1938 warnte Leo Trotzki, der Imperialismus schlittere „mit geschlossenen Augen der wirtschaftlichen und militärischen Katastrophe entgegen“. Nur ein Jahr nach diesen Äußerungen lies Hitler seine Armee gegen das weitgehend wehrlose Polen los und setzte damit die Katastrophe des zweiten imperialistischen Weltkriegs in Gang.
Nach Trumps Hetzrede vor den Vereinten Nationen am Dienstag haben Trotzkis Worte eine neue Bedeutung erhalten. Der US-Präsident hatte am Dienstag in einer Sprache, wie sie seit dem Dritten Reich niemand mehr benutzt hat, mit einem Vernichtungskrieg gedroht.
Wenn es hier um nichts weiter als das Gerede eines Verrückten ginge, hätten die Massenmedien und das politische Establishment Trumps Drohung, Nordkorea „vollständig zu zerstören“, einhellig verurteilt. Doch nichts dergleichen ist passiert. Das auffälligste daran ist, wie zurückhaltend die Reaktion ausfällt, vor allem die des amerikanischen politischen Establishments und seiner wichtigsten Medien. Die überschaubare Kritik an der Rede beschränkte sich auf Wortklaubereien über einige seiner groteskeren rhetorischen Exzesse und die Frage, ob sein Auftreten vom taktischen Standpunkt her zweckdienlich war.
Die USA haben über das ganze Jahr hinweg ihre Drohungen gegen Nordkorea verschärft. Doch bisher gab es keine ernsthafte offizielle und öffentliche Diskussion über die Folgen eines Krieges. Es gab keine Debatte im Kongress über das Thema, keine Forderung nach einer offenen und live übertragenen Senatsanhörung, und vor allem keine ausdrückliche und unmissverständliche Verurteilung des Kriegskurses der US-Regierung.
Studien des amerikanischen Militärs und der Denkfabriken aus ihrem Umfeld geben einen beängstigenden Einblick, welches Grauen ein solcher Krieg zur Folge hätte. Die britische Tageszeitung Daily Telegraph zitiert Schätzungen, laut denen ein „konventioneller Krieg Millionen Todesopfer fordern würde“, und durch den Einsatz von Atomwaffen würde sich diese Zahl noch um ein Vielfaches erhöhen.
Der pensionierte General Rob Givens, der als stellvertretender Stabschef für Operationen der US-Truppen in Korea gedient hatte, schrieb, „wir würden Nordkorea täglich 20.000 Opfer durch Kampfhandlungen beibringen“. Nordkorea würde dem Süden „alleine in Seoul in den ersten Tagen Verluste von 20.000 Mann pro Tag zufügen.“ Er warnt, die Gesamtzahl der Toten würde die Millionen, die in den letzten sechzehn Jahren bei aktiven Kämpfen im Nahen Osten getötet oder verstümmelt wurden, „weit in den Schatten stellen.“
Ein Artikel im New Yorker zitierte Prognosen, laut denen es alleine in den ersten Stadien des Kriegs 10.000 Todesopfer in Seoul und eine weitere Million in Südkorea geben würde. Ein ehemaliger General der US Army warnte: „Die Zerstörungen auf der Halbinsel wären katastrophal, einfach katastrophal [...] Und wenn die USA und China in den Krieg hineingezogen würden, wäre alles möglich.“
Der Artikel zitiert den leitenden Direktor des Washingtoner Büros der britischen Denkfabrik International Institute for Strategic Studies (IISS), Mark Fitzpatrick. Dieser warnte, selbst ein Sieg über das nordkoreanische Regime würde die Bedingungen für einen langen Aufstand gegen das US-Militär schaffen, der alles aus dem Irak und Afghanistan bekannte in den Schatten stellen würde.
