Der Berliner Senat hat am Dienstag ein neues Sicherheitskonzept für die Hauptstadt beraten. Die rot-rot-grüne Koalition aus SPD, Linkspartei und Grünen plant darin eine Verschärfung der Polizeiaufrüstung und der Strafverfolgung angeblicher „Gefährder“.
Laut einem Bericht der Berliner Morgenpost sieht das Konzept vor, „den polizeilichen Staatschutz im Bereich Islamismus neu zu organisieren und personell aufzustocken“. Damit ist das Fachdezernat für religiöse Ideologie (Islamismus) gemeint, das zu der Abteilung „Polizeilicher Staatsschutz“ im Landeskriminalamt (LKA) gehört. Geplant sei auch eine neue Einheit des Verfassungsschutzes, die sich auf den „islamistischen Terrorismus“ konzentriert. Die zusätzlichen finanziellen Mittel sollen aus dem Haushaltsüberschuss in Höhe von 2,16 Milliarden bereitgestellt werden.
Das interne Sicherheitspapier mit dem Titel „Sicher leben in Berlin“, das Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Justizsenator Dirk Berehndt (Grüne) zur Klausurtagung vorgelegt haben sollen, war eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, wie Martin Pallgen, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, auf Nachfrage der World Socialist Web Site erklärte. Pallgen bestätigte aber, dass rund 100 Millionen Euro aus dem Haushaltsüberschuss in die innere Sicherheit fließen sollen. Im Doppelhaushalt 2018/2019 seien 802 neue Stellen für die Polizei vorgesehen, davon 150 beim LKA, so Pallgen. Außerdem werden allein im ersten Quartal 1100 Beamte befördert.
Den Angaben der Morgenpost zufolge erhält die Polizei für 500.000 Euro fünf „mobile Wachen“, die ab Sommer ihre Arbeit aufnehmen sollen. Zudem bekommt jede Berliner Polizeidirektion eine eigene Wache; in Mitte hat man mit der „Alex-Wache“ schon eine eingerichtet. Der gepanzerte Polizeicontainer auf dem Alexanderplatz, dessen Bau rund eine Million Euro kostete, wurde Mitte Dezember letzten Jahres eröffnet.
Rot-Rot-Grün treibt damit die reaktionäre Law-and-Order-Politik der Vorgängerregierung weiter voran. Bereits 2012 hatte der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) am Alex die erste mobile Wache aufgestellt, die dort mit einem flexiblen Einsatzwagen ständig präsent ist. Die Standorte der neuen mobilen Wachen soll die Polizei bestimmen. Die erste könnte in Spandau entstehen.
Ein weiteres Ziel des Sicherheitskonzepts ist es, härter gegen sogenannte „ausländische Gefährder“ vorzugehen und sie schneller in Abschiebehaft zu bringen. Zu dem Zweck werde eine ehemalige Jugendarrestanstalt im Südberliner Ortsteil Lichtenrade in ein Abschiebegefängnis verwandelt. Straftaten, die unter die Rubrik des islamistischen Terrorismus fallen, sollen dann ausschließlich vom entsprechenden Fachdezernat des LKA und der Generalstaatsanwaltschaft Berlin bearbeitet werden.
