IG Metall sucht schnelles Ende der Tarifverhandlungen

Während zum Wochenbeginn die Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie erneut ausgeweitet wurden und tausende Arbeiter sich daran beteiligen, bemüht sich die IG Metall intensiv um eine möglichst schnelle Einigung in diesem Tarifkampf. Sie will unter keinen Umständen, dass sich die Situation weiter verschärft und die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung unter dem Druck streikender Metallarbeiter stattfinden.

Warnstreik bei Bombardier Hennigsdorf

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass mit einem „Verhandlungsmarathon“ am Mittwoch die IG Metall und der Arbeitgeberverband Südwestmetall den Tarifstreit in der Elektro- und Metallindustrie beenden wollen.

Mehr als 620.000 Beschäftigte haben sich seit Beginn des Jahres an kurzen Warnstreiks beteiligt, um der Forderung der IG Metall nach einer sechsprozentigen Lohnerhöhung und der Einführung einer befristeten Reduzierung der Wochenarbeitszeit Nachdruck zu verleihen.

Am Montag folgten wiederum mehr als 20.000 Arbeiter aus zahlreichen Betrieben dem Aufruf der IG Metall. Betroffen waren große Konzerne wie Siemens, Daimler und BMW, aber auch Procter & Gamble, Hilite und Warema in Marktheidenfeld, Düker in Laufach, automotive und WA production in Waldaschaff (Landkreis Aschaffenburg), Schaeffler und andere Betriebe in Wuppertal, Bosch in Bamberg, das Motorenwerk Chemnitz, das Daimler-Motorenwerk MDC Power in Kölleda/Thüringen, Bombardier Transportation in Hennigsdorf und viele andere.

Wie in früheren Arbeitskämpfen werden die Tarifverhandlungen in Baden-Württemberg als richtungsweisend für das gesamte Bundesgebiet angesehen. Dort soll am Mittwoch ein Durchbruch am Verhandlungstisch in Böblingen erreicht werden. In diesem Tarifgebiet ist seit „Mitte Januar als einziges eine Expertengruppe mit Vertretern beider Seiten eingesetzt, die seither fast täglich um Kompromisse ringt“, schreibt Reuters.

Einzelheiten wurden bisher nicht bekannt gegeben. Stattdessen wiederholen die IGM-Redner auf den Kundgebungen ihre bekannten Parolen und wettern gegen die Uneinsichtigkeit des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Stefanie Jahn, Erste Bevollmächtigte der IG Metall-Geschäftsstellen in Oranienburg und Potsdam, kritisierte, dass die Arbeitgeber „bislang mit keiner Silbe auf die Forderung nach Angleichung der Arbeitszeiten zwischen Ost und West reagiert haben“. Wie laut, fragte sie, „müssen wir das denn noch kundtun?“ Überhaupt ließe die „Kreativität der Arbeitgeber in den ersten drei Verhandlungen“ bis jetzt sehr zu wünschen übrig.

Anne Borchelt, die „Politische Sekretärin“ der IG Metall für dieselben Geschäftsstellen, schimpfte am Montag vor den streikenden Arbeitern von Bombardier Transportation in Hennigsdorf, dass die Arbeitgeber in Tarifgesprächen am vergangenen Freitag nur „eine Dose Bier“ angeboten hätten. Dagegen sei man in Baden-Württemberg „mit Hochdruck“ einer Lösung schon näher gekommen.

Viele Arbeiter befürchten, dass die von der Gewerkschaft geforderte freiwillige und auf zwei Jahre befriste Arbeitszeitverkürzung von 35 auf 28 Wochenstunden von der Unternehmerseite genutzt wird, um die allgemeine Wochenarbeitszeit im Gegenzug auf 42 Stunden zu erhöhen.

Südwestmetall-Chef Wolf erklärte gegenüber Reuters, er sehe die Chance, dass die Arbeitgeber mit Blick auf längere Arbeitszeiten “einen erheblichen Teil” ihres Zieles erreichen könnten. Bisher dürfen die Beschäftigten nur in wenigen Bezirken länger als 35 Stunden pro Woche arbeiten.

Wie die IG Metall bereits auf ihrer Jahres-Auftaktversammlung in Berlin verkündet hatte, will sie ein schnelles Verhandlungsergebnis erreichen, möglichst noch im Januar. Dass die Spitze der IG Metall großes Interesse an einem schnellen Tarifabschluss und einem Ende der Streikbewegung hat, zeigt auch eine vom Deutschlandfunk zitierte Äußerung von IG-Metall-Chef Hofmann. Er sagte, er wünsche sich für die kommenden Gespräche ein „maßvolles Auftreten“ und hoffe, die Verhandlungen könnten „ohne weitere Eskalation“ zu einem für alle Seiten guten Ergebnis gebracht werden.

