Am Freitag drohten führende europäische Politiker mit handelspolitischen Vergeltungsmaßnahmen für die von US-Präsident Trump angekündigten Einfuhrzölle von 25 % auf Stahl und 10 % auf Aluminium. Trump machte daraufhin in einer Reihe von Tweets deutlich, dass er nicht von seiner Entscheidung abrücken wird, auch wenn sie einen Handelskrieg auslösen könnte.
Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström erklärte in der Financial Times, die EU habe kaum eine andere Wahl, als die amerikanischen Einfuhrzölle in der Welthandelsorganisation (WTO) anzufechten und ihrerseits Zölle und andere Vergeltungsmaßnahmen einzuführen. Sie warnte zudem vor einem Handelskrieg: „Wir riskieren einen gefährlichen Dominoeffekt.“
Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker deutete in der deutschen Presse an, dass u.a. Steuern auf amerikanische Produkte wie Harley-Davidson-Motorräder, Bourbon Whiskey und Blue Jeans geplant sind, falls die USA die geplanten Zölle auf Stahl und Aluminium tatsächlich umsetzen. Diese Auswahl richtet sich gegen die Heimatstaaten von führenden Politikern der Republikanischen Partei.
Als Seitenhieb gegen Trump und seine Regierung fügte Juncker hinzu: „Das ist alles nicht vernünftig, aber Vernunft ist ja ein Gefühl, das sehr unterschiedlich verteilt ist in der Welt.“ Er erklärte außerdem, die europäischen Vergeltungsmaßnahmen stünden im Einklang mit den Regeln der WTO.
Trumps Ankündigung löste weltweit Kritik und Warnungen aus, auch von Verbündeten der USA, die am stärksten betroffen sein werden, wenn die Zölle nächste Woche eingeführt werden. Die Rhetorik der Trump-Regierung richtete sich zwar gegen Russland und China, aber Russland ist nur der fünftgrößte Lieferant von Stahlimporten in die USA, und China nur der elftgrößte.
In Deutschland sprach sich Regierungssprecher Steffen Seibert gegen die Zölle aus und warnte, sie könnten einen globalen Handelskrieg auslösen, der in niemandes Interesse sei. Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl Hans Jürgen Kerkhoff erklärte, die Maßnahmen verstießen gegen die Regeln der WTO, und rief die EU zum Handeln auf.
Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire erklärte, die amerikanischen Zölle würden schwerwiegende Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft und mehrere französische Unternehmen haben, u.a. aus der Stahl- und Aluminiumbranche, die sich in einer „besonders empfindlichen Lage“ befänden. Er warnte, in einem Handelskrieg zwischen Europa und den USA werde es „nur Verlierer“ geben.
Amerikas Verbündete bezeichneten es als Heuchelei, dass die Trump-Regierung Gesetze zur nationalen Sicherheit im Handelsrecht benutzt, um die Zölle durchzusetzen.
Die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland erklärte: „Es ist absolut unangemessen, Handel mit Kanada als Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA zu werten.“ Premierminister Justin Trudeau bezeichnete Zölle auf Stahl und Aluminium als „absolut inakzeptabel“.
Kanada ist der wichtigste Stahllieferant der USA, auf das Land entfallen etwa 17 % der amerikanischen Stahlimporte. Freeland warnte: „Kanada wird Maßnahmen zum Schutz seiner Handelsinteressen und seiner Arbeiter ergreifen.“
Der japanische Handelsminister Hiroshige Seko äußerte sich ähnlich. Er erklärte, er sehe „absolut keine Folgen für die amerikanische Sicherheit“ durch den Import von japanischem Stahl und Aluminium. Die Aktien japanischer, südkoreanischer und europäischer Stahl- und Aluminiumkonzerne verzeichneten am Freitag starke Kursverluste.
