Vor 65 Jahren warnte US-Präsident Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede vor der Gefahr für die Demokratie in den Vereinigten Staaten durch die zunehmende Annäherung von Militär und Wirtschaft.
Der scheidende Präsident warnte vor dem wachsenden und „vollständigen wirtschaftlichen, politischen und sogar geistigen Einfluss“ des „militärisch-industriellen Komplexes“ in „jeder Stadt, jedem Bundesstaat, jeder Dienststelle der Regierung“.
Eisenhower war selbst ein Fünf-Sterne-General und im Zweiten Weltkrieg Befehlshaber der alliierten Expeditionsstreitkräfte gewesen und aus erster Hand mit den Praktiken des Militärs vertraut. Doch selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges hat das Militär nicht so viel Einfluss auf das politische Leben ausgeübt wie heute. Jeden Monat festigt das Militär seine Macht über die zivilen Behörden weiter, während demokratische Herrschaftsformen immer mehr ausgehöhlt werden und an Bedeutung verlieren.
Beispielhaft hierfür war Trumps Ankündigung vom Montag, der Krieg in Afghanistan würde unbefristet fortgesetzt werden. Bereits die Wahl des Ortes, an dem er seine Rede hielt, war bedeutsam: Trump sprach auf dem Militärstützpunkt Fort Meyer im Bundesstaat Virginia, sein Publikum bestand aus Soldaten in Kampfmontur. Er machte deutlich, dass die Militärführung ohne jede zivile Kontrolle oder auch nur die förmliche Zustimmung des Kongresses darüber entscheiden würde, wie viele Soldaten nach Afghanistan geschickt werden und wie lange sie dort bleiben.
Während der vergangenen Woche haben die Vertreter der Armee und des Marine Corps in Trumps Kabinett – die ehemaligen Generäle John Kelly und James Mattis und der aktive General H.R. McMaster – die Krise um Trumps Sympathiebekundung für die neofaschistischen Ausschreitungen in Charlottesville benutzt, um die Kontrolle des Militärs über die Regierung zu stärken.
In einer wirklich demokratischen Gesellschaft würden solche Entwicklungen große Besorgnis auslösen. Doch von den „oppositionellen“ Demokraten und ihren Sprachrohren in den Medien wurden sie begeistert begrüßt.
Am Mittwoch erschien in der Washington Post ein Leitartikel mit dem Titel „Militärführung konsolidiert ihre Macht innerhalb der Trump-Regierung“. Darin hieß es, Trumps Ernennung eines „Kaders von aktiven und ehemaligen Generälen“ sei ein „deutlicher Kurswechsel für ein Land, in dem die zivile Regierung seit Generationen über und außerhalb des Militärs steht.“
Die Post gehört dem milliardenschweren Amazon-Chef Jeff Bezos und spricht für einen beträchtlichen Teil des amerikanischen politischen Establishments. Sie stellt die wachsende Macht des Militärs innerhalb der Trump-Regierung als positive Entwicklung dar und bezeichnet die Generäle als „Stimmen der Mäßigung“ und „moralische Autoritäten“, die Trump von Entscheidungen abhalten sollen, „die nach ihrer Einschätzung katastrophale Folgen haben könnten.“
Dann zitiert sie unkritisch ein Mitglied einer führenden konservativen Denkfabrik: „Unsere einzige Möglichkeit zu verhindern, dass die Sache auseinanderfliegt, ist militärische Disziplin [...] Es geht nicht um eine Militärherrschaft oder einen Militärputsch.“
Ähnlich äußerte sich die New York Times. Am Mittwoch erschien eine Kolumne von Roger Cohen, in der er erklärte, dass sich die Generäle wie „die Erwachsenen im Raum“ verhalten, die Trump „bändigen“ und „seine ungezügelteren Instinkte einhegen“. Cohen schreibt, das Militär biete etwas, „was Trump nie haben wird: einen Schwerpunkt.“
Diese Aussagen der Post und der Times widerspiegeln den Konsens der herrschenden Elite und vor allem der Demokratischen Partei, deren Widerstand gegen Trump sich fast ausschließlich auf außenpolitische Fragen konzentriert. Sie werfen ihm vor, er würde sich nicht ausreichend dem Militär- und Geheimdienstapparat unterordnen und sei nicht zu einer militärischen Eskalation gegenüber Russland bereit.
Senator Richard Blumenthal (Connecticut) von den Demokraten erklärte gegenüber der Post, McMaster, Kelly und Mattis seien „Säulen der Zuverlässigkeit“ im Kampf gegen Trumps „voreiliges und impulsives Verhalten“. Weiter sagte er: „Viele meiner Kollegen glauben, dass sie eine stabilisierende Hand am Steuer sind.“
Ein weiteres Beispiel für das Zusammenspiel zwischen der Presse und dem Militär- und Geheimdienstapparat war eine Kolumne von Thomas Friedman, des führenden außenpolitischen Kolumnisten der New York Times vom Mittwoch. Friedman erklärte stolz, er habe „acht Tage lang mit der Luftwaffe alle wichtigen vorgeschobenen Stützpunkte in Afghanistan, im Irak, Kuwait, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten bereist“. Dabei besuchte er auch eine so genannte „Strike Cell“, eine Einheit, die Luftschläge im Irak durchführt.