Während viele Arbeitsplätze direkt bedroht sind, hält die Gewerkschaft die Frage der Arbeitsplatzverteidigung strikt aus dem Tarifkampf heraus. Eine Ausweitung der Streiks durch eine breite Mobilisierung gegen den Arbeitsplatzabbau bei Siemens, Bombardier, Thyssenkrupp und anderen Betrieben will die IG Metallführung auf keinen Fall zulassen. Die Mehrheit der Gewerkschaftsführer sind gleichzeitig SPD-Funktionäre und unterstützen die Bildung einer großen Koalition.

Mit anderen Worten: Die lautstarke Kritik der Gewerkschaftsredner an den miserablen Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen sind reine Heuchelei. Denn sie unterstützen die Partei, die in den vergangenen Jahren das Sozial- und Arbeitsministerium leitete und jetzt dabei ist, eine Regierung zu bilden, die noch weit schärfere soziale Angriffe durchsetzt.

Im Gegensatz zur IG Metall wünschen sich viele Arbeiter eine Ausweitung der Streiks flächendeckend auf das gesamte Bundesgebiet, auch um die Arbeitsplätze zu verteidigen und die nervenaufreibende soziale Unsicherheit der Leiharbeiter zu beenden.

Robert, ein Leiharbeiter bei Bombardier Transportation in Hennigsdorf, sprach für viele seiner Kollegen, als er der WSWS sagte: „Ich arbeite seit Oktober letzten Jahres als Leiharbeiter bei Bombardier. Wir haben ganz andere Probleme hier als Arbeitszeitverkürzung. Fester Mitarbeiter wird man ja nicht. Das ist das Traurige an der Sache. Wir verdienen als Leiharbeiter etwa 400 Euro netto weniger als die Stammbelegschaft bei gleicher Arbeit, manchmal sogar mehr Arbeit, weil man als Leiharbeiter einen unsicheren Arbeitsplatz und daher das Gefühl hat, besser mehr arbeiten zu müssen. Man fühlt sich als Mensch dritter Klasse.“

Jede Woche kämen mehr Leiharbeiter an. Er habe den Eindruck, dass in seiner Halle fast schon die Hälfte der Belegschaft Leiharbeiter seien. „Es ist eben einfacher für das Unternehmen, die Leiharbeiter wieder zu entlassen, wenn die Arbeit abnimmt. Der Stammbelegschaft müsste man ja eine Abfindung bezahlen, uns nicht“, ergänzte er.

Das wichtigste sei es eigentlich, die Arbeitsplätze zu sichern. „Wurden die Leute hier von der Gewerkschaft gefragt, was sie eigentlich wollen? Ich glaube, 90 Prozent wollen hier einfach einen sicheren Arbeitsplatz haben. Gerade diejenigen, die schon über 50 Jahre alt sind, die wollen doch noch bis zur Rente arbeiten.“

Zur Taktik der IG Metall und der Organisation von kurzen Warnstreiks meinte er: „Der Warnstreik wurde ziemlich arbeitgeberfreundlich organisiert, kurz vor dem Schichtende, wo es sowieso kaum eine Produktionsunterbrechung gibt.“ Das sei kein wirkliches Druckmittel.

Kollegen von Robert, die auch als Leiharbeiter beschäftigt sind, meinten: „Eigentlich wäre es schon gut, wenn wir flächendeckend streiken würden, auch in den ausländischen Betrieben. Aber es gibt ja keine Europagewerkschaft. Eigentlich müsste es so etwas auch geben.“

Auch von der Stammbelegschaft gab es kritische Stimmen in Richtung Gewerkschaft und Politik: „Der offene Brief, den die Gewerkschaft mal an die Regierung geschickt hat, brachte auch nichts. Es gab wohl mal das Treffen zwischen dem Bombardier-Vorstand und dem damaligen Wirtschaftsminister Gabriel, aber das hat alles nichts gebracht“, gab ein junger Facharbeiter, der in der Halle für den neuen ICx-Schnellzug arbeitet, zu verstehen. „Ich halte von den Politikern sowieso nichts. Die sehen zu, dass wir die Steuern zahlen, und dann haben wir keinen Einfluss mehr. Soviel zur Gleichberechtigung.“

Gewerkschaft und SPD setzen alles daran, die wachsende Radikalisierung in den Betrieben unter Kontrolle zu halten. Obwohl die Konzerne transnational organisiert sind, wird der Arbeitskampf auf regional begrenzte Ministreiks reduziert.

Deshalb fordert die Sozialistische Gleichheitspartei die Beschäftigten auf, sich unabhängig von der Kontrolle der Gewerkschaften in Aktionskomitees zusammenzuschließen, Kontakt zu anderen Betrieben aufzunehmen, um einen gemeinsamen Kampf zu organisieren. Arbeiter müssen ebenfalls eine internationale Strategie für den Klassenkampf entwickeln, um ihre Interessen zu verteidigen. Die Aktionskomitees müssen Verbindung zu den Arbeitern in ganz Deutschland, Europa und weltweit aufnehmen, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei ist bereit, jede ernsthafte Initiative zur Ausweitung und internationalen Entwicklung der Streiks zu unterstützen.

Loading