Ein Krieg gegen Nordkorea würde einen Sturm der Entrüstung auslösen und die USA zu einem Pariastaat machen. Er würde im Inland und weltweit eine Welle des Abscheus auslösen. Doch die Wirtschafts- und Finanzoligarchie und ihre politischen Vertreter verfolgen ihren militaristischen Kurs mit einer Mischung auf Rücksichtslosigkeit und Blindheit.
In seiner Rede sprach Trump auch wilde Drohungen gegen den Iran und Venezuela aus. Zeitgleich mit der Rede fanden auf der koreanischen Halbinsel die bisher provokantesten Militärübungen statt. Amerikanische Atombomber vom Typ B-1B und F-35-Kampfflugzeuge warfen nahe der entmilitarisierten Zone Bomben ab. In Europa veranstalten die Nato und Russland gleichzeitig Militärübungen, bei denen die jeweils andere Seite als Gegner auftritt. In der ostsyrischen Wüstenregion Deir ez-Zor stehen Washingtons Stellvertretertruppen und die Spezialeinheiten, die sie anführen, kurz vor einer bewaffneten Konfrontation mit dem syrischen Militär, das von russischen Spezialkräften unterstützt wird.
Die Frage ist nicht mehr, ob ein neuer Weltkrieg und der Einsatz von Atomwaffen möglich sind, sondern welcher der unzähligen globalen Konflikte ihn am ehesten auslösen wird.
Die Gefahr eines Krieges geht nicht von dem kranken Gehirn eines Donald Trump aus, sondern von der Logik der Krise des amerikanischen und des internationalen Kapitalismus, der auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und der Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten beruht.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Trumps Drohungen mit einem Völkermord sind das Endprodukt einer langwierigen Entwicklung des US-Imperialismus, der sich 1945 zur vorherrschenden imperialistischen Macht erklärt hatte, nachdem er Hiroshima und Nagasaki mit Atombomben eingeäschert hatte. Seine späteren, erschütternd brutalen Kriege in Nordkorea und Vietnam kosteten Millionen von Menschen das Leben.
Im letzten Vierteljahrhundert seit der Auflösung der Sowjetunion haben die USA nahezu ununterbrochen Krieg geführt. Auf diese Weise wollte die amerikanische herrschende Klasse, die von Demokratischen und Republikanischen Regierungen gleichermaßen vertreten wird, den Niedergang ihrer wirtschaftlichen Stellung im Weltkapitalismus mit Gewalt ausgleichen. Diese Strategie hat eine Niederlage nach der anderen hervorgebracht, von Afghanistan und dem Irak bis hin zu Libyen und Syrien.
Die Serie von Debakeln des amerikanischen Militarismus haben dessen Kriegskurs nur noch weiter verschärft. Das Pentagon richtet seine Aufmerksamkeit von verarmten und nahezu wehrlosen Ländern zunehmend auf Washingtons wichtigste regionale und globale Rivalen. Dazu gehören auch Länder wie Deutschland, die seit dem Zweiten Weltkrieg mit den USA verbündet waren, deren Beziehungen aber immer stärker beschädigt werden.
Die entscheidende Aufgabe ist heute die Intervention der Arbeiterklasse durch den Aufbau einer Bewegung gegen Krieg.
Die bedrohlichen Entwicklungen der letzten Woche haben auf nachdrückliche Weise die Warnung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) vom Februar 2016 in seiner Erklärung Sozialismus und der Kampf gegen Krieg bestätigt. Darin hatte das IKVI gewarnt, die ganze Welt werde „in einen Strudel imperialistischer Gewalt“ gezogen, und schilderte die prinzipiellen politischen Grundlagen für den Aufbau einer neuen Antikriegsbewegung.
Eine erfolgreiche Antikriegsbewegung erfordert die politische Mobilisierung der amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse, hinter der alle progressiven Teile der Gesellschaft auf der Grundlage eines sozialistischen Programms vereint werden müssen. Ihr Gegner muss das kapitalistische System sein, die grundlegende Ursache für Militarismus und Krieg.