Perspektive

Trump sucht Vorwand für Eskalation in Syrien

In der letzten Staffel der US-Serie House of Cards benutzt die fiktive Regierung von Präsident Francis Underwood und Vizepräsidentin Claire Underwood angesichts einer innenpolitischen Krise einen fingierten Chemiewaffenangriff in Syrien, um dem Land den Krieg zu erklären.

Die Trump-Regierung hat offenbar von dieser Serie inspirieren lassen und der syrischen Regierung vorgeworfen, sie treffe „Vorbereitungen“ für den Einsatz von Chemiewaffen gegen die Zivilbevölkerung. Beweise für diese konstruierte Drohung hat sie noch nicht vorgelegt.

Am Montag erklärte Trumps Pressesprecher Sean Spicer, die USA hätten „potenzielle Vorbereitungen für einen weiteren Chemiewaffenangriff des Assad-Regimes entdeckt, der vermutlich zahlreiche zivile Todesopfer fordern würde, darunter auch unschuldige Kinder“. Weiter hieß es, wenn der syrische Präsident Baschar al-Assad „einen weiteren Massenmord mit Chemiewaffen verübt“, würden „er und sein Militär teuer dafür bezahlen“.

Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley erklärte am Dienstag: „Unser Ziel ist es mittlerweile, nicht nur Assad eine Nachricht zu senden, sondern auch Russland und dem Iran... Wenn so etwas noch einmal passiert, werden wir Sie dafür zur Verantwortung ziehen.“ Mit anderen Worten, ein mutmaßlicher Chemiewaffenangriff in Syrien könnte als Rechtfertigung für einen Krieg gegen den Iran und Russland benutzt werden.

Der Pressesprecher des Pentagon wurde gebeten, die Vorwürfe des Weißen Hauses zu bekräftigen, konnte aber keine Beweise dafür liefern. Er erklärte, die mutmaßlichen Geheimdiensterkenntnisse seien „von gestern oder vorgestern“ und betreffen „bestimmte Flugzeuge in einem bestimmten Hangar, von denen wir wissen, dass beide mit dem Einsatz von Chemiewaffen in Verbindung stehen“. Damit meinte er den Luftwaffenstützpunkt al-Schairat, den die USA am 6. April mit Marschflugkörpern angegriffen hatten.

Einige Militärvertreter erklärten, sie hätten „keine Ahnung“, wovon das Weiße Haus spricht. Vertreter des britischen Verteidigungsministeriums erklärten, sie hätten zwar keine Beweise gesehen, würden die USA jedoch trotzdem bei einer militärischen Eskalation unterstützen. Das heißt, es ist ihnen egal, ob die Vorwürfe wahr oder falsch sind.

Journalist und Pulitzerpreisträger Seymour Hersh, der während des Vietnamkriegs das Massaker von My Lai enthüllte, hatte nur einen Tag vor der Erklärung des Weißen Hauses in der Welt einen detaillierten Artikel zu der Frage veröffentlicht. In seinem Artikel weist Hersh nach, dass die Vorwürfe, mit denen die Trump-Regierung den Raketenangriff auf Syrien am 6. April gerechtfertigt hatte, völlig aus der Luft gegriffen waren.

Hersh hat Interviews mit Militärs und Geheimdienstlern geführt, nach denen die US-Regierung keine Beweise für ihre Behauptungen hatte, dass die syrische Regierung am 4. April das Giftgas Sarin einsetzte.

Die falschen Vorwürfe zum Chemiewaffenangriff und der anschließende Angriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt waren so dreist erfunden, dass sich sogar in Teilen des Militär- und Geheimdienstapparats Widerstand gegen sie regte. Hersh zitierte einen Offizier mit den Worten: „Das ergibt alles keinen Sinn. Wir WISSEN, dass es keinen Chemiewaffenangriff gab...“

Trump wurde zu dem Zeitpunkt von der Demokratischen Partei und den Geheimdiensten unter immensen Druck gesetzt, eine aggressivere Haltung gegenüber der syrischen Regierung einzunehmen. Nur wenige Tage zuvor hatte der Geheimdienstausschuss des Senats bei einer Anhörung Trump vorgeworfen, er habe mit zusammen mit Russland die Wahl 2016 gefälscht. Kolumnisten und Experten stellten den Präsidenten praktisch als Agenten des Kremls dar.

