Nato-Kriegsübungen vor russischem Militärmanöver

Die USA und ihre Nato-Verbündeten haben bereits vor Beginn der gemeinsamen Truppenübung Russlands und Weißrusslands mit einer eigenen Serie von militärischen Großmanövern begonnen.

Die konkurrierenden Militärmanöver finden in einer Situation statt, in der die Beziehungen zwischen den USA und Russland so angespannt sind, wie nie zuvor seit dem Höhepunkt des Kalten Kriegs. Vorausgegangen sind einseitige amerikanische Sanktionen gegen Russland sowie Retourkutschen, die von der US-Regierung ausgingen, und bei denen jede Seite Diplomaten der jeweils anderen Seite ausgewiesen hat. Gleichzeitig setzt Washington seinen Propagandafeldzug wegen der angeblichen russischen Einmischung in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen von 2016 fort.

Am 11. September nahmen Streitkräfte der USA und anderer Nato-Länder zusammen mit dem ukrainischen Militär an der Eröffnung der Truppenübungen teil, die den Namen „Rapid Trident“ tragen, und an denen 2.500 Soldaten teilnehmen. Die Manöver finden auf einem Militärstützpunkt bei Lwiw in der Westukraine statt und sollen noch bis zum 23. September andauern.

Die Washingtoner Regierung weitet ihre Unterstützung für das rechte nationalistische Regime der Ukraine ständig aus. Es wurde im Februar 2014 mit Unterstützung der USA durch einen von Faschisten angeführten Putsch an die Macht gebracht. Letzten Monat ist der US-Verteidigungsminister James „Mad Dog“ Mattis nach Kiew gereist, wo er deutlich machte, dass die USA bereit seien, das Land mit todbringenden Waffen zu beliefern.

Die USA und die Nato bezeichnen Moskaus Anschluss der Krim und den Aufstand von pro-russischen Separatisten in der Donbas-Region als Ausdruck der russischen Aggression, und sie rechtfertigen damit einen von den USA angeführten Militäraufmarsch in der Region. Der Anschluss der Krim stützte sich auf ein Referendum, das eine überwältigende Unterstützung für die Rückkehr des militärstrategisch wichtigen Gebiets nach Russland ergeben hatte.

Zu dem massiven Militäraufmarsch gehört auch die Stationierung von vier „multinationalen Gefechtsverbänden“ der Nato im Mai. Sie bestehen aus je 1.000-Mann-starken Kampftruppen in

Estland, Lettland, Litauen und Polen, angeführt von Großbritannien, Kanada, Deutschland und den USA. Parallel dazu hat die Nato eine 40.000 Mann umfassende schnelle Eingreiftruppe aufgestellt und die militärische Präsenz in der Schwarzmeerregion ständig ausgebaut.

Erst kürzlich haben die USA sieben weitere hochentwickelte Kampfflugzeuge und zusätzlich 600 Soldaten der US-Luftlandetruppen nach Litauen entsandt, um ihre militärische Präsenz während der russischen Manöver zu verstärken. Zum ersten Mal seit 2014 hat das Pentagon das Kommando über die Lufteinsätze der Nato im Baltikum übernommen.

Am 10. September hat die Nato in Litauen mit einer weiteren Militärübung begonnen. Sie heißt „Steadfast Pyramid“, und 40 hochrangige Offiziere aus den Nato-Staaten sowie aus Finnland und Schweden nehmen daran teil. Zu dieser Übung, die noch bis zum 15. September andauert, hat die Nato eine nebulöse Erläuterung abgegeben. Das Manöver konzentriere sich auf die „Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Kommandeure und Führungskräfte, um Operationen unter Anwendung der operativen Kunst der Entscheidungsfindung planen und durchführen zu können“. Eine zweite Stufe der Manöver unter dem Namen „Steadfast Pinnacle“ soll sich vom 17. bis zum 22. September daran anschließen.

