Seit Anfang des Jahres haben 960.000 Metaller durch befristete Warnstreiks im gesamten Bundesgebiet ihre Bereitschaft bewiesen, die Forderung nach mehr Lohn und kürzerer Arbeitszeit in vollem Umfang durchzusetzen. Auf diese Kampfbereitschaft reagiert die IG Metall mit dem Versuch, den Arbeitskampf so schnell wie möglich zu beenden.
Die Gewerkschaft hatte immer wieder versprochen, bei harter Haltung der Arbeitgeber die Streikbewegung auszuweiten und von kurzen Warnstreiks, die keinen Produktionsausfall zur Folge haben, zu 24-stündigen Streiks oder sogar flächendeckender Erzwingungsstreiks überzugehen.
Am späten Mittwochabend brach der Chef des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, Stefan Wolf, die vierte Verhandlungsrunde in Baden-Württemberg ab, die als richtungsweisend für alle Bezirke galt. Wolf erklärte mit unverhohlener Arroganz: „Leider hat die IG Metall Bedingungen formuliert, die für unsere Betriebe nicht zumutbar sind.“ Zwar habe die Gewerkschaft offensichtlich den Willen zum Abschluss gehabt, aber: „Für uns war das Preisschild zu hoch, also haben wir entschieden, dass die Fortführung der Gespräche nicht zielführend ist.“
Die IG Metall reagierte kleinlaut. IGM-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger warf den Arbeitgebern vor, in vielen Fällen eine Rolle rückwärts gemacht zu haben. „Wir haben zu allen strittigen Punkten Kompromissangebote vorgelegt und haben alles getan, um nicht in die Phase der Eskalation zu kommen.“ In den entscheidenden Arbeitszeitfragen hätten die Arbeitgeber jedoch alle bisherigen relevanten Teilergebnisse zurückgenommen.
Über den Verlauf der Verhandlungen und den Umfang ihrer Kompromissangebote machte die IG Metall keine Angaben.
Am Donnerstag tagten die IGM-Führungsgremien hinter verschlossenen Türen. Die Gewerkschaft hatte Stillschweigen verordnet. „Die Stimmungsbilder aus den Tarifkommissionen sollen bis dahin nicht öffentlich werden“, berichtete das Handelsblatt.
Am Freitagmittag entschied dann der IG Metall-Vorstand in Frankfurt, die Tarifverhandlung noch am Abend weiterzuführen, um „die entscheidenden Fragen zu Arbeitszeit und Entgelt am Verhandlungstisch zu klären und dies auf Basis der vorliegenden Lösungsmodelle“. Bis zum Samstagmittag, so IGM-Chef Jörg Hofmann, müsse ein Kompromiss erzielt werden.
Nach Ansicht der Stuttgarter Nachrichten, die die Verhandlungen im Pilotbezirk ortsnah verfolgen, handelt es sich dabei um ein abgekartetes Spiel zwischen Gewerkschaft und Unternehmerverband.
„Allein die Tatsache, dass mit dem Kongresszentrum Liederhalle – wo noch nie Tarifverhandlungen stattgefunden haben – ein prominenter Veranstaltungsort lange Zeit im Voraus vorsorglich reserviert worden war, deutet auf eine große Inszenierung hin. Zumal für die Delegationen noch Räume in nahen Hotels bereitgestellt wurden“, hieß es Freitagabend in der Online-Ausgabe. „Daraus folgt, dass die IG Metall und letztendlich auch Südwestmetall dieses Szenario mit einem Abbruch in Böblingen, dem Vorstandsbeschluss in Frankfurt und einem neuen Anlauf in Stuttgart seit einiger Zeit im Kalkül haben.“
Im Zentrum des Konflikts steht die Forderung der Gewerkschaft, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit für die Dauer von bis zu zwei Jahren auf 28 Wochenstunden reduzieren können. Bestimmte Gruppen, wie Schichtarbeiter oder Eltern junger Kinder, sollen dabei einen Ausgleich von monatlich 200 Euro für entgangenen Lohn erhalten, was die Arbeitgeber strikt ablehnen. Sie wollen einer mögliche Arbeitszeitverkürzung nur ohne Lohnausgleich zustimmen und verlangen, dass selbst eine geringfügige Verkürzung der Arbeitszeit dadurch kompensiert wird, dass andere Beschäftigte länger arbeiten können.
