Am Montag stellten die Spitzen der Regierungsparteien CDU und CSU in Berlin ihr Wahlprogramm vor. Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer gaben kurze Erklärungen zu dem 67-seitigen Papier ab und demonstrierten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz politische Eintracht.
Damit haben nun alle im Bundestag vertretenen Parteien ihr Wahlprogramm vorgelegt.
Das Bedeutende am Programm von CDU/CSU besteht darin, dass es sich in den wesentlichen Fragen nicht von den anderen Programmen unterscheidet. Auf die Frage worin sich das Unionsprogramm von dem der SPD und der Grünen unterscheide, antwortete ARD-Korrespondentin Tina Hassel am Montagabend: „Gute Frage, die Übereinstimmungen sind zweifellos größer, als die Unterschiede.“
Unter dem Titel „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ geben die Unionsparteien das Ziel aus, bis 2025 Vollbeschäftigung zu erreichen. Sie wollen bei der Einkommenssteuer die mittleren Einkommen um 15 Milliarden Euro entlasten. Der Solidaritätszuschlag soll ab 2020 bis 2030 schrittweise abgeschafft werden. Zudem soll es ein so genanntes „Baukindergeld“ geben: Wer eine Immobilie kauft, bekäme pro Kind jährlich 1200 Euro Zuschuss über einen Zeitraum von zehn Jahren. Kindergeld und Kinderfreibetrag sollen erhöht werden.
Die SPD will den Solidaritätszuschlag schon bis 2020 abschaffen, mittlere Einkommen entlasten in dem der Spitzensteuersatz erst bei höherem Einkommen als bisher – statt 54.000 Euro erst ab 76.200 Euro zu versteuerndes Einkommen – greift. Statt dem CDU/CSU-Baukindergeld fordert die SPD die Einführung eines Familientarifs als zusätzliche Option zum Ehegattensplitting und die schrittweise Abschaffung der Kita-Gebühren.
Diese sozialen Versprechungen, die sich auch bei den Grünen und Linken finden, stehen alle samt unter Finanzierungsvorbehalt und sind nur der Deckmantel für eine massive Steigerung der Militärausgaben und Verschärfung der inneren Sicherheit. Deutlich wird das an der wortgleichen Forderung nach „Einstellung von 15.000 neuen Polizisten“ und besserer Polizeiausrüstung und Ausbildung.
Wie im SPD-Wahlprogramm steht im Zentrum des Unionsprogramms die militärische Aufrüstung. Begründet wird das mit den Worten: „Die Welt scheint an vielen Stellen aus den Fugen geraten. Autoritäre Staatssysteme sind auf dem Vormarsch, scheinbar stabile Staaten sind zerbrochen.“
Selbst in unserer Nachbarschaft sei die territoriale Integrität der Ukraine „durch die russische Aggression“ in Frage gestellt. Die neue amerikanische Administration habe ihre Haltung zu vielen außenpolitischen Fragen noch nicht festgelegt. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück weit vorbei.“
Dann kommt der Kernsatz: „Wir Europäer müssen unser Schicksal konsequenter als bisher in die eigene Hand nehmen. Deshalb wollen CDU und CSU ein starkes, selbstbewusstes und dynamisches Europa. Ein Europa, das imstande ist, seine Interessen zu wahren und sich seiner internationalen Verantwortung zu stellen. Ein Europa der Freiheit, der Sicherheit und der Prosperität, die es – falls erforderlich – auch gemeinsam verteidigen kann.“
Nach einigen Floskeln über die EU als „Friedensprojekt“ das als „Lehre aus den verheerenden Zivilisationskatastrophen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges“ entstanden sei, heißt es: „Wir müssen unsere gemeinsame geostrategische Verantwortung für Freiheit und Frieden wahrnehmen und bei der Bewältigung von Konflikten in unserer Nachbarschaft mithelfen. Deshalb hat die EU sich im Russland-Ukraine- Konflikt engagiert, deshalb streiten wir gemeinsam für das Klimaabkommen von Paris.“
Dieser Hinweis auf die Verteidigung des Pariser Klimaabkommens richtet sich gegen die US-Regierung und die Ankündigung der Trump-Regierung das Abkommen aufzukündigen. Die wachsende Opposition gegen die US-Regierung prägt auch die nächsten Programmpunkte. „Wir unterstützen den Vorschlag für eine Europäische Verteidigungsunion und für einen Europäischen Verteidigungsfonds. Wir sind überzeugte Mitglieder der NATO und arbeiten für ihren Erfolg. Aber die EU muss sich selbstständig wappnen, wenn sie dauerhaft bestehen will. Europa muss eine wirksame Sicherheitsgarantie für die innere und äußere Sicherheit seiner Mitgliedstaaten sein.“
Dann folgt die Forderung nach der Verteidigung der Festung Europa. „Europa muss seine Außengrenzen wirksam gegen illegale Migration schützen, die Grenzschutzagentur Frontex stärken und das Europäische Asylsystem vollenden. Bis der Schutz der EU-Außengrenzen funktioniert, halten wir an Binnengrenzkontrollen fest.“ Verbunden ist diese Forderung mit dem Aufbau eines europäischen Polizeistaats. „Die EU braucht dringend einen besseren Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden ihrer Mitgliedsstaaten“, schreibt die Union.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
SPD, Grüne und Linke stimmen mit dieser inneren und äußeren Aufrüstung überein. Ihre Kritik an der Union richtet sich gegen das Sozialprogramm, das sie als überzogen und unrealistisch bezeichnen. Mit anderen Worten, SPD, Grüne und Linke greifen die Union von rechts an.
Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz bezeichnete das Wahlprogramm der Union als eine „oberflächliche und hektisch zusammengeschusterte Ideensammlung“ die völlig unrealistisch sei und von Niemandem bezahlt werden könne. Das Wahlversprechen, bis zum Jahr 2025 in Deutschland die Vollbeschäftigung zu schaffen, sei nicht zu finanzieren und daher unverantwortlich.
Die Linkspartei warf der Union ebenfalls „unbezahlbare Wahlversprechen“ vor. „All diese Versprechen sind ungedeckte Schecks, die nach der Wahl platzen werden“, sagte Parteichefin Katja Kipping mit Blick auf die versprochenen Steuererleichterungen und Förderprogramme. In ihrem Papier lasse die Union Angaben zur Finanzierung vermissen.
Diese rechte Kritik an der Union macht deutlich, dass es bei der Bundestagswahl im September nichts zu wählen gibt. In den wichtigen Fragen der inneren und äußeren Aufrüstung stimmen alle Bundestagsparteien überein. Ohnehin arbeiten alle Parteien auf Landes- und kommunaler Ebene bereits in allen denkbaren Koalitionen zusammen. Die Zeit, in der Arbeiter mit dem Stimmzettel für bessere Lebensbedingungen und soziale Gerechtigkeit eintreten konnten, ist lange vorbei.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ist die einzig Partei, die in der Bundestagswahl für ein sozialistisches Programm eintritt. Sie erklärt offen, dass Armut, Unterdrückung und Krieg nur überwunden werden können, wenn ihre Ursache, der Kapitalismus, beseitigt wird. Sie strebt keine Ministerposten in einer SPD- oder Linken-Regierung an, sondern kämpft für den Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse, die die großen Banken und Vermögen enteignet und die Gesellschaft nach sozialistischen Grundsätzen reorganisiert.