Die Rede, die Donald Trump am Dienstag bei der Eröffnungssitzung der UN-Vollversammlung in New York hielt, ist ohne Beispiel in der Geschichte der Vereinten Nationen und der amerikanischen Präsidentschaft.
Vor einem internationalen Gremium, das vorgeblich die Menschheit vor der „Geißel des Kriegs“ bewahren soll und seine Entstehung auf die Nürnberger Prozesse gegen die Nazi-Größen zurückführt, bekannte sich der amerikanische Präsident offen zu einer Politik des Völkermords: Er sei „bereit, willens und fähig“, Nordkorea mit seinen 25 Millionen Einwohnern „vollständig zu vernichten“.
Dass keiner der Zuhörer Trumps Verhaftung als Kriegsverbrecher verlangte oder den faschistischen Polterer auch nur aufforderte, sich hinzusetzen und den Mund halten, ist ein Maß für den Bankrott der UN.
„Die Vereinigten Staaten haben viel Kraft und Geduld, aber wenn wir gezwungen sind, uns oder unsere Verbündeten zu verteidigen, bleibt uns keine andere Wahl, als Nordkorea vollständig zu vernichten. Der Raketenmann [Trumps idiotischer Spitzname für den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un] ist auf einer Selbstmordmission für sich und sein Regime. Die Vereinigten Staaten sind bereit, willens und fähig ...“, erklärte Trump.
Wie stets eröffnete Trump auch diesen öffentlichen Auftritt mit größenwahnsinnigen Fantasien über den Wiederaufstieg Amerikas seit seiner Wahl im letzten November. Als Beweis führte er die überhöhten Börsenkurse und die Verabschiedung eines Militäretats in Höhe von 700 Mrd. Dollar an.
Im Wesentlichen propagierte Trump seine „America First“-Ideologie. Im Nationalismus liege die Lösung für alle Probleme der Welt. Der Nationalstaat bleibe „das beste Werkzeug zur Verbesserung der Lage der Menschheit“. Insgesamt kamen in der Rede die Worte „souverän“ oder „Souveränität“ 21 Mal vor.
Während Trump die Souveränität aller Nationen beschwor, machte er zugleich deutlich, dass seine Regierung zum Krieg gegen jede Nation bereit ist, die sich dem Diktat Washingtons nicht beugt.
Er drohte nicht nur mit der Einäscherung Nordkoreas (wegen dessen Raketen- und Atomtests), sondern auch mit der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran von 2015, das er als „Blamage“ bezeichnete. Damit positionierte er die USA auf Kriegskurs gegen den Iran, dessen Regierung er als „korrupte Diktatur“, „Schurkenstaat“ und „mörderisches Regime“ bezeichnete.
Des Weiteren griff er Venezuela heraus, dessen innere Situation „völlig inakzeptabel“ sei: „Da können wir nicht tatenlos zusehen.“ Weiter sagte er: „Die Vereinigten Staaten haben wichtige Schritte unternommen, um das Regime zur Verantwortung zu ziehen. Wir sind zu weiteren Maßnahmen bereit, wenn die Regierung von Venezuela weiterhin der venezolanischen Bevölkerung ihre autoritäre Herrschaft aufzwingt.“
Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif antwortete per Twitter: „Trumps ignorante Hassrede gehört ins Mittelalter, nicht vor die UN im 21. Jahrhundert. Sie ist keiner Antwort würdig.“
Der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza warf Trump vor, er strebe einen „gewaltsamen Regimewechsel“ an, und fügte hinzu, Trump wolle „die Welt regieren, obwohl er es nicht einmal schafft, sein eigenes Land zu regieren“.
Trump selbst scherte sich nicht um den offenkundigen Widerspruch zwischen seinem Bekenntnis zu universaler nationaler Souveränität und dem „Recht“ des US-Imperialismus, jedes Land seiner Wahl zu bombardieren, zu überfallen oder dessen Regime auszutauschen.
