Am Mittwoch kamen Dutzende Studierende zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Der Fall Baberowski – Gegen rechte und militaristische Ideologie an der Uni“ an die Technische Universität Berlin. Der dortige Asta hatte zusammen mit dem Asta der Universität Bremen und der IYSSE an der Humboldt-Universität zu der Versammlung geladen.
Die enorme Stärke, die von der gemeinsamen Veranstaltung ausging, rief extrem rechte Kreise auf den Plan. Der rechte Osteuropa-Historiker Karl Schlögel, seine Frau Sonja Margolina und die FAZ-Redakteurin Regina Mönch versuchten zusammen mit bis zu zehn rechten und rechtsextremen Studierenden die Veranstaltung zu sprengen. Die Provokation misslang, weil die Störer mit ihrem vulgären Auftreten völlig isoliert blieben.
Am Freitag veröffentlichte Mönch dann einen schäbigen Artikel auf der Titelseite des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem sie die rechtsextreme Provokation verteidigt und mit Lügen und Verleumdungen arbeitet, um die Asten und die IYSSE zu diskreditieren. Die dumpfe Aggressivität dieser rechten Clique kann man nur als Ausdruck ihrer Verzweiflung und argumentativen Schwäche verstehen.
Mönch behauptet, dass die beiden Asten von „linksextremistischen Splittergruppen“ gesteuert würden. Sie führten eine „Hetzkampagne“ und verstünden nichts von „Geschichte als Wissenschaft“, sondern arbeiteten mit „Verleumdungen, Begriffsverdrehungen und Verschwörungstheorien“.
Demgegenüber verklärt Mönch die versuchte Sprengung der Veranstaltung zu einer intellektuellen Intervention. Schlögel habe die Aufklärung verteidigt und die „Verlesung falscher Baberowski-Zitate“ durcheinandergebracht und sei dann niedergeschrien worden. Die rechte Studierendengruppe bezeichnet sie als „kluge Studenten“, die sich gegen „ahistorische Verdummung“ richteten.
Diese Ausführungen haben mit dem tatsächlichen Verlauf der Veranstaltung nichts zu tun. Tatsächlich sprach weder Schlögel noch irgendein Teilnehmer der rechten Gruppe zu einer der inhaltlichen Fragen. Sie ergingen sich ausschließlich in Beleidigungen und unqualifizierten Zwischenrufen. „Rotlackierte Faschisten“, „Nichtsnutze“ und „Rufmörder“ sind nur einige Beispiele.
Die Störer, zu denen neben Mitarbeitern an Baberowskis Lehrstuhl auch Sympathisanten der rechtsextremen Identitären Bewegung gehörten, hatten sich zuvor auf Facebook zu der Intervention verabredet. Einer wollte „zur Veranstaltung gehen und jeden Linksextremisten einfach rauswerfen, isolieren, filmen und anzeigen“. Baberowski selbst hatte dazu aufgerufen, den Veranstaltern entgegenzutreten und sie unter anderem als „kranke Psychopathen“ und „Kriminelle“ bezeichnet.
Dass seine Anhänger mit ihrem Versuch, die Veranstaltung zu sprengen, keinen Erfolg hatten, lag daran, dass sie auf der Versammlung völlig isoliert blieben. Auf dem Podium hatten Vertreter der drei Veranstalter ausführlich zu den rechtsradikalen Positionen Baberowskis, zum Rechtsruck des akademischen Establishments und zu den gesellschaftlichen Grundlagen dieser Entwicklung gesprochen. Die Provokateure hatte dem nichts entgegenzusetzen.
Christoph Vandreier und Sven Wurm von den IYSSE analysierten die Positionen Baberowskis ausführlich und wiesen detailliert nach, dass er ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild vertritt, das sich in seiner Flüchtlingshetze, seiner Kriegsverherrlichung und seiner Relativierung der Nazi-Verbrechen äußert. Dies belegten sie mit etlichen Zitaten, deren Kontext sie ausführlich referierten.
Irina Kyburz vom Bremer Asta sprach über Baberowskis Versuch, dem Asta gerichtlich zu verbieten, ihn zu zitieren und als „rechtsradikal“, „rassistisch“ und „gewaltverherrlichend“ zu bezeichnen. Baberowskis Argument sei gewesen, dass die Zitate aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Das Oberlandesgericht Köln habe jedoch absolut deutlich gemacht, dass er völlig korrekt zitiert wurde und deshalb auch die genannten Bezeichnungen legitim seien.
Auch der Beitrag vom Asta-Referenten der Technischen Universität Berlin, Rico Clauß, stieß auf großes Interesse im Publikum. Er sprach über rechte Professoren an der TU. So feiere der Medienwissenschaftler Norbert Bolz ähnlich wie Baberowski rechte Äußerungen als „Tabubrüche“ und vertrete antiegalitäre und elitäre Positionen. Der Wirtschaftsprofessor Markus C. Kerber sei ein „Deutschnationaler alter Schule“.
Als Schlögel nach diesen ausführlichen Beiträgen das Wort ergriff, wurde er in keiner Weise am Reden gehindert oder gar „niedergeschrien“. Doch er hatte den Vorträgen inhaltlich nicht das Geringste entgegenzusetzen und gab sich so der Lächerlichkeit preis. Alles, was er vorzubringen hatte, waren schmutzige Lügen über die IYSSE. Diese würden Herrn Baberowski „stalken“ und hätten seine Garage zerstört, fabulierte der Professor. Schließlich warf Schlögel der IYSSE gar SA-Methoden vor, weil sie die Flüchtlingshetze eines rechtsradikalen Professors kritisieren.