Friedman beschreibt die US-Luftschläge in bewohntem Gebiet mit unverhohlener Begeisterung: „Schnell lichtete sich der Rauch und von dem neun Meter breiten Gebäude waren nur noch schwelende Trümmer übrig – doch die beiden Gebäude daneben waren völlig intakt, sodass alle Zivilisten darin unverletzt sein dürften.“ Der Times-Kolumnist verschwendet freilich keinen Gedanken an das Schicksal der Zivilisten, die sich vielleicht in dem zerstörten Gebäude befanden.
Er schreibt: „So sieht der Krieg im Irak heute im Wesentlichen aus“. Damit will er andeuten, das US-Militär als wahrer Befreier würde seine Energie darauf konzentrieren, zivile Opfer zu vermeiden. Diese verbrecherische Lüge wird natürlich von der Wirklichkeit entlarvt: die USA führen seit mehr als einem Vierteljahrhundert Kriege im Irak und den Nachbarstaaten im ölreichen Nahen Osten und haben dabei Millionen Menschen getötet, verwundet oder vertrieben, zuletzt durch die Zerstörung von Mossul. Nur zwei Tage bevor die Times Friedmans Lobeshymne auf die moralische Reinheit des amerikanischen Militärs veröffentlichte, waren bei einem US-Luftangriff in Syrien mehr als 40 Zivilisten getötet worden.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Friedmans Beschönigung der mörderischen Aktivitäten der US-Luftwaffe ist beispielhaft für die Rolle der Presse, allen voran der New York Times und der Washington Post, als schamlose Unterstützer von US-Militärinterventionen. Auch die großen TV-Sender sind daran beteiligt, indem sie ehemalige Offiziere immer wieder als Autoritäten für sämtliche politischen Fragen präsentieren.
Die Prostitution der Presse vor dem Militär ist nur ein Ausdruck von dessen massivem Einfluss. Die USA geben mehr für ihr Militär aus als die zehn nächstgrößten Länder zusammen. Mehr als die Hälfte der Ermessensausgaben der US-Regierung (also über ein Sechstel des Gesamthaushalts) entfällt auf das Militär. Etwa zwei Millionen aktive Soldaten und Reservisten dienen in den Streitkräften, und viele weitere Millionen arbeiten direkt oder indirekt für die Geheimdienste.
Die örtliche und die Staatspolizei im ganzen Land arbeiten immer enger mit dem Militär zusammen. Das Verteidigungsministerium spricht in diesem Zusammenhang von einer „totalen Armee“ aus Militär, Polizei und Geheimdiensten. Die Polizeibehörden werden mit militärischem Gerät ausgerüstet und im Kampf in bewohntem Gebiet ausgebildet.
Diese „totale Armee“ hat den gewaltigen Überwachungsapparat der US-Geheimdienste zur Verfügung und kann beinahe jeden Anruf, jede Textnachricht und jede E-Mail auf der ganzen Welt überwachen.
Das Anwachsen der Macht des Militärs ging einher mit seiner Einbindung in die Finanzoligarchie. Hunderte von führenden Militärs nutzen die Drehtür zwischen dem Pentagon, der Wall Street und der Rüstungsindustrie, um siebenstellige Gehälter zu kassieren.
Die wachsende Macht des Militärs über das politische Leben in den USA und ihre Fusion mit der Wirtschafts- und Finanzelite sind das Produkt eines langwierigen Niedergangs des amerikanischen Kapitalismus. Ein Vierteljahrhundert endloser Kriege und die jahrzehntelang steigende soziale Ungleichheit haben die gesellschaftlichen Grundlagen für demokratische Herrschaftsformen zerstört. Neben der Oligarchie selbst hat eine privilegierte Schicht des Kleinbürgertums, welche die breitere Basis der Demokratischen Partei darstellt, durch den kometenhaften Anstieg der Aktienkurse beträchtlichen Reichtum angehäuft. Dieser Aktienboom selbst wurde durch die Zerstörung des Lebensstandards der Arbeiterklasse und durch imperialistische Aggressionen im Ausland befeuert.
Die amerikanische Finanzelite ist immer weniger dazu in der Lage, ihre Vormacht über das gesellschaftliche Leben mit demokratischen Herrschaftsformen durchzusetzen und glaubt daher, dass militärische Gewalt den letzten Rückhalt ihrer Herrschaft darstellt. Trotz der Beruhigungsversuche der Post entwickelt sich in Wirklichkeit eine direkte Herrschaft des Militärs und der CIA, bei der die Zivilregierung nur mehr als Fassade fungiert.