Zusätzlich zu diesen US-Nato-Aktionen nehmen amerikanische und französische Truppen zusammen mit Einheiten aus Finnland, Dänemark, Norwegen, Litauen und Estland an der größten schwedischen Militärübung teil, die in den letzten 20 Jahren abgehalten wurde. Das Manöver, das vom 11. bis zum 20. September dauert, ist eine weitere Machtdemonstration gegenüber Moskau. Ein unmissverständliches Zeichen für die scharfen Spannungen in der Region ist die Tatsache, dass Schweden seinen Militäretat erhöht. Es hat auch die Wehrpflicht wiedereingeführt und diskutiert darüber, der Nato beizutreten – ein Schritt, der einen Bruch mit der jahrhundertealten Neutralitäts-Tradition des Landes bedeuten würde.

Der Militäraufmarsch der USA und der Nato in der Ukraine und in den baltischen Republiken, sowie die Manöver in Schweden, sollen in erster Linie ein klares Gegengewicht zur Militärübung „Zapad 2017“ darstellen. Dieses Manöver wird gemeinsam von Russland und Weißrussland abgehalten und dauert vom 14. bis zum 20. September.

Die russische Regierung hat erklärt, dass nur 12.700 Soldaten an der Militärübung teilnehmen werden. Westliche Vertreter wie die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die rechten nationalistischen Regierungen in der Ukraine und den baltischen Staaten haben hysterische und unbegründete Erklärungen verbreitet, denen zufolge 100.000 Soldaten beteiligt sein sollen. Außerdem haben sie die Manöver als eine mögliche Vorbereitung auf Invasionen dargestellt.

Die Reaktion des britischen Verteidigungsministers war bezeichnend. Er erklärte gegenüber der BBC: „Dies ist meines Erachtens die größte Übung seit vier Jahren, mit 100.000 russischen und weißrussischen Soldaten an der Nato-Grenze. Das soll uns provozieren, es soll unsere Verteidigungsfähigkeit testen, und deshalb müssen wir stark sein.“

Solche Behauptungen stellen die Wirklichkeit auf den Kopf. Während des letzten Vierteljahrhunderts, seit die stalinistische Moskauer Bürokratie die Sowjetunion aufgelöst hat, sind die USA und die Nato kontinuierlich auf die russischen Grenzen vorgerückt und haben versucht das Land militärisch einzukreisen. Gleichzeitig haben sie Regimewechsel-Operationen inszeniert, um in mehreren ehemaligen Sowjetrepubliken pro-westliche Regierungen einzusetzen. Ihr letztendliches Ziel ist die Zerstückelung der russischen Föderation und ihre Verwandlung in eine Halbkolonie.

Dass Moskau seine militärischen Muskeln spielen lässt, ist an sich keineswegs progressiv. Fakt ist jedoch, dass die großen russischen Truppenmanöver auf Russlands eigenem Territorium stattfinden, während das Pentagon unter dem Banner der Nato Kampfflugzeuge und Fallschirmspringer an Russlands Grenzen herangeführt hat.

Die konkurrierenden Manöver in Osteuropa sind eine ernste Warnung. Nach 16 Jahren ununterbrochener – und erfolgloser – Kriege im Nahen Osten und Afghanistan verlagert der US-Imperialismus seinen Fokus auf eine militärische Konfrontation mit seinen großen geostrategischen Rivalen, insbesondere Russland und China, und bedroht damit die Menschheit mit einem atomaren dritten Weltkrieg.

Die potentielle Zündschnur, mit der ein solches Pulverfass zur Explosion gebracht werden kann, reicht von Syrien bis Nordkorea, vom Südchinesischen Meer bis zu den baltischen Staaten. Die parallel stattfindenden Kriegsplanspiele können dabei auch unbeabsichtigt eine militärische Konfrontation auslösen.

Der ehemalige schwedische Offizier und russische Militärexperte, Joergen Elfving, erklärte gegenüber dem schwedischen Radiosender SR International: „Wenn zwei große Militärübungen gleichzeitig stattfinden, dann gibt es immer das Risiko von Zwischenfällen. In der Ostsee wird es für sehr lange Zeit ungewöhnlich viele militärische Aktivitäten geben.“

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