Der Kreml weist die russische Industrie an, sich auf eine militärische Mobilisierung vorzubereiten

In der britischen Presse wurde am Donnerstag berichtet, der russische Präsident Wladimir Putin habe die russische Industrie angewiesen, sich darauf vorzubereiten, ihre gesamte Leistung in die Kriegsproduktion zu stecken. Nachdem Deutschland seine Außenpolitik 2014 formell remilitarisiert und Schweden die Wehrpflicht wiedereingeführt hat, wird erneut klar, dass sich die Staaten Europas und der Welt ein Jahrhundert nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 wieder auf einen totalen Krieg vorbereiten.

Putin soll diese Äußerungen auf dem Gipfel in Sotschi gemacht haben, wo er mit Vertretern der Türkei und des Irans über den Syrien-Krieg diskutierte. Er gab dabei einen Rückblick auf „Zapad“, die alljährliche Truppenübung, welche die russischen Streitkräfte immer im September abhalten.

Putin erklärte: „Die Fähigkeit unserer Wirtschaft, militärische Produktion und Dienstleistungen zu einem gegebenen Zeitpunkt schnell zu erhöhen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Gewährleistung der Sicherheit des Staates. Darauf sollten alle strategischen und sonstigen Großbetriebe unabhängig von ihrer Eigentumsform vorbereitet sein.“

Offenbar sollte bei der diesjährige Zapad-Truppenübung getestet werden, ob Russland eine Generalmobilisierung seiner wirtschaftlichen Ressourcen für einen umfassenden Atomkrieg gewährleisten kann. Das Szenario bestand darin, vor dem Hintergrund einer simulierten Bodeninvasion und groß angelegter Raketenangriffe auf Russland die strategischen Nuklearwaffen (d. h. die größten Wasserstoffbomben) des Landes abzuschießen, um den angreifenden Staat zu vernichten.

In einem solchen Krieg würde das Militär die Kontrolle über die Wirtschaft übernehmen, die Produktion für zivile Bedürfnisse drastisch einschränken und die industriellen Kapazitäten, die die massiven Angriffe durch Bomben und Raketen überstehen, in Richtung Kriegsführung umlenken.

Putin erklärte: „Als erstes haben wir unsere Bereitschaft zur Mobilmachung überprüft und unsere Fähigkeit getestet, lokale Ressourcen für die Anforderungen der Truppe zu nutzen. Für diese Übung wurden Reservisten einberufen. Außerdem haben wir die Fähigkeit von zivilen Unternehmen geprüft, ihre Fahrzeuge und ihre Ausrüstung den Truppen zu übergeben und der Transportkommunikation technischen Schutz zu gewähren ... Obendrein haben wir die Bereitstellung von Transport- und Logistik-Dienstleistungen wie auch die Bereitstellung von Lebensmitteln und Medizin für die Armee untersucht. Wir müssen nochmals die Fähigkeit der Verteidigungsbetriebe zur schnellen Steigerung ihrer Produktion überprüfen.“

Putins Aussagen sind eine eindringliche Warnung für die internationale Arbeiterklasse. Der globale Kapitalismus macht einen politischen Zusammenbruch von historischen Ausmaßen durch. Die wachsende Gefahr eines dritten Weltkriegs hat ihre Wurzeln im Konflikt zwischen dem Nationalstaatensystem und dem globalen Charakter der Produktion. Putin hat auf dem Gipfel von Sotschi ganz offen ausgesprochen, was auch die Nato-Regierungen hinter dem Rücken der Menschen tun: Sie bereiten sich auf einen umfassenden Weltkrieg zwischen den großen Atommächten und, falls nötig, gegen die eigene Bevölkerung, vor.

Die Propaganda in den amerikanischen und europäischen Medien, die Russland der Aggression und Einmischung in die Politik der Nato-Länder bezichtigt, strotzt nur so vor imperialistischer Heuchelei. Während Russland die Militärübungen auf seinem eigenen Boden durchführt, kreisen die Nato-Mächte Russland ein und lassen ihre Truppen bis nah an Russlands Grenzen aufmarschieren.

Vor zwei Wochen hielt die Nato ein Gipfeltreffen in Brüssel ab, auf dem über die Errichtung von Flotten- und Logistik-Stützpunkten diskutiert wurde, um amerikanische und europäische Truppen für den Kampf gegen Russland über den Atlantik und den europäischen Kontinent zu transportieren. In einem Bericht über die Themen des Gipfels schloss Der Spiegel: „Im Klartext: Die Nato bereitet sich auf einen möglichen Krieg mit Russland vor.“

Ähnlich wie Russland entwickelt die Nato dabei Pläne, nach denen das gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben dem Diktat des Militärs unterworfen wird. Auf dem Brüsseler Gipfel machte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg klar, dass die Nato ihre Kriegsplanung auch eng mit den Geheimdiensten und der Polizei koordiniert. Diese Planungen, erklärte er, „brauchen die Unterstützung der ganzen Regierung. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Verteidigungsminister, den Innen-, Finanz- und Verkehrsministern die Erfordernisse des Militärs begreifbar machen“.

