US-Außenminister Rex Tillerson hat am Donnerstag feierlich versprochen, der amerikanische Imperialismus werde seine neokoloniale Zielsetzung nicht aufgeben, das von Russland und dem Iran unterstützte syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad zu stürzen. Tillerson legte eine unglaubliche Arroganz an den Tag, als er erklärte, die USA würden auf unbegrenzte Zeit Streitkräfte in Syrien behalten und in Damaskus nur eine Regierung akzeptieren, die als amerikanischer Vasallenstaat fungiert.
Bei seiner Rede vor der Hoover Institution an der Stanford-Universität in Kalifornien bekräftigte Tillerson die Entschlossenheit der USA, in Syrien weiterhin einen Regimewechsel anzustreben. Dazu passte es gut, dass er für seine Rede von der ehemaligen Sicherheitsberaterin von George W. Bush, Condoleezza Rice, eingeladen wurde – für ihre Rolle bei der illegalen Invasion des Iraks müsste sie eigentlich wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden.
Der verlogene Vorwand für das Eingreifen der USA in Syrien, es gehe nur um den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS), wurde fallengelassen. Während seiner Rede verurteilte Tillerson den Iran mehrfach wegen seiner Unterstützung für die syrische Regierung. Ausgerechnet der Vertreter derjenigen Macht, die in den Irak einmarschiert ist und diktatorische Monarchien in Saudi-Arabien und den Golfstaaten unterstützt, beschuldigte Teheran, nach der „Vorherrschaft im Nahen Osten“ zu streben. Er erklärte, die USA seien entschlossen, „den bösartigen iranischen Einfluss zu reduzieren und aus Syrien zu verbannen“.
Tillerson forderte außerdem, Russland solle seine Unterstützung für Damaskus beenden und „den Druck auf die Regierung verstärken“, damit sie zurücktritt und die Errichtung eines von den USA kontrollierten Marionettenregimes akzeptiert. Er erklärte ganz unverblümt, das Ziel der USA sei „das Ausscheiden von Assad“.
Der verbrecherische Charakter und die Heuchelei der amerikanischen herrschenden Klasse kennen keine Grenzen. Auf dem Hintergrund der hysterischen Anschuldigungen wegen „russischer Einmischung“ in die amerikanischen Wahlen erklärt Tillerson unverblümt, dass die USA über das Schicksal Syriens entscheiden werden. Zu den politischen Kräften, mit denen die USA zusammenarbeiten, gehören genau die islamistischen Extremisten, die Washington benutzt hat, um seine Intervention in den siebenjährigen Bürgerkrieg zu rechtfertigen, der das Land verwüstet hat.
Die Rücksichtslosigkeit der Politik, die Tillerson hier umrissen hat, ist kolossal. Um den Regimewechsel durchzusetzen, wollen die USA Syrien im Endeffekt aufteilen. Dabei soll der Norden formell abgetrennt und zu einem amerikanischen Protektorat unter Kontrolle der kurdischen Nationalisten gemacht werden. Den Osten des Landes sollen die islamistischen Milizen kontrollieren.
Tillerson erklärte, die USA würden ihre sogenannte Wiederaufbauhilfe in die Gebiete schleusen, die von ihren Stellvertretertruppen gehalten werden. Gleichzeitig würden sie versuchen, ein Wirtschaftsembargo gegen die Gebiete durchzusetzen, die unter Kontrolle der syrischen Regierung stehen. Die amerikanische Zone wird von 2.000 US-Soldaten, die bereits im Land sind, vor der syrischen Armee beschützt werden, und darüber hinaus von Einheiten der US-Luftwaffe, die im Irak und in den Golfstaaten stationiert sind.
Am Tag vor Tillersons Rede gab ein Sprecher der US-Streitkräfte im Nahen Osten bekannt, dass eine 30.000 Mann starke Miliz zum Kampf gegen Assad aufgestellt und bewaffnet werden soll. Zu denjenigen, die von den USA dafür engagiert werden sollen, gehören Hunderte ehemalige IS-Kämpfer und Mitglieder der mit al-Qaida verbündeten islamistischen Milizen, darunter die Al-Nusra-Front.
Die amerikanischen Pläne zielen vor allem darauf ab, die russischen Bemühungen für eine Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien zu sabotieren und scheitern zu lassen. Für nächsten Monat ist eine Konferenz in Sotschi in Russland, geplant, zu der mehrere Assad-feindliche Gruppierungen eingeladen wurden. Diesen Elementen wurde jetzt stattdessen unbegrenzte militärische und finanzielle Unterstützung der USA zur Verfügung gestellt, damit sie weiter kämpfen.
