Während die politischen Parteien um die nächste Bundesregierung feilschen, arbeiten führende Militärs an einem umfassenden Rüstungsprogramm, das an die Hochrüstung der Wehrmacht in den 1930er Jahren erinnert. Auf der Berliner Sicherheitskonferenz legte davon am 28. und 29. November eine hochrangig besetzte Podiumsdiskussion ein erschreckendes Zeugnis ab.
Unter der Moderation des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, Wolfgang Hellmich (SPD), traten dort die Inspekteure der Teilstreitkräfte der Bundeswehr in einer Art und Weise auf, als hätte es die Verbrechen des deutschen Militarismus nie gegeben. Nacheinander präsentierten sie ihre Forderungen an die zukünftige Bundesregierung und begründeten das mit der Anfang 2014 eingeleiteten außenpolitischen Wende.
In seinem Schlussplädoyer erklärte der Inspekteur der Luftwaffe Karl Müllner: „Wir haben erklärt, dass wir als Bundesrepublik Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen wollen, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns alle im Klaren darüber sind, dass das nicht umsonst zu haben ist.“ Um „diese Führungsfunktion“ zu übernehmen, gelte es nun, „die Instrumente dafür auch zu schärfen“. Er hoffe, „dass die Politik das erkennt und die entsprechenden Mittel bereit stellt“.
Was die Luftwaffe in den nächsten Jahren konkret erwartet, hatte Müllner bereits zuvor in einem Redebeitrag skizziert. Es gehe unter anderem um die Frage der „Mobilität“, d.h. die glaubwürdige und schnelle Verlegung von Kräften in die Einsatzgebiete, und um die Entwicklung „neuer Fähigkeiten“ bei der „bodengebundenen Luftverteidigung“. Es sei aber auch Zeit, „sich damit zu beschäftigen, wie wir die Luftangriffsfähigkeiten in der Zukunft in der Luftwaffe gestalten wollen“. Man schaue „hier insbesondere auf die Fähigkeiten der neuen Kampfflugzeug-Generation“. Diese ermögliche es, „auf große Entfernungen das richtige Ziel zu identifizieren und auch bekämpfen zu können“.
Am aggressivsten trat der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Jörg Vollmer, auf. Der „Paradigmenwechsel“ zurück zur Landes- und Bündnisverteidigung bedeute, dass er jetzt, wie zur Zeit des Kalten Krieges, wieder „Truppenteile über große Entfernungen verlegen und dort durchhaltefähig ins Gefecht führen“ müsse. Für das deutsche Heer hießen die eingegangenen Verpflichtungen, drei einsatzbereite Divisionen bereitzustellen und gleichzeitig die Truppenverlegungen nach Osteuropa sowie die Kontingente in Afghanistan, in Mali, im Irak und im Kosovo „zu stemmen“.
Das sei „eine Herausforderung für die Truppe“, die er „mal deutlich ansprechen“ müsse. Das Heer verfolge den Plan, „bis 2027 die erste Division wieder aufgefüllt zu haben und sie einsatzbereit zu halten“. Auch „der Einstieg in die Digitalisierung“ sei „längst überfällig“. Man werde „deshalb in den nächste zwei Jahren einen Test- und Versuchsverband aufstellen, mit dem wir genau das erproben können, was uns die Industrie liefern kann“. Im Jahr 2032 müsse dann das „Heer 4.0 digitalisiert“ bereit stehen.
Am Schluss seines Beitrag wandte sich der General direkt an Hellmich: „Wenn ich einen Wunsch habe, Herr Abgeordneter, dann ist das der, dass das, was eingeleitet wurde, verstetigt wird und Schritt für Schritt das Ganze nach vorne geht“. Keiner erwarte, „dass das morgen alles auf dem Hof steht“, aber es müsse „mal bitte schneller gehen. Es muss einfach schneller gehen.“ Es gelte nun in den „nächsten zwei, drei Legislaturperioden den Kurs zu halten, den wir in der vergangenen eingeschlagen haben“.