Was Schlögel dann anführte, wurde schon Jürgen Habermas im Historikerstreit entgegengebracht und schon damals zu recht entschieden zurückgewiesen. Schlögel meinte in pathetischer Pose, dass sich die IYSSE gar nicht zu Trotzki, Stalin oder dem Faschismus äußern dürften, weil sie keine Historiker seien. „Herr Vandreier, Sie als Freizeithistoriker haben einfach keine Ahnung von Trotzki, vom Faschismus. Sie verstehen davon gar nichts. Sie maßen sich an, auf jemanden loszugehen, der dazu etwas zu sagen hat.“
Vandreier reagierte darauf, indem er den Professor aufforderte, zu den inhaltlichen historischen und politischen Fragen Stellung zu beziehen. Doch der Professor sah sich außer Stande, auch nur ein Argument aufzugreifen.
Vandreier wies auch die haltlosen Anschuldigungen Schlögels gegen die IYSSE scharf zurück. Die IYSSE hätten weder Sachbeschädigung begangen, noch irgendjemanden gestalkt. „Alles, was wir gemacht haben, war Veranstaltungen zu machen und Baberowskis Positionen zu kritisieren, aber das ist Ihnen anscheinend ein Dorn im Auge.“
Schlögels dumm-elitäres Gerede verglich Vandreier mit dem Standesdünkel der Geisteswissenschaftler zur Jahrhundertwende, den Fritz K. Ringer als Mandarinentum bezeichnete und als Grundlage für die spätere geräuschlose Selbstgleichschaltung der Universitäten ausmachte. In die Sphären der Geschichtswissenschaft habe sich das einfache Volk nicht einzumischen, war die Überzeugung der Mandarine.
„Aber die Ereignisse an der HU zeigen gerade, dass man den Professoren eben nicht vertrauen kann. Hier wird gerade die Geschichte umgeschrieben, ein neues Narrativ über die Ostfront und den Faschismus entwickelt.“ Es gehe um sehr grundlegende gesellschaftliche Fragen, so Vandreier. „Hier soll die Geschichte umgeschrieben werden, um neue Kriege, neue Verbrechen vorzubereiten. Das dürfen wir nicht zulassen.“
Ein anderer Teilnehmer wies auf die stalinistische Vergangenheit Schlögels hin, die dieser offenbar nie abgelegt habe. Schlögel war bis 1980 führende Figur einer maoistischen Sekte, die Stalin verherrlichte, einen extremen Nationalismus vertrat und politische Gegner, insbesondere Trotzkisten, mit Eisenstangen attackierte.
Schlögel konnte auf die beiden Antworten nichts erwidern und verließ rasch den Saal. Mit ihm gingen nicht nur seine Frau und Regina Mönch, sondern auch die Gruppe studentischer Provokateure, die sich offensichtlich mit dem Professor und der Redakteurin abgesprochen hatten.
Die Episode unterstreicht ebenso wie Mönchs Artikel in der FAZ, dass die Rückkehr des deutschen Militarismus mit der Mobilisierung des braunen Bodensatzes der Gesellschaft einhergeht. Baberowskis Geschichtsfälschung und seine Hetze sind mit Wissenschaft unvereinbar. Um sie zu verteidigen, werden rechtsextreme Studentengruppen und rechte Ideologen auf die Beine gebracht, die nichts weiter vorbringen können als Lügen.
Die FAZ war schon immer das Sprachrohr des äußerst rechten Flügels des politischen Establishments in Deutschlands und Mönch gehört zu ihren rechtesten Redakteuren. Als der AfD-Mann Roman Reusch zum leitenden Oberstaatsanwalt ernannt wurde, verteidigte sie ihn als „kritischen Geist“. Die kritischen Studierenden der IYSSE und der Gruppe Münkler-Watch bezeichnete sie hingegen schon 2015 allen Ernstes als „Zensoren und Denunzianten“. In einem anderen Artikel erlog sie „Krawalle an der Universität Bremen“, um die Kritik des Bremer Asta an Baberowski zu diskreditieren.
Sonja Margolina, die die rechten Provokationen auf der Veranstaltung ebenfalls unterstützte, hat schon 2003 in der rechtsextremen Zeitung Junge Freiheit den früheren CDU-Rechtsaußen Martin Hohmann in Schutz genommen. Dieser hatte in einer Rede zur Deutschen Einheit die Rolle der Juden in der Sowjetunion betont und daraus die Reduzierung der Entschädigungszahlungen für ehemalige Zwangsarbeiter abgeleitet. Hohmann wurde deshalb 2004 aus der CDU ausgeschlossen. Seit 2016 ist er Mitglied der AfD.
Als diese rechte Clique die Versammlung verlassen hatte, ging die Diskussion noch lange weiter. Die Dutzenden Studierenden, die die Vorträge und die Provokationen verfolgt hatten, stellten sich hinter die Veranstalter und bekundeten ihre Solidarität. Angesichts des aggressiven Auftretens der Rechten sahen viele Teilnehmer die Notwendigkeit, sich am Kampf gegen rechte und militaristische Ideologie zu beteiligen.
Sven Wurm erklärte abschließend, dass man die Auseinandersetzungen an den Universitäten als Ausdruck realer, sozialer Konflikte verstehen müsse. Der Militarismus der herrschenden Klasse und die wachsende soziale Ungleichheit stießen auf den Widerstand der großen Mehrheit der Bevölkerung. Notwendig sei eine revolutionäre Perspektive. „Man kann rechte Ideologie an der Uni nur dann wirkungsvoll bekämpfen, wenn man ihre Ursache bekämpft, wenn man den Kapitalismus bekämpft.“ Dafür gebe es unter Arbeitern und insbesondere in der Jugend fruchtbaren Boden.