Gleichzeitig will man die Law-and-Order-Strukturen stärker auf lokaler Ebene verankert. Dazu dient das Modell „Staatsanwalt vor Ort“, das als Pilotprojekt in Neukölln bereits im Oktober 2017 unter der Ägide der SPD gestartet wurde und jetzt auf andere Bezirke ausgeweitet werden soll. Mit der Begründung, man wolle gegen organisierte Kriminalität durchgreifen, hatte die SPD-Bürgermeisterin Neuköllns, Franziska Giffey, ein Büro im Amtsgericht einrichten lassen, von wo aus drei Staatsanwälte direkt mit anderen Behörden wie Schulamt, Jugendamt, Jobcenter oder Ordnungsamt kooperieren, um effektiver zu ermitteln. Im Visier stehen vor allem Neuköllner Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Das neue Sicherheitspapier ist Bestandteil einer ganzen Reihe von Maßnahmen zum Aufbau eines regelrechten Polizeistaats in Berlin. Die rot-rot-grüne Regierung nutzte schon die Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl 2016, um eine massive Aufrüstung der Polizei vorzubereiten. Kurz vor der Wahl hatte Berlin bereits die Bewaffnung der Polizei mit potentiell todbringenden Elektroschockern, sogenannten Tasern, angekündigt. Der umstrittene dreijährige Testlauf der Taser begann im Februar 2017 unter Rot-Rot-Grün. Die Elektroschockwaffen wurden bislang schon zweimal eingesetzt und mehrmals zur Drohung benutzt.
Innensenator Geisel präsentierte dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses dann Mitte Januar eine lange Anschaffungsliste für die Polizeibeamten: 10.000 neue Dienstpistolen, bessere Schutzhelme, Tablets für Einsatzwagen, moderne Funkausrüstung, Sturmgewehre und ein gepanzertes Fahrzeug. 33 Millionen Euro sollen laut rbb24 in die Ausstattung investiert werden. Zusätzlich seien fünf neue Trainingszentren mit modernen Schießständen geplant, deren Bau nochmal 125 Millionen Euro verschlingen würde.
Auch das Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz, das seit Mitte 2017 läuft und Ende Januar beendet werden sollte, wird verlängert. Die Einführung von Überwachungskameras, die in einem automatisierten Verfahren alle Gesichter der Passanten scannen und erkennen, ist ein krasser Angriff auf grundlegende demokratische Rechte. Unter dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung wird damit die staatliche Überwachung und Ausspähung der Bevölkerung ausgedehnt. Trotz heftiger Kritik hatte Bundesinnenminister Thomas De Maizière (CDU) Mitte Dezember eine positive Bilanz gezogen und den Testlauf um weitere sechs Monate verlängert. Danach könnte die Gesichtserkennung auf andere Orte ausgeweitet werden.
Gleichzeitig ist ein großer personeller und struktureller Ausbau der Spezialeinheit der Bundespolizei GSG9 geplant. Die Anti-Terror-Truppe soll nicht nur ein Drittel mehr Personal bekommen, sondern auch einen zweiten Standort in Berlin, vermutlich Spandau. Bisher hatte die 1972 gegründete GSG9 ihren Sitz nur in St. Augustin in der Nähe der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. Sie rückt etwa 50 mal im Jahr zu Einsätzen aus und wird seit Dezember 2015 auch von der martialisch ausgerüsteten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus (BFE+) unterstützt.
Der Kommandeur der GSG9, Jérome Fuchs, begründete die Ausweitung nach Berlin mit einer erhöhten Terrorgefahr in Hauptstädten. Man müsse sich deshalb „besser aufstellen“, so Fuchs. „Die Zielrichtung ist klar: schnellere Reaktionen in der Hauptstadt.“
Es ist das altbekannte Muster: Die herrschende Klasse nutzt die Lüge vom „Kampf gegen den Terror“ und Schutz vor „ausländischen Gefährdern“, um nach innen und nach außen massiv aufzurüsten. In Wirklichkeit bereitet sie sich auf die Unterdrückung kommender Klassenkämpfe vor. Die gegenwärtigen Streiks in der Metallindustrie und die wachsende Wut unter Arbeitern und Jugendlichen gegen das gesamte politische Establishment sind Vorboten noch viel größerer Erschütterungen.
Gerade in Berlin, wo mit der SPD und der Linkspartei die beiden Parteien in der Regierung sitzen, die in jahrzehntelanger Sparpolitik eine soziale Verwüstung angerichtet haben, fürchtet man den Widerstand der Arbeiterklasse. Ihre Antwort auf die verheerende soziale Ungleichheit ist mehr Polizei, mehr Überwachung, mehr Repression.