Doch nach dem Angriff änderte sich all das - zumindest für ein paar Tage. Hersh schrieb dazu: „Die nächsten paar Tage waren die erfolgreichsten seiner Präsidentschaft. Amerika stellte sich, wie immer in Kriegszeiten, hinter seinen Oberbefehlshaber... Der bekannte Fernsehmoderator Brian Williams von MSNBC beschrieb die Bilder vom Abschuss der Tomahawk-Raketen vom Meer aus als ‘wunderschön’. Fareed Zakaria erklärte auf CNN: ‘Ich glaube, Donald Trump ist zum Präsidenten der Vereinigten Staaten geworden.’ Eine Auswertung der 100 wichtigsten amerikanischen Zeitungen zeigte, dass 39 von ihnen Leitartikel veröffentlicht haben, in denen sie die Bombardierung unterstützten, darunter die New York Times, die Washington Post und das Wall Street Journal.“

Damals stellte keine große amerikanische Zeitung oder Nachrichtensendung die Frage, ob die Vorwürfe des Weißen Hauses glaubwürdig waren. Dass sie ohne weiteres für bare Münze genommen wurden, zeigt, dass die Medien weiterhin als Sprachrohr für Kriegspropaganda dienen.

Hersh konnte in den USA nicht einmal ein Nachrichtenmedium finden, dass seinen aktuellen Artikel veröffentlichen wollte. Auch die britische London Review of Books, die bereits frühere Enthüllungsreportagen von Hersh veröffentlicht hatte, lehnte seinen Artikel ab. Deshalb musste er sich an eine deutsche Zeitung wenden.

Das jüngste syrische „Kriegsverbrechen“ - diesmal sogar nur die angebliche „Vorbereitung“ - zeigt, dass sich die Medien mit unverminderter Bereitschaft zu Propagandaorganen der Regierung machen.

Die Medien nehmen zwar zusammengeschusterte Behauptungen der Regierung über Massenvernichtungswaffen in Syrien für wahr an, doch es bleibt am Ende nicht verborgen, dass sie falsch sind. Wie mittlerweile üblich, hat die Regierung nicht einmal versucht, auch nur den geringsten Beweis dafür vorzulegen, sondern verbreitet nur allgemeine Behauptungen, welche die amerikanische Bevölkerung unhinterfragt glauben soll.

Vor vierzehn Jahren hatte die Bush-Regierung Lügen über Massenvernichtungswaffen benutzt, um einen Krieg im Irak zu beginnen, der Millionen Todesopfer forderte. Jetzt benutzt die Trump-Regierung ebenso haltlose Behauptungen, um einen Krieg zur Eskalation zu treiben, der zu einem nuklearen Schlagabtausch zwischen den USA und Russland führen könnte, den beiden größten Atommächten der Welt - und die amerikanischen Medien unterstützen sie dabei uneingeschränkt.

Anstatt Widerstand gegen die Verschärfung des Kriegs zu leisten, hat die Demokratische Partei seit Trumps Wahlsieg ein aggressiveres Vorgehen gegen Russland zu ihrer zentralen Forderung gemacht und in den Mittelpunkt ihres Widerstands gegen seine Regierung gestellt. Hillary Clintons Vizepräsidentschaftskandidat Tim Kaine veröffentlichte im Juni einen Artikel in Foreign Affairs, in dem er die aggressiven außenpolitischen Ziele beschrieb, auf denen Clintons Kandidatur beruhte, und die auch im Mittelpunkt der derzeitigen hysterischen Kampagne um Trumps angebliche „Zusammenarbeit“ mit dem russischen Präsidenten Putin stehen.

Kaine prangerte die Außenpolitik der Obama-Regierung an und erklärte, dass Obama „nicht schon viel früher im syrischen Bürgerkrieg interveniert hat, wird die USA in der Zukunft sehr teuer zu stehen kommen“. Er verurteilte Obama für seine „lasche Reaktion auf Russlands Cyberangriffe und die beispiellose Einmischung in die Wahl 2016“. Zum Schluss erklärte er: „Die Vereinigten Staaten müssen immer eine klare Botschaft an alle vermitteln, die Amerikanern etwas antun wollen: Legt euch nicht mit uns an.“

Die Washington Post veröffentlichte einen Artikel, aus dem klar hervorgeht, dass Obama damit gerechnet hat, seine Macht an Clinton zu übergeben. Diese hätte dann sofort mit den Vorbereitungen für eine deutliche Eskalation in Syrien begonnen, auch für einen möglichen Zusammenstoß mit Russland. Trumps Wahlsieg hat diese Pläne durcheinandergebracht, obwohl sie bereits weit fortgeschritten waren. Deshalb versuchen die Demokraten und die Geheimdienste so verbissen, Trump zu einer aggressiveren und klarer gegen Russland gerichteten Außenpolitik zu zwingen - und scheinen damit Erfolg zu haben.

Die zunehmend schärferen Spannungen zwischen den USA und Russland um Syrien stellen eine Gefahr für den Fortbestand der Menschheit dar. Nur die unabhängige Intervention der Arbeiterklasse auf der Grundlage ihres eigenen sozialistischen, internationalistischen und revolutionären Programms kann die Katastrophe verhindern, in die das politische Establishment der USA mit Nachdruck vorbereitet.

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