Schätzungen gehen davon aus, dass der Krieg in Syrien seit 2011 mindestens 500.000 Todesopfer gefordert hat. Mehr als fünf Millionen Menschen sind aus dem Land geflohen und wenigstens sechs weitere Millionen wurden innerhalb Syriens zu Flüchtlingen gemacht. Ganze Städte und Ortschaften wurden durch die wahllosen Bombardierungen aller Seiten dieses blutigen Konflikts in Schutt und Asche gelegt.
In Tillersons Rede wird nicht nur eine Fortsetzung der Gräuel gegen die syrische Bevölkerung ankündigt, sondern eine massive Eskalation der Gewalt.
Die syrische Regierung hat die Pläne der USA bereits zurückgewiesen. Das syrische Außenministerium erklärte in einer Stellungnahme: „Die amerikanische Präsenz auf syrischem Boden ist rechtswidrig und ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht sowie ein Angriff auf die nationale Souveränität.“
Hier ergibt sich unmittelbar die Gefahr von umfassenden militärischen Zusammenstößen zwischen den US-gestützten Kräften auf der einen Seite und der syrischen Armee sowie iranischen, irakischen und libanesischen Freiwilligen, die in verschiedenen schiitischen Milizen an ihrer Seite kämpfen. Nachdem die syrische Regierung die Rebellentruppen in anderen Teilen des Landes besiegt hat, verlagert sich der Schwerpunkt ihrer Operationen auf die Rückeroberung der von der Opposition gehaltenen Gebiete im Norden und Osten des Landes. Aus der Luft werden diese Operationen immer noch von russischen Flugzeugen und Kampfhubschraubern unterstützt.
Die naheliegende Frage, die Tillersons Rede aufwirft, ist, ob die amerikanischen Streitkräfte die russischen Flugzeuge angreifen werden, mit allen Folgen die sich daraus ergeben.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Obendrein besteht die Gefahr, dass die US-Angriffe in Syrien zu einem offenen Krieg mit dem Iran führen oder einen neuen Bürgerkrieg im Irak auslösen, falls die schiitischen Milizen gegen die US-gestützte Regierung in Bagdad zu den Waffen greifen.
Die Türkei, ein Nato-Bündnispartner Washingtons, lehnt die US-Pläne ebenso vehement ab. Die türkische Regierung besteht darauf, dass die von den USA unterstützte kurdisch-nationalistische Miliz YPG eine Frontorganisation der separatistischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist, die sie als „terroristische“ Organisation ansieht und innerhalb der Türkei seit Jahrzehnten brutal unterdrückt. Letztes Wochenende hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Trump-Regierung schärfstens verurteilt, weil sie „an unserer Grenze eine Terrorarmee aufbaut“.
Tillerson gab am Donnerstag in seiner Rede zwar die verbale Zusicherung, „sich um die türkischen Bedenken in Bezug auf die PKK-Terroristen“ zu kümmern, und versprach „eine enge Zusammenarbeit“. Dennoch bleibt die Tatsache, dass Washington eine Gruppe unterstützt, welche die herrschende Klasse der Türkei als Bedrohung ihrer inneren Stabilität und territorialen Integrität ansieht. Erdoğan hat wiederholt gewarnt, dass die Türkei bereit ist, in Nordsyrien einzumarschieren, um zu verhindern, dass die YPG das Gebiet zu einem kurdischen Mini-Staat macht. Was wäre dann die Reaktion der Vereinigten Staaten?
Das neue Stadium der imperialistischen Intrigen der USA im Nahen Osten ist eine weitere vernichtende Anklage gegen die pseudolinken Gruppen, die die Verschwörung zum Sturz der Assad-Regierung unterstützen und behaupten, die von den Amerikanern unterstützten Rebellen würden eine „Revolution“ für „Demokratie“ anfachen. Alle, die gegen die Regimewechsel-Operation der USA opponierten, darunter auch die World Socialist Web Site, wurden des „reflexartigen Anti-Imperialismus“ beschuldigt.
Sieben Jahre später ist der pro-imperialistische Charakter der US-Stellvertreterkräfte unbestreitbar – ob es die kurdisch-nationalistischen Verbände oder die mit al-Qaida verbündeten islamistischen Milizen sind. Von Beginn an waren sie Washingtons Werkzeug, um den iranischen und russischen Einfluss im Nahen Osten zu unterhöhlen und die amerikanische Vorherrschaft über die ölreiche Region durchzusetzen.
Das Ergebnis ist die enorm erhöhte Gefahr eines regionalen Kriegs oder eines Kriegs zwischen Atommächten.