Am Donnerstag und Freitag wurden die Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie erneut ausgeweitet. Seit Wochenbeginn beteiligten sich über 340.000 Beschäftigte an befristeten Streikaktionen, Protestkundgebungen und Demonstrationen.
Die Wut über soziale Ungleichheit und drohende Massenentlassungen wie bei Siemens und vielen anderen profitablen Betrieben nimmt zu und ist auf den gegenwärtigen Streikkundgebungen sichtbar und allgegenwärtig.
Die IG Metall ist über die Unruhe und radikale Stimmung in den Betrieben in wachsendem Maße beunruhigt. Während ihre Funktionäre auf den Streikkundgebungen radikale Reden halten und den Unternehmern Profitsucht und Menschenverachtung vorwerfen, signalisiert sie bereits Kompromissbereitschaft und bereitet einen Ausverkauf vor.
Bei den jüngsten Tarifverhandlungen am Donnerstag in Baden-Württemberg deutete die IGM-Verhandlungskommission in der Arbeitszeitfrage Kompromissbereitschaft an. Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Stefan Wolf, bewertete nach den Gesprächen in Böblingen das Verhalten der IG Metall mit den Worten: „Immerhin hat die Gewerkschaft beim Thema Arbeitszeit erstmals Bereitschaft signalisiert, auch über die Volumenfrage mit uns zu sprechen.“
Das Handelsblatt machte deutlich, was das bedeutet: „Damit deutet sich an, dass es die von der IG Metall geforderte Flexibilisierung der Arbeitszeit in beide Richtungen geben wird.“ Das würde bedeuten, dass die gewerkschaftliche Forderung nach dem Recht, die Arbeitszeit bei teilweisem Lohnausgleich für bestimmte Beschäftigte zwei Jahre lang auf bis zu 28 Wochenstunden zu verkürzen, ins Gegenteil verkehrt wird.
Während viele Arbeiter aufgrund der zunehmenden Arbeitshetze gerne eine zeitweise Verkürzung der Wochenarbeitszeit in Anspruch nehmen würden, deutet die IG Metall ihre Bereitschaft an, die 35-Stundenwoche weiter aufzubrechen und einer Flexibilisierung der Arbeitszeit auf 40 Stunden und mehr zuzustimmen.
Bisher gibt es für die Zahl der Beschäftigten, die bis zu 40 Wochenstunden arbeiten dürfen, Quoten von maximal 13 beziehungsweise 18 Prozent einer Belegschaft. Die IG Metall habe nun die Bereitschaft angedeutet, die strenge Regelung aufzuweichen, schreibt das Handelsblatt: „‚Nach wie vor liegen die Arbeitgeber meilenweit von unseren Vorstellungen zum Thema Arbeitszeit entfernt‘, betonte zwar Baden-Württembergs IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger, ‚allerdings war in der heutigen Verhandlung insbesondere in der Frage der Zeitsouveränität zugunsten der Beschäftigten Bewegung erkennbar, an der sich konstruktiv weiter arbeiten lässt.‘“
Im Deutschlandfunk wurde die Haltung von IG-Metall-Chef Hofmann mit den Worten wiedergegeben, er wünsche sich für die kommenden Gespräche „maßvolles Auftreten“ und er hoffe, die Verhandlungen könnten „ohne weitere Eskalation“ zu einem für alle Seiten guten Ergebnis gebracht werden.
Unter keinen Umständen will die Gewerkschaft zulassen, dass die Streiks und Proteste über den engen Rahmen der Tarifauseinandersetzung hinausgehen und sich in eine breite Mobilisierung gegen den massiven Arbeitsplatzabbau verwandeln, der in vielen Betrieben bereits angekündigt und eingeleitet wurde.
Dabei geht es der IG Metall-Führung nicht nur um die Interessen der deutschen Exportwirtschaft, mit der sie eine Partnerschaft entwickelt hat. Sie hat vor allem die anhaltende Regierungskrise und die Vorbereitung auf eine Große Koalition im Auge. IGM-Chef Hofmann und viele andere Gewerkschaftsfunktionäre sind SPD-Mitglieder und unterstützen die Bildung einer Koalition von Union und SPD. Sie wollen verhindern, dass diese Regierungsbildung unter den Bedingungen eines umfassenden Streiks stattfindet.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) tritt dieser sozialdemokratischen Gewerkschaftspolitik entgegen und vertritt den entgegengesetzten Standpunkt. Sie ruft dazu auf, die gegenwärtigen Warnstreiks auszuweiten und zum Auftakt für eine breite politische Mobilisierung gegen die Parteienverschwörung in Berlin zu machen. Seit Monaten verhandeln die Parteien hinter dem Rücken der Bevölkerung über eine Regierung, die in der Innen- und Außenpolitik einen massiven Rechtsruck vollzieht.
Die IG Metall sieht ihre Hauptaufgabe darin, die wachsende Radikalisierung in den Betrieben unter Kontrolle zu halten und zu unterdrücken. Sie ist eng mit der SPD verbunden, deren Hartz-Gesetze und Agenda 2010 die Ausbeutungsbedingungen dramatisch verschärft und zu den miserablen Bedingungen in den Betrieben beigetragen haben, gegen die sich die Warnstreiks richten. Es ist nicht möglich, ernsthafte Lohnforderungen und verbesserte Arbeitszeiten zu erkämpfen und gleichzeitig eine Partei zu unterstützen, die den Lohn- und Sozialabbau zu verantworten hat und für militärische Aufrüstung sowie Angriffe auf demokratische Rechte eintritt.
Deshalb fordert die Sozialistische Gleichheitspartei die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie auf, den Kampf in die eigenen Hände zu nehmen. Dazu sind neue Kampforganisationen und der Aufbau von Aktionskomitees notwendig, die von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. Diese Aktionskomitees müssen für die breiteste Mobilisierung der Arbeiterklasse in Deutschland, in Europa und international kämpfen.
Die Verteidigung von Löhnen, Arbeitsplätzen und sozialen Errungenschaften erfordert eine internationale Perspektive. Die transnationalen Konzerne und Banken verfolgen in ihrem Krieg gegen die Arbeiterklasse eine internationale Strategie. Deshalb müssen die Arbeiter ebenfalls eine internationale Strategie für den Klassenkampf entwickeln, um ihre Interessen zu verteidigen. Die Aktionskomitees müssen Verbindung zu den Arbeitern in ganz Deutschland, Europa und weltweit aufnehmen, um sich gegenseitig zu unterstützen.
Die Sozialistische Gleichheitspartei ist bereit, jede ernsthafte Initiative zur Ausweitung und internationalen Entwicklung der Streiks zu unterstützen.