Die Weigerung der Gewerkschaft, auf die harte Haltung der Unternehmer mit einer Ausweitung und Intensivierung der Streiks zu reagieren, ist der erste Schritt zur Kapitulation. Denn die Rückkehr an den Verhandlungstisch bedeutet, dass die Gewerkschaft zu weiteren Zugeständnissen bereit ist.
Ein Blick auf die Fakten macht das deutlich.
Bereits die ursprünglichen Forderungen der Gewerkschaft waren sehr gemäßigt. Neben der Arbeitszeitverkürzung verlangte sie eine 6-prozentige Lohnerhöhung.
In den östlichen Bezirken, wo die Wochenarbeitszeit immer noch 38 Stunden beträgt, weil die IG Metall 2003 einen Streik für die Gleichstellung mit dem Westen ausverkauft hat, fordern die Belegschaften die die Einführung der 35-Stundenwoche. Auf das Jahr gerechnet bedeutet der Unterschied einen Monat unbezahlte Mehrarbeit, wobei das Lohnniveau immer noch unter dem Durchschnitt im Westen liegt. Doch diese Forderung ist in den Verhandlungen in Böblingen gar nicht zur Sprache gebracht worden.
Ebensowenig wurde über die 6-prozentige Lohnerhöhung gesprochen. Beide Verhandlungspartner gehen davon aus, dass die allgemeine Lohnerhöhung die Kosten für die Sondervergütung einberechnen muss, also entsprechend reduziert wird. Durch eine längere Laufzeit könnte die Erhöhung dann weiter verwässert werden, so dass von den sechs Prozent wenig übrig bleibt.
Der Arbeitgeberverband Südwestmetall lehnt eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit ab, wenn nicht gleichzeitig auch die 35-Stunden-Woche nach oben hin geöffnet wird. Diskutiert wird von verschiedenen Unternehmen über eine Wochenarbeitszeit von 40 oder 42 Stunden, um das „Gesamtvolumen der Arbeitszeit“ zu erhalten. Dies würde die 35-Stundenwoche weiter aufweichen.
Schon heute dürfen bis zu 18 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb 40 Stunden arbeiten. In Unternehmen, wo es eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Vorstand zur Begrenzung von Leiharbeit gibt, können die Betriebe sogar 30 Prozent der Belegschaft länger arbeiten lassen.
Der IG Metall-Vorstand hat den Tarifkampf bisher auf eine Nadelstichtaktik beschränkt, auf kurze Warnstreiks zum Schichtwechsel, die die Produktion nicht beeinträchtigen. Parallel dazu hat in Baden-Württemberg eine Expertenkommission, die paritätisch aus Vertretern der Gewerkschaft und Südwestmetall besetzt ist, seit Anfang Januar Lösungsvorschläge ausgearbeitet, die zu einem Kompromiss führen sollen. Einzelheiten dazu werden bisher völlig geheim gehalten.
Bei zahlreichen Warnstreiks berichteten Arbeiter der WSWS, dass eigentlich ein Generalstreik oder zumindest ein Flächenstreik nötig wäre, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Einige forderten eine europäische Streikbewegung, um den internationalen Konzernen Paroli zu bieten. Leiharbeiter legten Wert auf die Sicherung ihrer Arbeitsplätze und den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten bei gleicher Arbeit. Doch die Gewerkschaft sabotiert diese Kampfbereitschaft.
Das hängt direkt mit ihrer Unterstützung für eine erneute Großen Koalition zusammen. Gewerkschaft und SPD setzen alles daran, die wachsende Radikalisierung in den Betrieben unter Kontrolle zu halten. Obwohl die Konzerne transnational organisiert sind, wird der Arbeitskampf auf regional begrenzte Ministreiks reduziert.
Die Sozialistische Gleichheitspartei ruft die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie auf, einen drohenden Ausverkauf zu verhindern. Das erfordert, dass sie sich unabhängig von der Gewerkschaft in Aktionskomitees zusammenschließen und Kontakt zu anderen Betrieben aufnehmen, um einen gemeinsamen Kampf zu organisieren. Sie müssen eine internationale Strategie für den Klassenkampf entwickeln, um ihre Interessen zu verteidigen. Die Aktionskomitees müssen Verbindung zu den Arbeitern in ganz Deutschland, Europa und weltweit aufnehmen, um sich gegenseitig zu unterstützen.
Die Sozialistische Gleichheitspartei ist bereit, jede ernsthafte Initiative zur Ausweitung und internationalen Entwicklung der Streiks zu unterstützen.