich gesagt, muss es morgen klappen.“ Letzte Woche hatte er bereits erklärt: „Ich will wirklich nicht auf DEFCON 15 gehen“. DEFCON 15 ist ein militärischer Ausdruck und bezeichnet die höchste Alarmbereitschaft der Armee.

Am Freitagabend klagte die Gewerkschaft WVEA, Carmichael habe die Lehrer, Eltern und Bürger „aufgebracht“ und „Wut und Abscheu“ hervorgerufen. Damit habe er „eine bereits brisante Lage weiter verschärft“. Am Ende der Erklärung richtete die WVEA einen kriecherischen Appell an den Senator, sich „zusammenzureißen und Führung zu geben“.

Die Gewerkschaftsfunktionäre, die Demokraten und ein beträchtlicher Teil der Republikaner in West Virginia hoffen, eine kleine Gehaltserhöhung um das leere Versprechen, die Krankenversicherung PEIA irgendwann zu verbessern, werde genug Lehrer und Schulbeschäftigte dazu bringen, ihren Kampf zu beenden.

Die regionalen und überregionalen Medien versuchen, die schwindende Autorität der WVEA und der AFT-WV bei den rebellischen Lehrer wieder zu festigen. Die Republikaner-nahe Charleston Daily Mail schrieb am Donnerstag in ihrem Leitartikel: „Nun einige Worte an streikende Lehrer und Beschäftigte, die man in einer Kolumne der Daily Mail nicht oft lesen wird: Hören Sie auf Ihre Gewerkschaftsführer und kehren Sie an die Arbeit zurück.“

Die Gewerkschaftsführer, hob die Daily Mail lobend hervor, wüssten, dass eine „dauerhafte Lösung eines so komplexen Problems wie die PEIA nicht an einem Tag zu machen ist“, und verstünden, „was die Psychologie der streikenden Masse nicht versteht: dass ein andauernder wilder Streik den Lehrern, Schülern und dem öffentlichen Bildungswesen in West Virginia langfristigen und unabsehbaren Schaden zufügen könnte“.

Auch die New York Times, die den Streik tagelang geflissentlich ignoriert und nach der Unterzeichnung des Tarifabkommens für beendet erklärt hatte, lobte die Funktionäre von WVEA und AFT-WV. In einem Artikel mit dem Titel „Lehrer in West Virginia erteilen eine Lektion in Sachen Gewerkschaftsmacht“ stellte die Times die Gewerkschaften als Führer des Streiks dar, obwohl er gegen ihren Widerstand ausgebrochen war.

Die Times zitiert aus einer laufenden Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshofs in der Rechtssache „Janus gegen AFSCME“. Die AFSCME ist die größte Gewerkschaft des öffentlichen Diensts in den USA, und ein Beschäftigter namens Janus hat dagegen geklagt, dass in mehreren Bundesländern auch Nicht-Gewerkschaftsmitglieder gesetzlich verpflichtet sind, den Gewerkschaftsbeitrag abzuführen. Die Times behauptete, mit dem Streik in West Virginia hätten sich „die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst als letzte Bastion der Arbeitermacht erwiesen“.

Die Zeitung verschwieg allerdings, dass der Anwalt der AFSCME,-David Frederick, vor Gericht ausgeführt hat, dass die „Absicherung der Gewerkschaften die Gegenleistung dafür ist, dass es keine Streiks gibt“. Die wahre Aufgabe der Gewerkschaften in West Virginia und im ganzen Land besteht nicht darin, Kämpfe der Arbeiter anzuführen, sondern darin, sie zu unterdrücken.

Der Streik in West Virginia befindet sich am Scheideweg. Was auch immer aus der Debatte zwischen Demokraten, Republikanern und Gewerkschaftsfunktionären hervorgeht, das Ergebnis wird keine der Forderungen der Lehrer befriedigen. Die politischen Vertreter der herrschenden Klasse lassen den Lehrern nur die Wahl, eine bereits abgelehnte Tarifeinigung anzunehmen oder sich auf einstweilige Verfügungen, Geldstrafen und möglicherweise Verhaftungen einzustellen.

Die Lehrer und Schulbeschäftigten haben durch ihr Handeln bereits einen ganz anderen Kurs aufgezeigt. Mit der Ablehnung des Abschlusses, den Gewerkschaften und Gouverneur ausgehandelt haben, und der Fortsetzung des Streiks stehen sie für die Interessen der gesamten Arbeiterklasse ein.

Dieser Kampf muss ausgeweitet werden, um die Verschwörung der Politiker des Großkapitals zu besiegen. Dies erfordert den Aufbau von Streikkomitees an der Basis, die unabhängig von den Gewerkschaften an alle Teile der Arbeiterklasse appellieren: an Bergarbeiter, öffentlich Beschäftigte, Arbeiter der Energiekonzerne, der Krankenhäuser und Fabriken, an die Jugendlichen und an alle anderen. Sie müssen die volle Stärke der Arbeiterklasse zur Unterstützung der streikenden Schulbeschäftigten mobilisieren.

Sie sollten Massenveranstaltungen und Demonstrationen abhalten und über die Vorbereitung auf einen Generalstreik diskutieren, um die Lehrer gegen einstweilige Verfügungen und drohende Geld- und Haftstrafen zu verteidigen. Sie müssen an Lehrer in Pennsylvania, New Jersey, Oklahoma, Arizona und anderen Staaten appellieren, die ebenfalls für die Verteidigung des Rechts auf ein hochwertiges öffentliches Bildungswesen kämpfen. Dieser Kampf muss die Grundlage für eine industrielle und politische Gegenoffensive gegen Kürzungspolitik und soziale Ungleichheit schaffen.

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