Trump reagierte auf die internationale Kritik jedoch mit einem aggressiven Tweet: „Wenn ein Land (die USA) viele Milliarden Dollar beim Handel mit fast allen Ländern verliert, mit denen es Geschäfte macht, sind Handelskriege gut und leicht zu gewinnen.“
Weiter schrieb er: „Beispiel: Wenn wir mit einem bestimmten Land 100 Milliarden Dollar hinten liegen und sie uns unverschämt kommen, dann treiben wir keinen Handel mehr – und gewinnen haushoch. So einfach ist das!“
Wenige Stunden später wiederholte er sein protektionistisches Credo: „Wir müssen unser Land und unsere Arbeiter schützen. Unserer Stahlindustrie geht es nicht gut. WER KEINEN STAHL HAT, HAT KEIN LAND!“
In Wirklichkeit könnte es zu einer Abwärtsspirale kommen, die in einen offenen Handelskrieg mündet, der die Weltkonjunktur schwer schädigt und die geopolitischen Spannungen, die die Welt bereits heute an den Rand eines Kriegs getrieben haben, weiter verschärft.
In den USA warnen Wirtschaftsverbände und Ökonomen, höhere Stahl- und Aluminiumpreise in den USA könnten die internationale Wettbewerbsfähigkeit von wichtigen Industriezweigen wie der Auto-, Luftfahrt- und Haushaltsgerätebranche beeinträchtigen. Diese Unternehmen waren am stärksten von den Kursverlusten und -schwankungen an der Wall Street betroffen, die die Angst vor einem Handelskonflikt ausgelöst hat.
Der oberste Investmentstratege von State Street Global Advisers, Michael Arone, erklärte in der Financial Times, die Autokonzerne müssen mit Kostensteigerungen für wichtige Komponenten rechnen, und erklärte: „Sie werden sich entscheiden müssen, ob sie die Kosten auf die Verbraucher abwälzen oder Gewinneinbußen hinnehmen.“
Trumps Ankündigung hat die Streitigkeiten in Amerikas herrschenden Kreisen und auch die schwere politische Krise innerhalb seiner eigenen Regierung verschärft. Überzeugte Protektionisten wie Handelsminister Wilbur Ross haben die geplanten Zölle erbittert verteidigt und die potenziellen Folgen kleingeredet.
In einem Interview mit Bloomberg TV unterstützte Ross die Entscheidung, Zölle pauschal gegen alle Länder und nicht nur gegen bestimmte Exporteure zu verhängen. Damit die Handelsbeschränkungen nicht durch einen Umweg über Drittländer umgangen werden könnten, erklärte er, „müssen wir ein globales Problem im globalen Maßstab angehen“.
Auf CNBC erklärte Ross, die Trump-Regierung werde „sich wehren“, und fügte hinzu: „In jedem Krieg gibt es ein paar Opfer. Das liegt in der Natur der Bestie.“ Er wies die Bedenken der Industrie mit der Bemerkung zurück, eine Campbell’s-Dosensuppe würde wegen höherer Stahlpreise nur geringfügig teurer werden.
Doch laut dem Magazin Politico denkt Trumps wichtigster Wirtschaftsberater Gary Cohn an Rücktritt. Der ehemalige Goldman Sachs-Vorstand und Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats vertritt im Weißen Haus die Interessen des Finanzkapitals und lehnt Protektionismus ab.
Politico schreibt: „Mit der Entscheidung zugunsten von Zöllen endeten am Donnerstag wochenlange Verhandlungen und oft erbitterte Debatten, die ein Berater des Weißen Hauses als ‚absolutes Chaos‘ bezeichnet hatte. Es soll dabei zu lautstarkem Streit zwischen Cohn und dem Handelsberater Peter Navarro gekommen sein, einem führenden Befürworter von Zöllen.“
Weiter hieß es in dem Artikel: „die meisten Mitglieder von Trumps nationalem Sicherheitsteam, u.a. der nationale Sicherheitsberater H.R. McMaster, Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister Jim Mattis“ teilten Cohns ablehnende Haltung. Sie befürchten, mit den Zöllen wichtige Verbündete in Asien und Europa genau zu dem Zeitpunkt zu vergraulen, zu dem Washington seine Militäroperationen in Syrien verschärft und sich auf einen baldigen Krieg gegen Nordkorea vorbereitet.
In den Bestrebungen der USA, ihre Hauptrivalen zu schwächen und ihre eigene weltweite Hegemonialstellung zu fördern, sind Handelskrieg und Krieg eng miteinander verbunden. Es ist kein Zufall, dass Befürworter des Handelskriegs wie Ross und Navarro vor allem China als ihren Feind betrachten. Washington betrachtet China als wichtigstes Hindernis auf dem Weg zur Weltherrschaft.