Marineinspekteur Andreas Krause präsentierte eine milliardenschwere Liste von Neuanschaffungen für die Marine, darunter vier neue Fregatten der Klasse 125, fünf Korvetten und sechs Mehrzweckkampfschiffe. Letztere bezeichnete er als wirkliche „Warfighter“. Hinzu kämen neue Hubschrauber und U-Boote. Auch Krause richtete einen direkten Appell an die anwesenden Vertreter von Politik und Wirtschaft auf dem Podium und im Publikum. „Wir brauchen einen langen Atem, aber wir dürfen den Schwung nicht verlieren. Deshalb brauch ich sie als Entscheidungsträger.“
Krause machte kein Geheimnis aus den globalen Gelüsten des deutschen Imperialismus. „Die deutschen Interessen zur See reichen von der Nordflanke bis hinunter zum Mittelmeer und in den indo-pazifischen Raum. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen.“ So seien 25 Prozent aller importierten Güter im Jahr 2016 über deutsche Häfen eingelaufen. Bei den Exporten würden sogar 60 Prozent aller Güter über den Seeweg ausgeführt. Insgesamt liefen 90 Prozent des Fernhandels über die Hohe See. Deutschland habe also „ein vitales Interesse an sicheren Seewegen“ und müsse über Fähigkeiten verfügen, die von „leichten Anforderungen“ bis hin zur „hochintensiven dreidimensionalen Kriegsführung reichen“.
Die Ausführungen des Inspekteurs Streitkräftebasis, Martin Schelleis, machten deutlich, dass sich die Bundeswehr auch auf den Krieg an der Heimatfront vorbereitet. Es gehe darum, „die Aufgaben der Bundeswehr in Deutschland zu koordinieren, eventuell Einsätze zu führen und für das Funktionieren der Drehscheibe Deutschland insgesamt Sorge zu tragen“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In der Mehrzahl der Fälle werde „Deutschland aufgrund seiner geographisch zentralen Lage Anlandehafen, Transitzone für Alliierte Verstärkungskräfte und rückwärtiges Einsatzgebiet sein“. Die Streitkräftebasis „mit ihrem Inspekteur als nationalem und territorialem Befehlshaber und der entsprechenden Führungsorganisation“ werde hier „besonders gefordert sein. Nicht nur zur Wahrnehmung von bundeswehreigenen Aufgaben, sondern in Unterstützung der zivilen Behörden, Polizeien, Landratsämter und Katastrophenschutzbehörden“.
Welche schrecklichen Auswirkungen die deutschen Kriegspläne für die Bevölkerung und die Soldaten haben, zeigten die Ausführungen des Sanitätsinspekteurs Michael Tempel. Deutschland habe zwar eine der größten und am besten ausgestatteten Sanitätsdienste, aber die aktuellen Entwicklungen seien eine Herausforderung. „Sollte eine große Schlacht oder ein großer Kampf länger als ein, zwei, drei, vier oder fünf Tage dauern, muss ich mich damit auseinandersetzen, was ich mit den Verwundeten mache und mit dem verwundeten Personal… Inwieweit kann ich mich auf die Krankenhäuser im Gastgeberland oder im Heimatland verlassen? Wie viele Spezialbetten für Verbrennungen gibt es in Europa – wahrscheinlich nicht einmal einhundert.“
Die deutsche Rüstungsindustrie leckt sich bereits die Finger. Der Chef des Rüstungsunternehmens MBDA, Thomas Gottschild, versicherte auf dem Podium: „Wir können alles [produzieren], aber nicht immer sehr schnell.“ Die derzeitige Ausgangslage erfordere „innovative und kluge nationale Kooperationsansätze“.
Man sei „in einer Situation, wo ein einfaches Hochfahren nicht möglich ist, sondern wo wir gewisse Vorbereitungen unternehmen müssen, um die Fertigungskapazitäten wieder auf Stand zu bringen“. Die Kooperation „zwischen der Industrie und den Streitkräften“ sei „hier zentral zu nennen, aber auch die europäische Rüstungskooperation“. Die „wirklich großen Rüstungsprogramme“ könnten „heute durch keine Nation alleine mehr gestemmt werden“.
Die Diskussionen auf der Berliner Sicherheitskonferenz bestätigen die Forderung der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) nach Neuwahlen. Es darf nicht zugelassen werden, dass hinter dem Rücken der Bevölkerung eine extrem rechte neue Bundesregierung installiert wird, die Deutschland ohne jedes demokratische Mandat hochrüstet und einen dritten Griff nach der Weltmacht vorbereitet. Die SGP kämpft für eine sozialistische Alternative zu Kapitalismus, Militarismus und Krieg.