Aus der Sicht Moskaus gleichen die Drohungen des US-Imperialismus mit aggressivem militärischem Vorgehen rund um den Globus einer Schlinge, die um Russland zusammengezogen wird. Die Drohungen betreffen nicht nur Russlands Westgrenze mit Europa. Seit August droht US-Präsident Donald Trump Nordkorea, das sowohl an Ost-Russland als auch an China grenzt, immer wieder mit atomarer Auslöschung. Nach Trumps Reise nach Saudi-Arabien im Mai, bei der er Riad dazu drängte, einen harten Kurs gegen den Iran und Syrien einzuschlagen, befindet sich die Region am Rand eines umfassenden Krieges. Iran und Syrien sind Russlands wichtigste Verbündete im Nahen Osten.

Zur gleichen Zeit zeigen Zahlen des Pentagon, die Anfang dieser Woche veröffentlicht wurden, dass das im Nahen Osten stationierte Militär- und Hilfspersonal der USA um 30 Prozent auf 54.325 Personen angewachsen ist.

Die Menschheit wird jetzt mit den verheerenden politischen Folgen der Auflösung der Sowjetunion konfrontiert, die vor einem Vierteljahrhundert, 1991, durch die stalinistische Bürokratie bewerkstelligt wurde. Die imperialistischen Lügen aus der Ära des Kalten Kriegs, die UdSSR sei die Quelle aller militärischen Aggressionen auf der Welt, wurden durch die imperialistischen Angriffe, die sich nach ihrer Auflösung entwickelten, widerlegt. Durch die Angriffe der Nato-Mächte auf ehemals mit der Sowjetunion verbündete Staaten – Irak, Jugoslawien, Afghanistan, Libyen und Syrien – wurden ganze Regionen verwüstet oder, wie Nordkorea, isoliert und wirtschaftlich stranguliert.

Diese Kriege haben nicht nur Millionen von Menschenleben gekostet, sondern auch über 60 Millionen Menschen gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen, und damit die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst.

Die Krise, die Putin mit seiner Forderung nach einer ständigen Kriegsbereitschaft Russlands offenlegte, ist das Ergebnis dieser jahrzehntelangen brutalen Kriege der Nato-Mächte überall auf der Welt. Die Versuche des US-Imperialismus, durch den Einsatz seiner militärischen Macht seinem wirtschaftlichen Niedergang entgegenzuwirken und die durch wachsende Arbeitslosigkeit und soziale Benachteiligung erzeugten Klassenspannungen gegen einen äußeren Feind zu richten, haben die Welt an den Rand eines nuklearen Holocaust getrieben. Darin wurde Washington von seinen europäischen Verbündeten bestärkt.

Die Kriegsvorbereitungen werden inzwischen auf den höchsten Ebenen des bürgerlichen Staats öffentlich diskutiert. Letzte Woche warnte der Senator von Massachusetts, Ed Markey, im Senat, dass „zum jetzigen Zeitpunkt im Weißen Haus“ möglicherweise Pläne in der Schublade liegen, „mit amerikanischen Atomwaffen einen Präventivkrieg gegen Nordkorea zu beginnen, ohne den Kongress zu informieren oder sich mit ihm zu beraten“. Ein anderer Senator erklärte, das Weiße Haus sei zu einer „Tagesbetreuungseinrichtung“ für einen unkontrollierbaren Präsidenten geworden, der praktisch jederzeit entscheiden könne, einen Atomkrieg vom Zaun zu brechen.

Die Politik des Kremls, die im russischen Nationalismus der postsowjetischen kapitalistischen Oligarchie wurzelt, ist reaktionär und kann dem imperialistischen Kriegstreiben nichts entgegensetzen. Der Kreml kann und will sich nicht auf die Antikriegsstimmung in der internationalen Arbeiterklasse stützen und ist finanziell von den imperialistischen Zentren abhängig. Er schwankt zwischen dem Versuch, ein Abkommen mit den Nato-Mächten zu schließen, und der Bereitschaft, das Risiko einer umfassenden militärischen Konfrontation einzugehen. Strategen gehen ganz klar davon aus, dass ein solcher Konflikt sehr schnell zu einem umfassenden Atomkrieg eskalieren würde, der das Überleben der Menschheit bedroht.

Ohne ein politisch bewusstes Eingreifen der Arbeiterklasse auf internationaler Ebene und ohne einen revolutionären Kampf gegen Krieg und Kapitalismus gibt es keine Möglichkeit, das Kriegstreiben zu stoppen. Die größte Gefahr in dieser Situation ist, dass viele Arbeiter sich nicht vollständig über die Tiefe der politischen Krise und die schnell wachsende Gefahr eines katastrophalen Kriegs bewusst sind.

In dieser Situation führen amerikanische und europäische Medien eine Kampagne gegen Russland, um Antikriegs- und sozialistische Websites von Google zensieren zu lassen. Im Fokus des Angriffs steht die World Socialist Web Site. Deshalb ruft die WSWS dazu auf, eine internationale Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse aufzubauen und für eine sozialistische und antiimperialistische Perspektive zu kämpfen, und bittet ihre Leser um Unterstützung bei der Verbreitung ihres Materials gegen Zensur und Krieg.

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