Air Berlin meldet Pleite an

Air Berlin, Deutschlands zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft, hat am Dienstag Insolvenz angemeldet. Betroffen sind über 8000 Arbeitsplätze.

Der Flugbetrieb wird zwar vorläufig weitergeführt, da die Bundesregierung einen Übergangskredit von 150 Millionen Euro bereitgestellt hat, um mitten in der Urlaubszeit und kurz vor der Bundestagswahl ein Debakel zu vermeiden. Der Kredit soll ausreichen, um den Betrieb drei Monate lang zu sichern. In dieser Zeit soll ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beginnen. Das bedeutet, dass die gewinnbringenden Teile des Unternehmens verhökert werden, und der Rest wird stillgelegt.

Die Zahlungsunfähigkeit von Air Berlin hatte sich seit längerem abgezeichnet. Seit 2008 schrieb das Unternehmen fast ununterbrochen Verluste. 2016 erreichte das Defizit mit 780 Millionen Euro einen Rekord. Die Gesamtschulden summieren sich inzwischen auf 1,2 Milliarden Euro. Auch die Passagierzahl ging gegenüber dem Vorjahr um 24 Prozent zurück – eine Folge von Flugausfällen, Verspätungen und schlechtem Service wegen den umfangreichen Sparmaßnahmen.

Bisher hatte vor allem der Großaktionär Etihad aus Abu Dhabi Air Berlin am Leben erhalten. Die Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate hatte 2011 knapp 30 Prozent der Airline übernommen, um sich in Europa ein eigenes Zubringernetz aufzubauen. Noch im April hatte Etihad ein neues Darlehen von 350 Millionen Euro zugesagt, um den Fortbestand von Air Berlin bis 2018 zu sichern.

Als kurz danach Verhandlungen über ein Joint Venture der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki mit TUIfly scheiterten und Air Berlin Anfang Juni bei den Ländern Berlin und Nordrhein-Westfalen die Prüfung einer staatlichen Bürgschaft beantragte, gab es akute Gerüchte über einen unmittelbar bevorstehenden Bankrott.

Schon damals interessierte sich Lufthansa für die Übernahme seines Konkurrenten. Vor allem die Start- und Landerechte (Slots) an den beiden Air-Berlin-Standorten Düsseldorf und Berlin sind für Lufthansa interessant. Außerdem hat Lufthansa 38 Air-Berlin-Maschinen samt Crew langfristig gemietet und ist an der Übernahme weiterer Strecken interessiert, nicht zuletzt, um den Niedriglohnsektor innerhalb des Konzerns zu erweitern und damit den Druck auf die restlichen Beschäftigten zu erhöhen.

Einer vollständigen Übernahme Air Berlins durch Lufthansa standen allerdings zwei Dinge im Wege: Das Kartellrecht und die hohen Schulden. Etihad entschärfte dann die Krise, indem es weitere Unterstützung für Air Berlin zusagte. Schon damals wurde allerdings vermutet, dass dies nur der Vorbereitung eines Insolvenzantrags diene.

So schrieb die Frankfurter Rundschau: „Seit geraumer Zeit kursiert in der Branche die Vermutung, dass die Zahlungsunfähigkeit bewusst herbeigeführt werden könnte, als eine Art Brachialsanierung. Dann würde das Unternehmen vermutlich zerschlagen, die Lufthansa könnte leichtes Spiel haben.“

So ist es nun eingetreten. Am Mittwoch letzter Woche zog Etihad die Reißleine. Die Fluggesellschaft überwies eine vereinbarte Kredittranche von 50 Millionen Euro nicht und kündigte Air Berlin zwei Tage später intern die Unterstützung auf. Nun kann sich Lufthansa die profitabelsten Teile herauspicken.

Air Berlin hat mitgeteilt, es würden bereits „Verhandlungen mit Lufthansa und weiteren Beteiligten zur Veräußerung von Betriebsteilen geführt“. Lufthansa bestätigte, man befinde sich „in Verhandlungen über den Erwerb von Teilen der Air-Berlin-Gruppe“.

Auch die Bundesregierung unterstützt diesen Kurs. Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) äußerte sich zuversichtlich, dass in den nächsten Monaten eine Übernahme von Teilen Air Berlins durch die Lufthansa gelingen könnte.

Den Übergangskredit für Air Berlin hat sie sich durch den Erlös der lukrativen Slots in Berlin und Düsseldorf absichern lassen, was die Verkaufsaussichten des insolventen Unternehmens erheblich schmälern dürfte. Auf mögliche weitere Kredite wollte sich Zypries nicht festlegen, und eine Übernahme von Konzernschulden durch den Bund schloss sie definitiv aus.

Auch die Gewerkschaften erklärten ihre Bereitschaft, sich an der Zerlegung Air Berlins zu beteiligen, die tausende Beschäftigte mit Jobverlust oder schlechteren Arbeitsbedingungen bedroht. Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle forderte die Einbeziehung der Gewerkschaften in die weiteren Planungen beim Insolvenzverfahren. Da Behle auch stellvertretende Vorsitzende des Lufthansa-Aufsichtsrats ist, dürfte es kaum Zweifel geben, wessen Interessen sie in diesem Fall vertritt.

Die Piloten-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) tröstete ihre Mitglieder damit, dass der Luftverkehr in Deutschland wachse. „Damit sind alle Voraussetzungen gegeben, diese deutschen Arbeitsplätze zu erhalten“, beruhigte VC-Präsident Ilja Schulz, ohne zu erwähnen, dass unzählige Piloten inzwischen unter Alptraum-Bedingungen arbeiten.

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