Im Vorfeld der Rede erklärte ein hochrangiger Vertreter des Weißen Hauses der Presse, Trump habe lange über den „zutiefst philosophischen Charakter“ seiner Ansprache nachgedacht.
Blanker Unsinn! Die „Philosophie“ der Rede, wenn man es so nennen will, entstammt der Ideologie des Faschismus. Seit Adolf Hitler 1939 im Reichstag mit der Vernichtung der europäischen Juden drohte, hat kein Staatsführer mehr solche Drohungen ausgestoßen, wie jetzt Trump gegen die Bevölkerung von Nordkorea.
Die nationalistische Doktrin, die Trump vor der UN vorbrachte, erinnert unverkennbar an die Haltung von Hitler und Mussolini in den 1930er Jahren. Leo Trotzki schrieb dazu 1934 in seinem Artikel „Nationalismus und Wirtschaftsleben“:
„Der italienische Faschismus hat den nationalen ‚heiligen Egoismus‘ zum alleinigen schöpferischen Faktor erhoben. Der deutsche Faschismus hat zunächst die Geschichte der Menschheit auf nationale Geschichte reduziert, danach die Nation auf die Rasse und dann die Rasse auf das Blut ... Der bleibende Wert der Nation, von Mussolini und Hitler entdeckt, wird gegen die irrigen Werte des 19. Jahrhunderts gerichtet: Demokratie und Sozialismus.“
Diese Parallelen sind kein Zufall. Der Text von Trumps Rede trägt sichtlich die Handschrift seines faschistischen obersten Politikberaters und Redenschreibers Stephen Miller, der offenbar zu Hochform aufläuft, wenn er ein Exemplar von Hitlers Mein Kampf neben sich liegen hat.
Genau wie in den 1930ern kommt in der Verbreitung dieser reaktionären nationalistischen Ideologie der Abstieg des Weltkapitalismus in einen Weltkrieg zum Ausdruck.
Wie Trumps verdeckte Drohungen gegen China und Russland (wegen deren Handelsbeziehungen mit Pjöngjang) und seine Anspielungen auf das Südchinesische Meer und die Ukraine deutlich machen, hängen seine Attacken gegen Nordkorea und den Iran mit weitaus größeren geostrategischen Zielen des US-Imperialismus zusammen. Ebenso richten sich die Angriffe gegen den Iran und die Drohung mit der Aufkündigung des Atomabkommens von 2015 nicht nur gegen Teheran, sondern auch gegen Washingtons ehemalige Verbündete in Westeuropa, die sich von Handels- und Investitionsabkommen mit dem Iran neue Profite versprechen.
Auffallend war bei der Eröffnungssitzung der UN-Generalversammlung die Abwesenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin, des chinesischen Präsidenten Xi Jinping und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zweifellos ahnten sie, was bevorstand, und wollten aus Angst vor den innenpolitischen Folgen Trumps Hetzrede nicht durch ihre Anwesenheit Legitimität verleihen.
Kurz nach Trumps Auftritt hielt der französische Präsident Emmanuel Macron eine rechtsgerichtete Rede, in der er den „Krieg gegen den Terror“ propagierte. Allerdings sah er sich gezwungen, der Haltung der USA zu Nordkorea direkt zu widersprechen. Er warnte vor einer militärischen Eskalation und forderte einen Dialog. Dem Iran gegenüber lehnte er jede Aufkündigung des Atomvertrags ab. Die französischen Medien verglichen diese Spaltung mit den Spannungen während der Vorbereitungen der Bush-Regierung auf den Krieg gegen den Irak.
Allerdings sind die Gefahren heute wesentlich größer. Trumps Rede hat der ganzen Welt unmissverständlich vor Augen geführt, dass die von ihm geführte Regierung aus Verbrechern besteht. Trump hat gleich mehrere Linien in den Sand gezogen und mit Krieg auf nahezu allen Kontinenten gedroht. Seine Demagogie führt geradezu zwangsläufig zu Eskalationen und Militäraktionen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Des Weiteren wurde die Welt durch Trumps Rede auch gewarnt, dass das amerikanische Militär keiner zivilen Kontrolle mehr unterliegt: „Von nun an werden Dauer und Ausmaß der Militäroperationen von unseren Sicherheitsinteressen bestimmt werden, und nicht von Maßstäben und Zeitplänen, die Politiker willkürlich aufgestellt haben.“
Mit anderen Worten, die Entscheidungsgewalt liegt nicht bei gewählten Parlamentariern, sondern beim Militär. Das ist das Hauptmerkmal einer Militärdiktatur. Dass dieses „Prinzip“ vom amerikanischen Kongress hingenommen wird, wirft ein Schlaglicht auf den Niedergang der amerikanischen Demokratie. Der Kongress hat dem Pentagon einen Etat von 700 Mrd. Dollar bewilligt und einen Zusatzartikel abgelehnt, der die Legislative auffordert, sich ihr Verfassungsrecht auf die Entscheidung über Kriegserklärungen zurückzuholen.
Die Konsolidierung einer solchen Regierung unter der widerwärtigen Gestalt des Donald Trump ist das Endergebnis eines Vierteljahrhunderts wirtschaftlicher und politischer Degeneration, begleitet von ununterbrochenen Kriegen und Militärinterventionen, die den Niedergang der globalen Hegemonie des amerikanischen Kapitalismus ausgleichen sollten.
Vor Trump hielt UN-Generalsekretär Antonio Guterres eine Rede vor der Vollversammlung, die einen Gegenpol zu Trumps Vision einer Blütezeit des Nationalismus nach dem Vorbild Hitlers bildete. Die Welt, so Guterres, liege in Scherben.
„Die Menschen sind verletzt und wütend“, warnte er. „Sie sehen, dass Unsicherheit und Ungleichheit zunehmen, dass Konflikte um sich greifen und das Klima sich ändert.“ Er fügte hinzu, die „weltweite Angst vor Atomwaffen ist größer als je seit dem Ende des Kalten Krieges“.
Indirekt kam diese unbestreitbare Realität auch in Trumps Rede zum Ausdruck, als er versuchte, die Krise in Venezuela für einen Angriff auf den Sozialismus auszunutzen. In Wirklichkeit hat das Finanzkapital in diesem Land heute mehr Einfluss als vor 30 Jahren.
Trump erklärte: „Wo immer echter Sozialismus oder Kommunismus eingeführt wurde, hat er Schmerzen, Verwüstung und Versagen hinterlassen. Wer die Lehren dieser diskreditierten Ideologien predigt, verlängert nur das Leid der Menschen, die in solchen grausamen Systemen leben.“
Vor einem Vierteljahrhundert, bei der Auflösung der Sowjetunion, wurde allenthalben das Scheitern des Marxismus und der Sieg des Kapitalismus verkündet. Und doch räumt heute ein amerikanischer Präsident in einer reaktionären und militaristischen Hetzrede vor den Vereinten Nationen der Beschwörung der sozialistischen Gefahr einen zentralen Stellenwert ein.
Trump spricht für eine Finanz- und Wirtschaftsoligarchie, die sich belagert fühlt. Sie hat Angst vor der zunehmenden Wut der Bevölkerung. Im US-Vorwahlkampf 2016 war deutlich geworden, dass ein großer Teil der Arbeiterklasse und der Jugendlichen das Profitsystem verabscheut und dem Sozialismus zuneigt. Diese Erfahrung hat die Herrschenden bis ins Mark erschüttert.
Letztlich zeigt sich in Trumps Drohungen mit Krieg und atomarer Vernichtung im Weltmaßstab, welche Klassenpolitik die amerikanische herrschende Klasse im eigenen Land verfolgt und wie stark sich die politischen und sozialen Spannungen in den USA selbst zugespitzt haben.